Taxigewerbe als Schattenwirtschaft: Laut Gutachten gibt es in der Landeshauptstadt Stuttgart einen Wildwuchs an Konzessionen – und viel zu viele Unternehmer. Foto: Peter Petsch

Unsichere Fahrzeuge, Verstöße gegen Auflagen, Fahrer ohne Anmeldung: Die Taxibranche sieht sich seit Monaten einer Hiobsbotschaft nach der anderen gegenüber. Jetzt kommt es noch dicker: Ein Gutachten im Auftrag der Stadt Stuttgart fordert eine Reduzierung der Taxis.

Unsichere Fahrzeuge, Verstöße gegen Auflagen, Fahrer ohne Anmeldung: Die Taxibranche sieht sich seit Monaten einer Hiobsbotschaft nach der anderen gegenüber. Jetzt kommt es noch dicker: Ein Gutachten im Auftrag der Stadt Stuttgart fordert eine Reduzierung der Taxis.

Stuttgart - Manchmal hilft sanfter Druck durch die Justiz. Derzeit befindet sich die Stadt in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Ein Mann fordert eine Taxikonzession in Stuttgart. „Die aber wollen wir ihm nicht geben“, sagt Hermann Karpf, Sprecher des Ordnungsreferats im Rathaus. Grund: Das Gewerbe befindet sich seit Jahren im Sinkflug. Viele Betriebe arbeiten unwirtschaftlich, die Zustände sind teils chaotisch. Deshalb stellt die Stadt keine neuen Konzessionen mehr aus. Um diese Haltung zu untermauern, hat die Verwaltung ein Gutachten in Auftrag gegeben. Dessen Inhalt lässt aufhorchen.

Das Hamburger Institut Linne und Krause stellt dem Taxigewerbe in der Landeshauptstadt ein katastrophales Zeugnis aus. Insgesamt sei die Lage „problematisch“. Und das, obwohl die Taxidichte in Stuttgart noch nicht einmal besonders hoch ist. 703 Fahrzeuge gibt es hier, das ergibt eine Taxidichte von 1,18 pro 1000 Einwohner. Unter den vergleichbaren deutschen Großstädten bedeute das lediglich einen Platz „im unteren Mittelfeld“. Dennoch seien viele Fahrzeuge nicht ausgelastet. Offenbar wird in Stuttgart deutlich weniger Taxi gefahren als anderswo. Nur wenig besser zeige sich die Lage in Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt, die wegen des Flughafens mit in die Studie aufgenommen worden waren.

Die Folgen sind aus Sicht der Gutachter verheerend. „Angesichts unzureichender Erlöse und Gewinne wurde die Grundlage betriebswirtschaftlich vernünftigen Handelns bei vielen Betrieben schon seit einiger Zeit verlassen“, schreiben sie. Bedenklich sei das nicht nur für die Unternehmen selbst, sondern auch für die öffentliche Sicherheit. Die Taxis in Stuttgart seien überdurchschnittlich alt, die Fahrer säßen mit durchschnittlich 64 Stunden pro Woche sehr lang hinterm Steuer. Beides erhöht das Risiko für Fahrgäste und andere Verkehrsteilnehmer.

Statt derzeit 703 Taxis benötige man in Stuttgart nur rund 575

Die Gutachter bemängeln außerdem, dass viele Betriebe kaum über Eigenkapital verfügen. Dadurch komme es auch zu hohem Druck auf die Fahrer. Viele von ihnen arbeiteten für viel zu wenig Geld. Manche, die nicht aus Europa stammten, setzten sich überhaupt nur hinters Steuer, um ihren Aufenthaltstitel in Deutschland zu sichern. Insgesamt zähle das Taxigewerbe in Stuttgart „zu den problematischen im Bundesgebiet“.

Was daraus eigentlich folgen müsste, listet die Studie ebenfalls auf. Die Hauptforderung dürfte der Stadtverwaltung gefallen, stützt sie doch ihre Argumentation im aktuellen und anderen Gerichtsverfahren. Für die Branche allerdings klingt sie wie ein Schlag ins Gesicht. Das Gutachten empfiehlt zuvorderst eine deutliche Reduzierung der Konzessionen. Statt derzeit 703 Taxis benötige man in Stuttgart nur rund 575 und zusätzlich 70 im Landkreis Esslingen rund um den Flughafen. Mit diesen Werten sei die Überlebensfähigkeit der Branche gewährleistet. Alles andere „würde die angespannte wirtschaftliche Situation des örtlichen Taxigewerbes, seine Funktionsfähigkeit und damit das öffentliche Verkehrsinteresse auf unabsehbare Zeit untergraben“.

Die Gutachter empfehlen, diese Zahlen innerhalb von drei Jahren anzustreben. Und sie gehen noch weiter: Ginge man vom tatsächlichen Bedarf aus, würden sogar insgesamt 550 bis 600 Taxifahrzeuge ausreichen, glauben sie. Derzeit jedenfalls könne man nicht davon ausgehen, dass die Branche noch funktioniere.

Chance auf heilende Wirkung für Branche

Welche Folgen das nach sich zieht, ist noch unklar. Zunächst einmal will die Stadt die Erhebung im aktuellen Prozess vor dem Verwaltungsgericht nutzen. „Schlussfolgerungen werden wir erst ziehen, wenn das Verfahren vorbei ist“, sagt Karpf. Man erhoffe sich, dass es auch vom Gericht noch Hinweise darauf gebe, wie am besten vorzugehen sei. Dann will sich die Verwaltung dazu äußern, wie es weitergeht.

Angesichts der Deutlichkeit des Gutachtens wäre es nicht verwunderlich, wenn die Stadt im Falle der rechtlichen Möglichkeit dazu die Empfehlungen umsetzen würde. Dann käme auf die Betriebe eine Lawine zu – allerdings mit der Chance auf eine heilende Wirkung für die gesamte Branche.

Das Gutachten im Internet: www.stuttgart.de/taxi-mietwagen-konzession