Um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ging es bei der Verhandlung am Nagolder Amtsgericht. Foto: Köncke

Hat er die Auszubildende am Arbeitsplatz nur flüchtig berührt oder mit der Hand am Hinterteil gepackt? Wegen sexueller Belästigung verurteilte das Amtsgericht Nagold einen Mitarbeiter einer Haiterbacher Firma zu einer Geldstrafe von 2100 Euro.

Haiterbach/Nagold - Der Vorfall ereignete sich am 15. Dezember vergangenen Jahres in einem Haiterbacher Unternehmen. Gegen 8.30 Uhr wollte sich das Lehrmädchen in der offenen Nische einer Küchenzeile einen Kaffee holen. In dem Moment kam der Angeklagte aus seinem Büro, ging an ihr vorbei und griff der 20-Jährigen laut Anklageschrift mit der rechten Hand fest an den Po. Sie zeigte ihn daraufhin bei der Polizei an. Gegen den erlassenen Strafbefehl legte der Mann über seinen Anwalt Michael Doll Widerspruch ein, deshalb trafen sich die Beteiligten in Nagold vor Gericht.

Fünf Zeugen geladen

Die Verhandlung mit fünf Zeugen dauerte drei Stunden. "Ich habe sie nicht angefasst", bestritt der Angeklagte den sexuellen Übergriff. Er sei an diesem Morgen in Hektik gewesen und habe die Auszubildende auf dem Flur versehentlich angerempelt. Mehr sei nicht passiert. Er sei erstaunt gewesen, dass ihn der Betriebsrat angerufen habe und wissen wollte, was an diesem Morgen vorgefallen sei. Am 5. Januar habe ihn die Personalleiterin zu einem Gespräch geladen und aufgefordert sich zu entschuldigen. Außerdem sei eine Abmahnung ausgesprochen worden.

Unwohl gefühlt

Die Klägerin erörterte im Gerichtssaal, dass sie an diesem Morgen am Kaffeeautomaten gestanden habe, der 48-Jährige sei vorbeigekommen, habe ihr ein freundliches "Guten Morgen" zugerufen und auf dem Rückweg "hat er mich auf den Arsch geschlagen und fest zugepackt". Richter Martin Link wollte es genau wissen: "Auf die rechte oder die linke Backe?" Nach dem Betatschen sei sie an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt, habe sich unwohl gefühlt und das Geschehen ihrer befreundeten Arbeitskollegin erzählt. Das müsse sie der Personalleitung melden, sei ihr geraten worden. Sie habe es danach vermieden, mit dem Angeklagten zu sprechen, auf eine persönliche Entschuldigung warte sie bis heute. Sie habe der Übergriff belastet.

Trauriges Gesicht

Die Personalleiterin sagte als Zeugin aus, das traurige Gesicht der Auszubildenden und die weinerliche Stimme seien ihr aufgefallen. Was ist los? Im Besprechungsraum habe sie den Vorfall erzählt. Daraufhin sei die Geschäftsleitung informiert und überlegt worden, eine Abmahnung oder eine Kündigung auszusprechen.

Der Betriebsrat habe sich gegen eine Entlassung gewehrt. Vorher sei nie etwas vorgefallen und Aussage stehe gegen Aussage. Dessen Vorsitzender erklärte in der Verhandlung, eine Entschuldigung hielt er für ausreichend. Beim Gespräch mit der Auszubildenden habe er nicht den Eindruck gewonnen, sie sei aufgewühlt und verzweifelt. "Da kenne ich sie anders", erklärte die Arbeitskollegin vor Gericht. Weil sich der Angeklagte nicht persönlich entschuldigte, habe sie Anzeige erstattet. "Aber erst drei Monate später", wandte der Verteidiger ein. Normal sei eine schnelle Reaktion.

Die in der gleichen Firma arbeitende Lebensgefährtin des Angeklagten schilderte ihren Freund in der Verhandlung als "total geschockt". Er habe ihr glaubhaft versichert, ein Übergriff habe nicht stattgefunden. Zur Entlastung präsentierte sie in der Verhandlung ein Blatt Papier, dass die Klägerin und ihre Arbeitskollegin auf Instagram in ausgelassener Stimmung zeigt.

Keiner Schuld bewusst

Staatsanwalt Lukas Busser hielt den Vorwurf der sexuellen Belästigung in seinem Plädoyer für glaubhaft und beantragte, den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 75 Euro zu verurteilen. Verteidiger Michael Doll forderte für seinen Mandanten einen glatten Freispruch. Das sich sein Mandant nicht persönlich bei der 20-jährigen entschuldigte, habe damit zu tun, dass er sich keiner Schuld bewusst sei.

Bevor Richter Link den Firmenmitarbeiter zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 70 Euro verurteilte, wies er auf die verschärfte Rechtsprechung hin. Früher sei das ein Kavaliersdelikt gewesen, heute eine strafbare Handlung. Dass die Klägerin erst drei Monate nach dem Vorfall Anzeige erstattete, habe damit zu tun, "dass sie mit der sexuellen Belästigung nicht klar gekommen ist".