Der jetzt angeklagte einstige Verfassungsschützer Egisto Ott im Interview mit dem Fernsehsender ORF Foto: ©ZackMediaGmbH

Der einstige hochrangige Verfassungsschützer Egisto Ott steht von Mittwoch an vor Gericht. Er soll über Jahre die russische Geheimdienste mit Informationen versorgt haben.

Seine Aufgabe war es, die österreichische Demokratie zu verteidigen und vor Schaden zu bewahren. Tatsächlich verdingte sich Egisto Ott, wenn die Vorwürfe stimmen, an den russischen Geheimdienst. In Österreich selber spricht man vom größten Spionageskandal, den das Land je hatte. Von Mittwoch an wird vor dem Landesgericht Wien darüber verhandelt.

 

Der 62-jährige Egisto Ott war eine höchst aktive Spitzenkraft im österreichischen Verfassungsschutzamt BVT, das Ende 2021 zerschlagen wurde. Ott hatte viele Beziehungen zum Nachrichtendienst und ins Innenministerium, der „Standard“ bezeichnet ihn als „sehr einnehmende Persönlichkeit“ und „Urgestein“ der Spionageabwehr.

Geheim-Handys an die Russen verkauft

Doch der Sohn einer italienischen Mutter spielte vermutlich ein doppeltes Spiel. So soll er drei Diensthandys von österreichischen Kabinettsmitgliedern mit vertraulichen Informationen dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB gegeben haben. Auch soll er einen so genannten Sina-Laptop – diese werden für die streng geheime Kommunikation zwischen Geheimdienst und Behörden verwendet – an Russland verkauft haben – für 20 000 Euro in bar. Wie gefährlich die Spitzelei werden kann, musste der bulgarische Investigativjournalist Christo Grosew erfahren, über den Daten weitergegeben wurden.

Russland fahndet nach ihm. Nach fast 20 Jahren verließ er Wien 2023, weil er sich bedroht fühlte und Angst um seine Sicherheit hatte. Bekannt ist Grosew dafür, dass er Moskau als Urheber des Giftanschlags auf den russischen Oppositionellen Alexei Nawalny im August 2020 ausgemacht hatte. Im Frühjahr dieses Jahres ist Nawalny in einem sibirischen Straflager gestorben.

Ott soll ein Partner von Wirecard-Chef Jan Marsalek gewesen sein

Der größte Vorwurf gegen Ott sowie den früheren Verfassungsschutz-Abteilungsleiter Martin Weiss lautet, dass sie Partner von Jan Marsalek gewesen sein sollen. Marsalek war Vorstand des wohl auf kriminelle Weise betriebenen und zusammengebrochenen Wirecard-Konzerns aus Aschheim bei München. Auch er gilt als ein wichtiger russischer Spion.

Von Ott und Weiss soll Marsalek viele wichtige Informationen für Moskau erhalten haben. Die Rede ist von einer „russischen Zelle“. Nach dem Wirecard-Crash hatte sich Marsalek auf abenteuerliche Weise abgesetzt, Weiss hatte ihm einen Flug vom österreichischen Vöslau ins weißrussische Minsk organisiert. Seit langem wird international nach Marsalek gefahndet, er wird in der Nähe von Moskau vermutet, wo ihn der Geheimdienst untergebracht haben soll. Der Ex-Verfassungsschützer Weiss wiederum wurde von Russland ins sichere Dubai gebracht, das ihn nicht nach Österreich ausliefert.

Seit 2017 wird gegen Egisto Ott ermittelt

Doch Egisto Ott ist geblieben. Seit 2017 wird gegen ihn ermittelt, er konnte aber offenkundig über lange Zeit weiterhin seinem Geschäft nachgehen. Das jetzige Verfahren greift erst einmal nur einen Teilaspekt von Otts mutmaßlichem Wirken auf: Ihm wird vorgeworfen, dem ehemaligen FPÖ-Politiker Hans-Jörg Jenewein Infos über ein Treffen von europäischen Geheimdiensten verschafft zu haben.

Aus der Untersuchungshaft war Ott im Juni dieses Jahres nach drei Monaten entlassen worden. Es bestehe nicht die Gefahr, so das Gericht, dass er weitere Taten begehe. Diese Entscheidung wird in Österreich und anderswo heftig kritisiert. Das Nachrichtenmagazin „Profil“ spricht von einer „skurrilen Begründung“, im Ausland verstehe man „schon lange nicht mehr, warum Österreich in dem Fall so agiert – oder eben auch nicht“.

Österreich gilt in der EU als sehr Russland-affin

Der Verdacht ist: Ott und der Spionagekomplex werden weiterhin mit Samthandschuhen angefasst. Obwohl es Russland darum geht, möglichst viele Informationen über Österreich zu sammeln, auch um die Gesellschaft zu „destabilisieren“ und eine „Polarisierung“ voranzutreiben, wie es Paul Schliefsteiner vom Forschungszentrum für Sicherheit ACIPSS sagt.

Im Vergleich zu anderen EU-Staaten gilt Österreich als sehr Russland-affin, die Rede ist vom „Trojanischen Pferd“ Putins. Experten meinen, dass Spionage nicht ernst genug genommen werde. Der Osteuropa-Professor Wolfgang Mueller von der Uni Wien sagt gegenüber dieser Zeitung: „Wien ist aufgrund der zahlreichen internationalen Organisationen ein lohnender Ort für Spionage.“ Die Gesetze seien „zahnlos“. Sehr weit verbreitet sei die Verbrüderung mit und die Kritiklosigkeit gegenüber „dem großen Nachbarn im Osten“.

Über seine Anwälte bestreitet Egisto Ott alle Vorwürfe. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.