Verkehrsminister Wissing droht damit, beim Verbot von Verbrennern auf EU-Ebene ein Veto einzulegen – was für Unmut in der Ampel sorgt.
Es ist eine Vollbremsung in letzter Minute, die Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) am Dienstag hingelegt hat. Eigentlich schien das Verbrenner-Aus eine beschlossene Sache zu sein. Ein Kompromiss wurde im vergangenen Herbst ausgehandelt, am 14. Februar besiegelte dann auch das Europaparlament diesen Schritt. Damit schien klar: Von 2035 an darf kein Auto verkauft werden, das im Betrieb CO2 ausstößt.
Doch Wissing droht mit einem Veto auf EU-Ebene. Die Abstimmung im Ministerrat am 7. März galt als Formalie, doch der Verkehrsminister will, dass es Ausnahmen geben müsse für Verbrennungsmotoren, die mit synthetisch hergestelltem Kraftstoff betankt werden, sogenannten E-Fuels. Als sich die Nachricht vom angedrohten Veto am Morgen verbreitete, löste das hektische Stunden in der Bundesregierung aus, denn die Zeit drängte. Bis 12 Uhr mittags musste man der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft übermitteln, wie man sich bei einer anstehenden Abstimmung der EU-Botschafter verhalten werde.
Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) war überrumpelt
Besonders das Umweltministerium von Steffi Lemke (Grüne) war überrumpelt. Sie war am Vormittag im Flugzeug auf dem Weg zur UN-Ozeankonferenz. Am Ende konnte man auf Ebene der EU-Botschafter keine abgestimmte deutsche Position mitteilen.
Wissing äußerte sich am Nachmittag. Er sagte, er sehe die EU-Kommission in der Pflicht. Sie müsse jetzt liefern und Zusagen einhalten. Es gehe um eine Zulassung von Verbrennern nach 2035, wenn sie mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden. Die Kommission solle einen entsprechenden Regulierungsvorschlag machen. Ansonsten werde Deutschland nicht zustimmen.
Der Bundesverkehrsminister sagte, man werde nicht ein Verbrenner-Aus beschließen und dann auf das Prinzip Hoffnung setzen. Es gehe um Technologieoffenheit. Wenn es unterschiedliche Auffassungen in der Ampel-Koalition gebe, müsse sich Deutschland enthalten, dies hätte „entsprechende Auswirkungen“.
Der FDP-Politiker spielte damit auf die Abstimmung im EU-Rat, also der Mitgliedsländer, an. In Kraft treten kann die Regelung nur mit qualifizierter Mehrheit, also wenn 15 von 27 Ländern zustimmen und gleichzeitig 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Offenbar gibt es auch in Italien Bedenken, ebenso in Tschechien, Ungarn und Polen. Zusammen könnten diese Länder durch eine Enthaltung das Verbrenner-Aus kippen.
Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert Wissing
E-Fuels waren schon Knackpunkt, als die EU-Staaten im Juni 2022 um ihre Position zu dem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission rangen. Gelöst wurde das damals mit Zusage der EU-Kommission, einen Vorschlag vorzulegen, wie nach 2035 nur mit klimafreundlichen Kraftstoffen wie E-Fuels betankte Fahrzeuge zugelassen werden können. Doch daran hakt es derzeit. Der zuständige Kommissionsvize Frans Timmermans machte unlängst in der „Bild am Sonntag“ deutlich, wie verhalten sein Appetit auf E-Fuels ist.
Wissings Ankündigung bringt auch die Koalition ins Schleudern. Besonders im grünen Umweltministerium ist man sauer. Ein Sprecher sagte, Deutschland habe dem Verhandlungsergebnis mit dem Parlament bereits im November auf Botschafterebene zugestimmt. „Diese Zustimmung war mit den anderen Ressorts abgestimmt.“ Der Text, der nun bestätigt werden solle, sei unverändert. „Deutschland steht hier auch in europäischer Verantwortung.“
Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert Wissing beim Thema Verbrenner-Aus. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagte dieser Zeitung: „Dass heute oder in Zukunft E-Fuels für Pkw zur Verfügung stehen würden, ist ein reines Märchen. Riesige Mengen Ökostrom zu exorbitant hohen Kosten für synthetische Kraftstoffe zu verschwenden, würde die gesamte Energiewende kannibalisieren.“ Selbst die deutschen Hersteller würden sich gegen diese Option aussprechen, sagt Resch.