Staus und Luftschadstoffe trüben das Bild der Autobranche und ihrer Produkte. Foto: dpa

Das Elektroauto gilt als die Technologie der Autozukunft. Doch ob dies so bleibt, lässt sich heute nicht sagen. Dennoch gibt es bei den Technik-Studenten eine Abkehr vom Verbrennungsmotor.

Stuttgart - Ein Land, das von seiner Hochtechnologie lebt, tut gut daran, schon bei Schülern Interesse zu wecken. Baden-Württemberg nahm bereits vor Jahren einen Mint-Laster in Betrieb, der Schüler mit einer Mini-Produktionsanlage für die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik begeistern soll. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann wirbt für diese Fächer und gibt sich alle Mühe, Schülern die Scheu vor dem Fach Chemie zu nehmen, das er als Lehrer einst selbst unterrichtet hat. Er könne sich „gar nicht erklären, warum Chemie als schwer gilt“, sagte er. „Das ist ein unausrottbares Vorurteil.“

VW-Skandal ließ das Interesse einbrechen

An den Universitäten zeichnet sich nun ein möglicherweise gravierendes Problem mit dem naturwissenschaftlichen Nachwuchs ab – zumindest mit dem Teil, der dafür sorgen soll, dass die Autoindustrie auch in Zukunft genügend Ingenieure hat, die Benzin-, Diesel- und Hybridfahrzeuge entwickeln, konstruieren und verbessern. Denn das Interesse an den Studiengängen, die etwas mit dem Verbrennungsmotor zu tun haben, ist seit dem Bekanntwerden der Diesel-Manipulationen durch Volkswagen drastisch zurückgegangen. Am Institut für Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen (IVK) der Universität Stuttgart etwa sind seither nicht einmal mehr halb so viele Studenten für das Spezialisierungsfach Fahrzeugantriebe eingeschrieben, das sich vor allem mit der Verbrennungstechnologie beschäftigt. Ein Trend, der sich auch bundesweit abzeichnet.

Auf den ersten Blick erscheint es geradezu logisch, dass sich Studenten bei der Fächerwahl von Diesel & Co. abwenden. Denn in der öffentlichen Debatte wird der Verbrenner meist als Auslaufmodell dargestellt. Völlig zu unrecht, wie IVK-Chef Michael Bargende meint: Der Verbrenner werde noch lange benötigt, zumal er in Form des Hybrids die Nachteile der Elektrotechnologie bei der Reichweite ausgleichen könne. Doch das könnte schwierig werden, wenn der Branche die Ingenieure ausgehen.

Hersteller wie Toyota setzen noch Jahrzehnte auf Verbrenner

Nun gehört es zu Bargendes Aufgaben, die Bedeutung seines Fachs hervorzuheben. Doch er ist keiner, der vor dem tiefgreifenden Wandel in der Autobranche die Augen verschließt. Erst vor kurzem traf er einen Topmanager von Toyota, einem der drei größten Autokonzerne der Welt, der weltweit als ein Vorreiter für neue Technologien gilt. Was dieser über die langfristigen Planungen erzählte, hörte sich ganz anders an als das, was in Deutschlands Politik über die Zukunft des Diesels erzählt wird. Selbst für das Jahr 2050 plant Toyota demnach damit, dass noch immer 80 Prozent aller neuen Autos einen Verbrennungsmotor besitzen werden – dann in Form eines Hybridantriebs, bei dem Verbrennungs- und Elektromotor einander ergänzen. Den Anteil des Batterieautos und der Brennstoffzelle sieht der Manager des Konzerns in den nächsten 32 Jahren auf zusammen gerade einmal 20 Prozent steigen. Auch die deutsche Industrie sagt dem – auf den neuesten Stand gebrachten – Verbrenner ein langes Leben voraus.

Dass die Studenten der Verbrennungstechnologie den Rücken kehren, sieht Bargende vor allem als eine Folge des Dieselskandals. Die Studenten, die sich für die Autotechnologie interessieren, seien „genauso verunsichert wie die Fahrer eines Diesel“. Allerdings ist diese Verunsicherung auch ein sehr deutsches Phänomen, wie Bargende an der eigenen Universität beobachtet. Denn zehn Prozent der Kapazitäten sind für Studierende aus Ländern außerhalb der EU reserviert – und sie werden vor allem aus einem Land in Anspruch genommen, das wie kein zweites für den energischen Ausbau der Elektromobilität steht: China.

Bargende rät, bei aller Bewunderung für die 500 000 E-Autos, die dort im vergangenen Jahr neu auf den Markt kamen, die Relationen nicht aus dem Auge zu verlieren. Denn angesichts eines Automarkts von 25 Millionen Fahrzeugen jährlich bedeute dies zugleich, dass nach wie vor 98 Prozent der Neufahrzeuge einen Verbrennungsmotor besitzen. „Gerade China sieht das Ende des Verbrennungsmotors überhaupt nicht.“

Politik misst mit unterschiedlichem Maß

Die Politik freilich will den Durchbruch des E-Autos – mit Methoden, die Bargende für fragwürdig hält. Denn bei der Frage, welche Technologie wie umweltverträglich ist, blicke die Politik derzeit allein auf den Auspuff, der beim E-Auto gar nicht vorhanden ist. Dieses Vorgehen, das etwa die ökologischen Folgen der energie- und rohstoffaufwendigen Herstellung und Entsorgung der Batterie oder der Verbrennung von Kohle für die Herstellung des benötigten Stroms ausblende, führe zu einer Bevorzugung des Batterieautos, die durch seine Gesamtbilanz nicht zu rechtfertigen sei.

Die Weiterentwicklung künstlicher, schadstoffarmer Kraftstoffe für den Verbrenner stocke dagegen, weil dort der umgekehrte Effekt eintrete: Das Fahrzeug werde mit solchen Kraftstoffen zwar kaum noch Stickoxide ausstoßen – aus dem Auspuff komme dann vor allem das Treibhausgas Kohlendioxid, das jedoch kein Schadstoff für die Atemluft sei, sondern vielmehr im globalen Maßstab die Erdatmosphäre beeinträchtige. Derzeit aber werde die Klimawirkung allein am Auspuff gemessen. Unberücksichtigt bleibe dabei, dass dieses Treibhausgas bei der Herstellung in gleicher Menge aus der Atmosphäre entnommen wird, so dass Verbrennungsfahrzeuge perspektivisch klimaneutral unterwegs sein könnten. Dies könne das Klima sehr viel schneller entlasten als etwa das E-Auto, weil sie weder einen Austausch der Fahrzeuge noch neue Tankstellen oder Ladesäulen voraussetzten.

Nicht auszuschließen, dass sich Öko-Wächter einmal an der Gesamt-Umweltbilanz ausrichten, anstatt sich auf den Auspuff zu fixieren. Gleichwohl stellt sich für Studenten die Frage, ob sie nicht auf Nummer sicher gehen sollten, indem sie sich eher auf neue denn auf konventionelle Technologien konzentrierten. Bargende sieht in dieser Frage einen Denkfehler. Derzeit stürzten sich viele Studenten in die Modefächer und gingen damit das größere Risiko ein. „Diejenigen, die heute gegen den Strom schwimmen, werden morgen die besten Aussichten haben.“