In der Blumberger Espenstraße befindet sich eines der Gebäude, die bei der Hausdurchsuchung der Kriminalpolizei im November 2022 im Visier der Ermittler sind. Mittlerweile steht es zum Verkauf. Foto: Conny Hahn

Sechs Angeklagte müssen sich vor dem Oberlandesgericht in Karlsruhe wegen einer möglichen Verbindung zur Organisation Kalifatstaat verantworten. Das Beweismaterial stammt von einer Razzia in Blumberg.

Es ist früh am Morgen an diesem Mittwoch im November. Tags darauf fallen die ersten Schneeflocken in Blumberg. Das wird jedoch in der Stadt nicht so in Erinnerung bleiben, wie der Polizeieinsatz am 30. November. Autos kommen gefahren, vermummte Beamte steigen aus und verschaffen sich Zugang zu sechs verschiedenen Gebäuden im Stadtbezirk Blumberg.

 

Beobachtet wird dabei auch, wie die Beamten ein Gebäude an der Espenstraße betreten. Wie sich später herausstellt, richtet sich diese Aktion gegen die verbotene islamistische Organisation „Kalifatstaat“, die in einem Ableger auch in Blumberg aktiv war – oder eventuell ist.

Gefunden werden im ehemaligen Gebetsraum der Gruppierung und den anderen durchsuchten Gebäuden Unterlagen, Dokumente, digitales Datenmaterial und auch Geld. Offenbar genug Beweismaterial, um sechs Blumberger anzuklagen. Der Vorwurf: Den organisatorischen Zusammenhalt und die weitere Betätigung der unanfechtbar verbotenen Vereinigung „Kalifatstaat“ im baden-württembergischen Teilgebiet Blumberg unterstützt und aufrechterhalten zu haben, so teilt es die Staatsanwaltschaft Karlsruhe im Februar mit.

Am 5. Februar wird schließlich Anklage gegen sechs türkische Staatsangehörige erhoben, wegen des Vorwurfs eines Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot. Und der Vorwurf der Ermittler: Von hier aus werde die verbotene islamistische Organisation Kalifatstaat unterstützt. Bislang ermittelte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe gegen sechs Personen, jetzt wird die Sache allerdings konkreter. Wie Matthias Hörster von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe erklärt, habe man mit Verfügung vom 5. Februar nun Anklage gegen sechs türkische Staatsangehörige erhoben, wegen des Vorwurfs eines Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot.

Oberlandesgericht in Karlsruhe ist zuständig

Die Angeschuldigten sollen dabei nach ihren individuellen Tatbeiträgen entweder als Rädelsführer, Mitglieder oder Unterstützer der verbotenen Vereinigung gehandelt haben. Die Personen sollen wohl etwa damit betraut gewesen sein, bei den Gemeindemitgliedern Spenden zu sammeln und mit dem Verkauf von Lebensmitteln Gelder zu erwirtschaften, die der Organisation dann zur Verfügung gestellt werden.

Wie von der Staatsanwaltschaft zu erfahren ist, liegt die Sache mittlerweile beim Oberlandesgericht in Karlsruhe. Dort werde im vierten Quartal 2024 entschieden, wann der Prozess gegen die sechs Männer aus Blumberg stattfinden soll. Der Grund für die Dauer: Das Gericht ist noch mit vielen anderen Verfahren stark beschäftigt.

Prozess soll im Frühjahr 2025 beginnen

Richter Tobias Spirgath, Pressesprecher des Gerichts, rechnet mit einem Prozess im Frühjahr 2025. Betraut mit diesem Fall sei die sogenannte Staatsschutzkammer, sie regle im Groben, „Verfahren, die den Staatsschutz betreffen“, so Spirgath. Die Kammer ist auch bei Zuwiderhandlungen gegen ein Vereinigungsverbot zuständig, wenn es in Zusammenhang mit kriminellen oder terroristischen Vereinigungen aus dem Ausland steht.

Wie Spirgath erklärt, werde das Verfahren voraussichtlich öffentlich sein, es sei denn, der zuständige Richter entscheide aus verschiedenen Gründen anders: „Das wird individuell beurteilt – und in solch einem Fall intensiver geprüft.“ Dabei spielen etwaige Zeugen und deren Schutz eine Rolle, oder ob Minderjährige beteiligt sind, was hier nicht der Fall sei. Der jüngste Angeklagte ist 1990 geboren.

Nicht das erste Mal

Kalifatstaat
Mit Verfügung des 8. Dezembers 2001 wurde die Vereinigung Kalifatstaat verboten, da sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtete. In der Verbotsverfügung wurde festgestellt, dass die Ideologie des Kalifatstaats insbesondere das Demokratieprinzip verletze, da sie den Vorrang des islamischen Staates vor den demokratischen Institutionen fordere. In den regelmäßigen Berichten des Verfassungsschutzes ist als einer der Gründe für das Verbot der Organisation zu lesen: „Propagierung von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele.“ In Deutschland soll es in mehreren Gruppen noch etwa 700 Anhänger geben. Darunter eben zuletzt auch in Blumberg. Bei einer bundesweiten Razzia wurde Anfang der 2000er-Jahre die Moschee Im Winkel samt Grundstück beschlagnahmt, der dort praktizierende Verein Muslim-Gemeinde Blumberg wurde aufgelöst, das Grundstück ging durch Enteignung an den Bund über – galt der Verein mit seinen 30 Mitgliedern doch als eine von 19 Teilorganisationen der Organisation Kalifatstaat.