Eine undichte Stelle im Vatikan erschüttert den Kirchenstaat. Foto: dapd

Paolo Gabriele wird vorgeworfen, vertrauliche Dokumente von Benedikts Schreibtisch geklaut zu haben.

Rom - Die Enthüllungsaffäre „Vatileaks“ zieht immer weitere Kreise: Neben dem beschuldigten Kammerdiener von Papst Benedikt XVI. muss sich ein weiterer Vatikan-Mitarbeiter vor Gericht verantworten. Dabei handelt es sich den Ermittlern zufolge um einen Informatiker aus dem päpstlichen Staatssekretariat. Der Vatikan schließt nicht aus, dass es Untersuchungen zu möglichen weiteren Hintermännern des Ex-Dieners Paolo Gabriele geben könnte. Diesem drohen wegen schweren Diebstahls sechs bis acht Jahre Haft. Prozessbeginn könnte im Oktober sein. Doch die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.

Der Vatikan veröffentlichte am Montag sowohl den Untersuchungsbericht als auch die Anklageschrift gegen die beiden Männer. Dem Ende Mai festgenommenen und inzwischen in den Hausarrest entlassenen Ex-Diener Benedikts wird vorgeworfen, vertrauliche Dokumente vom päpstlichen Schreibtisch entwendet zu haben, von denen einige brisante in die Medien gelangten. Darunter waren Unterlagen zu einem angeblichen Mordkomplott gegen den Papst und zu umstrittenen Geschäften der Vatikan-Bank IOR.

Wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete, wurden im Zuge der Ermittlungen bei dem 46-Jährigen nicht nur Dokumente sichergestellt. Auch ein auf Benedikt ausgestellter Scheck über 100.000 Euro sowie weitere an den Papst gerichtete Geschenke seien gefunden worden.

Gabriele: Papst erhielt falsche Informationen

Als ein Motiv gab der Kammerdiener an, er habe den Eindruck gehabt, der Papst werde falsch informiert. Das habe ihn persönlich interessiert. Er habe die Unterlagen fotokopiert, damit niemand das Verschwinden der Originale bemerken könne. Neben Gabriele muss sich auch ein weiterer Vatikan-Angestellter vor Gericht verantworte. Bei diesem soll es sich um einen Bekannten Paolo Gabrieles handeln, einen 48 Jahre alten Informatiker aus dem päpstlichen Staatssekretariat.

Vatikan-Sprecher Federico Lombardi betonte am Montag laut Ansa jedoch, dass dieser nicht als Komplize zu sehen sei, da seine Vergehen weitaus weniger gravierend seien als die des früheren Kammerdieners. Der Informatiker war bereits nach einer Nacht wieder aus der Haft entlassen worden und ist derzeit von seinen Aufgaben entbunden, bekommt aber weiter sein Gehalt.

Noch mehr Hintermänner?

Die Ermittlungen zu den Hintergründen von „Vatileaks“ sind laut Lombardi aber mit der Anklageerhebung immer noch nicht beendet. So könnte es möglicherweise weitere Untersuchungen auch zu Hintermännern von Paolo Gabriele geben. Immer wieder hatte es in den Medien Spekulationen über mögliche Komplizen gegeben. Dabei waren auch Namen aus Benedikts nächstem Umfeld genannt worden. Der Vatikan hatte dies stets scharf zurückgewiesen. Auch der Anwalt hatte in der Vergangenheit die Spekulation zurückgewiesen, der Kammerdiener werde in der Sache als „Sündenbock“ benutzt.

Nicht veröffentlicht wurde der Bericht der von Benedikt eingesetzten Kommission von Kardinälen, die die Hintergründe der Affäre untersucht hat. Dem Papst lägen die Ergebnisse vor, er verfolge die weiteren Entwicklungen, sagte Lombardi.