Die Beziehungen zu den USA sind ihm wichtig: Bundeskanzler Olaf Scholz. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Der Kanzler trifft am Freitag Joe Biden. Er ist der wichtigste Verbündete der Deutschen. Und doch muss sich Olaf Scholz für den Fall vorbereiten, dass womöglich Donald Trump die Wahl gewinnt, kommentiert unser Korrespondent Tobias Peter.

Olaf Scholz würde Joe Biden wählen. So viel ist sicher. Aber der deutsche Bundeskanzler hat bei der US-Präsidentschaftswahl selbstverständlich genauso wenig eine Stimme wie die vielen anderen Deutschen, die der Gedanke an eine zweite Präsidentschaft von Donald Trump mit Sorge erfüllt.

 

Wenn der Kanzler am Freitag beim amerikanischen Präsidenten Joe Biden zu Besuch ist, bewegt er sich in einer Welt, die es in einem Jahr so womöglich nicht mehr gibt. Es ist eine Welt, in der die Vereinigten Staaten freundschaftlich an der Seite Deutschlands und Europas stehen. Eine Welt, in der es sich beim amerikanischen Präsidenten um einen verlässlichen, rational handelnden Menschen handelt.

Droht ein Jahrhundertsturm?

Der Tag der US-Präsidentschaftswahl, der 5. November 2024 kann das alles verändern. Es ist ungefähr so, als hätte ein Hausbesitzer für einen bestimmten Tag in seinem Kalender stehen: „Möglicher Hurrikan. Kommt nicht zwingend, aber falls doch, wird es verheerend.“ Ein Wahlsieg Trumps könnte sich als Jahrhundertsturm herausstellen, bei dem kaum ein Stein auf dem anderen bleibt. Nicht nur in den Vereinigten Staaten.

Scholz muss daraus für die kommenden Monate einen doppelten Schluss ziehen. Erstens muss er, gemeinsam mit Biden, politisch alles umsetzen, was möglich ist. Zweitens muss seine Regierung sich selbst und Deutschland, so gut es nur geht, auf den Fall vorbereiten, dass Trump die Wahl gewinnt. Denn, Stand jetzt, ist der Ausgang tatsächlich vollkommen offen.

Wie sehr die US-Wahl die Weltpolitik erschüttern könnte, zeigt sich schon jetzt. Die Republikaner sabotieren – auf Trumps Wunsch – das milliardenschwere Hilfspaket, das Biden für die Ukraine geschnürt hat. Sie handeln erbarmungslos gegenüber der Ukraine. Ihnen ist es offenbar gleichgültig, dass sie damit den russischen Aggressor Wladimir Putin stärken.

Der deutsche Kanzler kann nicht viel mehr für Biden tun, als ihm zumindest das Argument an die Hand zu geben, dass auch andere ihre Verpflichtungen erfüllen. Das tut Scholz. Deutschland ist nach den USA der zweitwichtigste Unterstützer der Ukraine. Scholz liegt also richtig damit, dass er jetzt vor allem bei den anderen europäischen Verbündeten dafür wirbt, dass sie mehr tun. Das ist dringend nötig.

Es ist richtig, dass Scholz in Washington Trump nicht trifft – das würde ihn, trotz des geringen Interesses an deutscher Politik in den USA, zu diesem Zeitpunkt aufwerten. Gleichzeitig führt kein Weg daran vorbei, dass Deutschland bereits jetzt Kontakte ins Trump-Lager knüpft. Deshalb ist es wichtig, dass Scholz sich in Washington mit Abgeordneten von Demokraten und Republikanern trifft.

Das Gefährliche an einer zweiten Präsidentschaft Trumps wäre, dass er diesmal vorbereitet wäre. Trump würde alles dafür tun, schnell einen Apparat zu schaffen, der ihn nicht kontrolliert, sondern alles, was er will, exekutiert.

Auf einmal ist nur noch wenig Zeit

Die Europäer wiederum sind schlecht auf einen möglichen Sieg Trumps vorbereitet. Das gilt gerade für Deutschland, dessen Sicherheitsarchitektur komplett an den USA ausgerichtet ist. Das war in Zeiten des Kalten Krieges rational, ist schon seit einiger Zeit fahrlässig – und jetzt kann es gefährlich werden. Eine gemeinsame Verteidigungspolitik und eine EU, die nach innen und außen so gut genug funktioniert, dass sie ein echter Machtfaktor ist: Das sind Aufgaben, die groß genug für noch mehrere Generationen wären. So viel Zeit bleibt jetzt auf keinen Fall.

Olaf Scholz ist mit dem Krieg in der Ukraine kurz nach Beginn seiner Amtszeit vor eine unerwartete sicherheitspolitische Herausforderung gestellt worden. Es war womöglich noch nicht seine größte als Kanzler.