T. C. Boyle glaubt an die Kraft der Demokratie. Foto: dpa

Der US-Autor T.C. Boyle ist nicht erst seit den Wahlen Pessimist. In seinem neuem Roman beschreibt er ein künstliches Paradies und seine Grenzen.

Stuttgart - T.C. Boyle schickt in seinem Roman „Die Terranauten“ acht Menschen in eine künstliche Biosphäre. Zwei Jahre lang sollen sie in diesem geschlossenen System überleben. Im Interview spricht Boyle über das Erbe der US-amerikanischen Gegenkultur - und über die Katastrophe Donald Trump.

Mr. Boyle, Sie schildern in Ihrem Roman „Die Terranauten“ ein Experiment, das auf sehr ähnliche Weise zu Beginn der 1990er Jahre stattgefunden hat. Was reizte Sie daran, darüber zu schreiben, nahezu 25 Jahre später?
Das Projekt begann mich damals zu faszinieren, als eine Frau dort einen Unfall erlitt, bei dem sie fast die Spitze ihres Fingers verlor. Sie musste die Biosphäre deshalb für mehrere Stunden verlassen. Ich bin nun darauf zurückgekommen, da die Nasa heute wieder ähnliche Experimente durchführt. Für den Roman wollte ich meine eigenen Charaktere erschaffen und sehen, wie sie sich in einer so bemerkenswerten Situation entwickeln.
Kann man das Projekt, das sie beschreiben, auch als eine Metapher für die US-amerikanische Gegenkultur lesen?
Den Einfluss der Gegenkultur gab es hier ganz sicher. Die New-Age-Bewegung spielte eine Rolle dabei, aber es gab auch einen theatralen Aspekt – die Terranauten im Buch führen während des Einschlusses ja drei Theaterstücke auf, für das Publikum außerhalb der Biosphäre.
Worin besteht das Erbe der Gegenkultur?
Sie hat uns ein sehr viel ausgeprägteres Bewusstsein für unsere Umwelt gebracht. Als ich ein Kind war, im New York der 1950er Jahre, gab es das nicht. An so etwas wie Recycling dachte man nicht einmal. Man warf einfach alles weg. Seither haben wir dazugelernt. Vielleicht ist es zu spät, viele Umweltschützer sagen das – aber ich denke doch, dass dies ein positiver Einfluss war. Die Rechte der Frauen, die Frauenbewegung gehören ebenfalls dazu. Wenn ich mich in meinen Büchern mit solchen Themen beschäftige, dann liegt das daran, dass ich dieser Zeit aufgewachsen bin.
Ist das Projekt der Ecosphere in Ihrem Buch der Versuch, einen neuen Garten Eden zu erschaffen?
Jede Form von Utopie ist das. Ich habe mich in vielen meiner Bücher obsessiv mit solchen Versuchen beschäftigt. Das ist vielleicht eine amerikanische Besonderheit, obwohl es ein utopisches Denken natürlich auch anderswo gibt – aber in Amerika spielt das, denke ich, eine besondere Rolle, da es ein sehr junges Land ist und von religiösen Utopisten aus England gegründet wurde. Mein Roman „Drop City“ zum Beispiel spielt im Jahr 1996 und erzählt von einer Hippie-Kommune, die nach Alaska zieht und herausfinden möchte, ob man dort leben kann, nahe bei der Erde, ohne sie, im Kreislauf des Kapitalismus, immer nur auszubeuten. „Die Terranauten“ ist etwas wie „Drop City“ unter Glas. In der Biosphäre wurde versucht, eine neue Welt zu schaffen und eine Anzahl von Spezies in ihr zu erhalten. Dass dieses Konzept im Grunde sehr elitär war, macht die Pointe des Buches aus. Sollte die Welt sich in ‚Scheiße’ verwandeln und nur acht Menschen in dieser Biosphäre überleben – was wird dann aus uns, dem Rest?

Hoffnung aus eine neue Gegenkultur

Heute erleben wir, wie eine Generation von Künstlern und Denkern, die die linksgerichtete populäre Kultur geprägt haben, den Planeten verlässt, währen die USA unter dem Bann von – nun, Sie kennen seinen Namen – steht...
(lacht) Ja, natürlich. Ich war davon so geschockt wie jeder andere. Ich sehe mich selbst als ein Teil des Problems, ebenso, wie die Leute auf der Rechten ein Teil des Problems sind. Ich verabscheue alles, für das Trump steht, ebenso wie seine Vorgänger Bush und Nixon. Aber ich bin kein Soziologe, ich bin Schriftsteller – dieses Pendeln zwischen Links und Rechts scheint unausweichlich, da die Menschen früher oder später immer unzufrieden sein werden, mit dieser Politik oder jener. Ich glaube aber, dass die Politik, die die USA nun betreibt, sehr destruktiv ist, auch dann, wenn sie uns nur in unseren Bemühungen um den Schutz der Umwelt zurückwerfen wird.
Sie leben in Kalifornien, das Mitte des 19. Jahrhunderts noch mexikanische Provinz war. Vor 22 Jahren haben Sie einen Roman veröffentlicht, „The Tortilla Curtain“, der das Verhältnis zwischen den USA und Mexiko behandelt – nun haben die USA einen Präsidenten, der verkündet: Wir werden eine Mauer bauen.
Weiße Amerikaner sind heute in Kalifornien eine Minderheit. Und ja, natürlich: Kalifornien befand sich zunächst in spanischer, dann in mexikanischer Hand. Das ist eine Tatsache, mit der wir leben müssen, und genau deshalb habe ich damals auch „The Tortilla Curtain“ geschrieben. Dieses Buch handelte von unserer Spezies, jenseits aller Grenzen, und davon, dass jeder von uns im Grunde ein Tier ist, das um sein Überleben kämpft und sich fortpflanzen möchte. Das ist der Sinn des Lebens: Sich fortzupflanzen und neues Leben zu erschaffen. Donald Trump ist eine Katastrophe – für unsere Freiheit, für die Umwelt, für das Erziehungswesen, für die Rechte der Frauen, für alles, woran ich glaube. Wenn es einen Hoffnungsschimmer gibt, dann, dass diese Situation zum Beginn einer neuen Gegenkultur führen könnte. Das ist nicht viel, sieht man, was dieser Mann in nur zweieinhalb Wochen angerichtet hat. Aber wenn wir an unsere Demokratie glauben und sie erhalten wollen, dann ist unsere einzige Option, zu bekämpfen, was ihr entgegen steht. Auf legale Weise: Durch Proteste, dadurch, dass wir wieder Demokraten in unsere Regierung wählen und dieses Ungeheuer und seine Vasallen in vier Jahren wieder loswerden. Es werden vier bittere Jahre – aber so ist es.
Sie glauben aber, dass die Situation sich zum Guten wenden und Donald Trump nach vier Jahren verschwinden wird?
Ich glaube nicht, dass irgendetwas besser wird. Aber wenn unser System funktioniert, das System, in dem wir aufgewachsen sind, dann werden wir sehen. Die Demokratie ist ein Wunder. Historisch wurden die meisten Länder stets von Banden regiert. Das ist auch heute noch so. Deshalb müssen wir für unsere Redefreiheit kämpfen, für die Freiheiten, die die Demokratie uns garantiert, und dafür, dass die Demokratie weiterhin besteht. Das bedeutet aber, dass wir das Ergebnis von Wahlen akzeptieren müssen – auch dann, wenn, wie in diesem Fall, der Falsche gewählt wurde.
Das Gespräch führte Thomas Morawitzky.