Nach der Ankündigung, US-Raketen in Deutschland stationieren zu wollen, wird Verteidigungsminister Boris Pistorius aus der eigenen Partei kritisiert. Warum lehnen Teile der SPD die Pläne ab? Und um welche Waffen geht es eigentlich?
Boris Pistorius ist gerade auf Hawaii. Der Verteidigungsminister besucht dort eine Übung der Bundeswehr im Pazifik. Doch selbst am anderen Ende der Welt holt ihn eine Debatte aus der Heimat ein: nämlich darüber, ob amerikanische Mittelstreckenraketen in Deutschland stationiert werden sollen. Insbesondere aus Pistorius‘ eigener Partei, der SPD, gibt es Widerstand. Ein Überblick über die wichtigsten Fakten.
Warum will die Bundesregierung, dass US-Raketen in Deutschland stationiert werden?
Die USA und die Bundesregierung hatten die Stationierungspläne am Rande des Nato-Gipfels vor drei Wochen in Washington bekannt gegeben. Die USA sprachen von einem Beitrag zur europäischen Abschreckung und einem Bekenntnis zur Nato. Verteidigungsminister Pistorius sagte, man wolle mit der Stationierung der Raketen eine „Fähigkeitslücke“ schließen. Denn die Europäer verfügen über keine vergleichbaren Waffen.
Um welche Raketen geht es?
Es geht um drei Arten von Waffen. Die erste ist der Marschflugkörper „Tomahawk“. Diese Raketen fliegen rund 900 Kilometer pro Stunde schnell und tragen einen 450 Kilogramm schweren Gefechtskopf bis zu 2000 Kilometer weit. Damit könnte sie von deutschem Boden selbst Moskau erreichen.
Außerdem geht es um Raketen vom Typ SM-6. Sie können vielseitig eingesetzt werden, als Flugabwehrrakete gegen Flugzeuge und Marschflugkörper, aber auch gegen Schiffe. Zudem sollen Hyperschallwaffen, die sich noch in der Entwicklung befinden, in Deutschland stationiert werden. Diese Waffen zeichnen sich durch ihre hohe Fluggeschwindigkeit von mehr als 6000 Kilometern die Stunde aus. Die US-Raketen sollen so lange stationiert bleiben, bis ähnlich weitreichende europäische Raketen entwickelt sind. Bislang gibt es diese nämlich in den Arsenalen noch nicht.
Warum fällt die Entscheidung jetzt?
Befürworter der Entscheidung sagen, dass diese Waffen wichtig für die Abschreckung gegenüber Moskau sind. Sie sehen darin ein Gleichziehen mit Russland. Dessen Streitkräfte haben schon vor mindestens sechs Jahren Mittelstreckenraketen vom Typ Iskander-M in der Enklave Kaliningrad stationiert, die auch mit Atomsprengköpfen bestückt werden können. Die Entfernung von Kaliningrad nach Berlin beträgt nur rund 500 Kilometer. Nach Abschuss könnten diese Raketen in nur wenigen Minuten in der Hauptstadt einschlagen. Ein weiterer Grund dürfte sein, dass der scheidende Präsidenten Joe Biden ein Zeichen der Unterstützung an die europäischen Verbündeten senden will. Denn im Falle eines Wahlsiegs des Republikaners Donald Trump im November wird damit gerechnet, dass dieser weniger in den Schutz der Nato-Partner investieren wird. Allerdings ist die Stationierung der US-Raketen in Deutschland erst für 2026 geplant. Trump hätte also die Möglichkeit, die Entscheidung zu revidieren.
Wer kritisiert den Plan?
Pikanterweise immer mehr Genossen von Scholz und Pistorius. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte gesagt: „Die Gefahr einer unbeabsichtigten militärischen Eskalation ist beträchtlich.“ Unterstützung erhielt er vom früheren SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans. SPD-Abgeordnete wie Ralf Stegner fordern eine breitere Debatte im Bundestag. Pistorius betonte während seines Besuchs auf Hawaii, es spreche nichts dagegen, über dieses Thema im Bundestag zu diskutieren. Anders als beim Nato-Doppelbeschluss in den 1980er Jahren gehe es jedoch nicht um atomare Bewaffnung, sondern um konventionelle.
Auch eine Mehrheit der Deutschen lehnt die geplante Stationierung ab. Laut einer Forsa-Umfrage sprechen sich 49 Prozent der Befragten dagegen aus, 45 Prozent befürworten das Vorhaben. Darüber hinaus lehnen auch Linkspartei und das Bündnis Sahra Wagenknecht und die AfD das Vorhaben ab. Wenig verwunderlich kritisierte auch der russische Präsident Wladimir Putin die Ankündigung. Am Wochenende sagte er, Russland werde auf eine Stationierung der Raketen „spiegelgerecht“ reagieren.