Die Anreise mit der Deutschen Bahn zu seiner Fahrradtour wird für Richard Schuster zur Odyssee. (Symbolfoto) Foto: Schuster

Eigentlich sollte es ein erholsamer Urlaub mit Zug und Rad werden. Doch was Richard Schuster, freier Mitarbeiter unserer Redaktion, mit der Deutschen Bahn erlebte, gleicht einer abenteuerlichen Odyssee. Er schildert seine Erfahrungen.

St. Georgen - Urlaub im Sommer 2022. Im Hintergrund grüßen Klimawandel, Corona-Pandemie und die Auswirkungen des russischen Überfalls auf die Ukraine. Wer nicht gleich ganz zu Hause bleiben will, stellt sich die Frage: Soll man trotz allem ins Ausland reisen oder lieber in heimischen Gefilden Ferien machen? Ich entschied mich für Letztgenanntes.

Tour mit dem Mountainbike geplant

Eine knapp dreiwöchige Radtour sollte es sein. Es gibt so viele wunderschöne Ecken in Deutschland. Radeln macht ja auch sehr viel Spaß und senkt außerdem den individuellen Kohlenstoffdioxid-Fußabdruck. Geplant war zunächst eine Zugfahrt mit der Deutschen Bahn (DB) nach Dortmund. Ab dort wollte ich den Dortmund-Ems-Kanal bis nach Emden radeln, dann die gesamte Küste entlang bis nach Cuxhaven und weiter die Elbe hoch bis Magdeburg fahren – insgesamt rund 1250 Kilometer mit dem guten, alten Mountainbike.

Verheerende DB-Realität

Was ich dann aber auf der Anreise mit der DB erlebte, deckte meine Lust nach Abenteuern bereits nach dem ersten Tag der Tour vollumfänglich ab. Um dem zu erwartenden Chaos – unter anderem wegen des 9-Euro-Tickets – auszuweichen, beschloss ich, vorzubuchen, zu reservieren und lieber mit dem Intercity zu reisen. Den stolzen Preis von rund 90 Euro nehme ich bewusst in Kauf. Eigentlich ganz problemlos: Abfahrt ab St. Georgen um 6.44 Uhr nach Karlsruhe, weiter um 9.10 Uhr mit dem IC 2374, schließlich in Friedberg (Hessen) umsteigen in den IC 2320 um 11.51 Uhr. Ankunft in Dortmund wäre laut Fahrplan um 14.58 Uhr. Ab dort noch die 40 Kilometer bis nach Olfen, wo ich ein Zimmer gebucht hatte, weiterradeln. So weit die Theorie. Was folgte, war allerdings eine verheerende DB-Realität in diesem 9-Euro-Sommer.

Stress vermeiden

Bereits Tage vor meinem Start beschäftige ich mich mit der Anreise frühmorgens nach Karlsruhe. Angesichts der damals noch bestehenden und hinlänglich bekannten Probleme auf der Schwarzwaldbahn mit kurzfristigen Zugausfällen, Fahrplan-Änderungen, Schienenersatzverkehr und so weiter empfahl meine Frau, ich möge doch dem zu erwartenden Stress aus dem Wege gehen und bereits am Vortag nach Karlsruhe fahren.

Gesagt, getan. Ich radle, gewissermaßen als "Aufgalopp", locker zunächst die rund 50 Kilometer nach Freudenstadt und fahre dann mit der Murgtalbahn nach Karlsruhe, um dort im Hotel zu übernachten. Am nächsten Morgen sitze ich um 9.10 Uhr gut gelaunt im gebuchten und ordentlich besetzten IC und warte auf die Abfahrt. Als der Zug nach zehn Minuten immer noch steht, beschleichen mich erste Zweifel, die durch die Durchsage der Bahn gnadenlos bestätigt werden – unser IC ist wegen eines Betriebsschadens nicht fahrbereit – Totalausfall. "Reisende werden gebeten, sich an der Information über ihre weiteren Reisemöglichkeiten zu erkundigen."

Hetze mit dem Fahrrad

Ich hetze mit meinem Fahrrad unter der Unterführung durch zum Infoschalter, vor dem bereits geschätzt 40 gestrandete Bahnkunden stehen und Hilfe erwarten. Das geht ja gut los, denke ich, und ziehe, wie beim Finanzamt, eine Nummer aus dem Automaten. Drei Schalter sind besetzt, und ich bedauere die Mitarbeiter jetzt schon.

"Mein" Beamter wirkt relativ stressfrei, kann mir aber keinerlei Verbindungsalternative für diesen Reisetag anbieten. "Versuchen Sie es doch mit dem 9-Euro-Ticket", empfiehlt er und druckt mir gleich noch eine Verbindung mit dem Nahverkehr nach Dortmund aus. "Viel Glück, ich hoffe, Sie schaffen es", meint er – und schon wird die nächste Nummer angezeigt.

Kinder schreien, Mütter verzweifelt

Die vorgeschlagene Alternative: Mit Regionalexpress um 10.18 Uhr nach Mainz, von dort um 12.03 Uhr mit der Regionalbahn nach Köln und schließlich um 15.49 Uhr mit dem Regionalexpress nach Dortmund. Ankunft am Ziel wäre laut Fahrplan um 17.15 Uhr.

Natürlich klappt das nicht – wie auch. Der Zug nach Mainz ist total überfüllt und kann daher erst mal nicht losfahren. Sicherheitspersonal und Bahnpolizei räumen die Zugänge frei. Mir tun die Bahnbediensteten leid, denn die werden richtiggehend verheizt. Kinder schreien, müssen zur Toilette, die entweder geschlossen oder total verdreckt ist. Gestresste Mütter kämpfen mit Tränen der Verzweiflung.

Reisende fühlen sich provoziert

Der Mitarbeiter, der die Durchsage im Zug macht, hält sich offensichtlich für besonders witzig – er spricht uns Reisende mit "sehr geehrtes Publikum" an. Sieht sich die Bahn jetzt bei all diesem Chaos in der Rolle des "Entertainers"? Die Kommentare in meiner Nachbarschaft sind eindeutig: Man fühlt sich provoziert und für dumm verkauft. Durch die satte Verspätung verpasse ich in Mainz meinen Anschlusszug nach Köln. Reisende hetzen hin und her. Ein Mitarbeiter der Information, der am Bahnsteig auf und ab patrouilliert, erkennt wohl aufgrund des suchenden Blickes meine Notlage. Er macht mich allerdings dann mit der Bemerkung, "nun sehen Sie mal, wie es ist, unbedingt mit Fahrrad und 9-Euro-Ticket verreisen zu wollen", blöde an.

Probleme mit der Klimaanlage

Da hole ich erst mal richtig Luft, verbitte mir eine derartige Ansprache und zeige ihm mein gebuchtes Ticket. Die Situation ist dem Mann nun sichtlich unangenehm, und er bemüht sich jetzt aufrichtig, mir zu helfen. Es gelingt ihm, in einem laut Fahrplan um 13.20 Uhr fahrenden IC noch einen allerletzten freien Stellplatz für mein Fahrrad zu organisieren. Ich könne, schlägt er vor, auf jeden Fall bis Essen mitfahren. Peinlich nur, dass auch dieser Zug mehr als 30 Minuten Verspätung hat. Er instruiert das Zugpersonal, ich kriege meinen Platz und versuche, jetzt etwas zu entspannen. Doch, oh weh! Kurz vor Koblenz stoppt der IC, und der vertraute Singsang der Durchsage im Zug verkündet Probleme mit der Klimaanlage. Wir warten und warten, nichts geht. Zwischendurch rufe ich im Hotel an und informiere die Rezeption über mein verspätetes Eintreffen.

Anschlusszug längst weg

Irgendwann kommen wir doch noch in Essen an, allerdings ist der Anschluss-Zug längst weg, und der nächste hat, man ahnt es bereits, rund 25 Minuten Verspätung und ist natürlich wieder total überfüllt. Ich sehe die unfreundlichen Blicke der Mitreisenden in meine Richtung, vermutlich wegen meines Rads.

Um kurz vor 18 Uhr lande ich dann endlich in Dortmund. Ich beschließe, meine ursprüngliche Absicht, gleich am Hauptbahnhof loszuradeln, wegen der fortgeschrittenen Uhrzeit aufzugeben. Stattdessen fahre ich mit dem nächsten Bummelzug der Westmünsterlandbahn nach Selm weiter. Die letzten acht Kilometer bis zum Ziel in Olfen, von wo aus ich am darauffolgenden Tag meine Radtour starte, radle ich.

Und wie war’s? Also, die 17-tägige Fahrrad-Tour war superklasse – aber lange nicht so aufregend und abenteuerlich wie "travelling with Deutsche Bahn".