Foto: Eich Foto: Schwarzwälder Bote

Wieder keine Ostern im Süden: Von Lust und Frust

Nerven uns wieder Schneeschauer oder bleibt es mild? Kann uns egal sein, wir fahren ja wie jedes Jahr über Ostern nach Südfrankreich. Eigentlich.

Villingen-Schwenningen. Doch nicht nur 2020 platzte der jährliche Frühlingstraum wegen Corona. 2021 hoffen VS’ler erneut auf sonnenbeschienene Brigach oder Neckar, statt sich auf das azurblaue Wasser von Côte d’ Azur oder den Gardasee zu freuen. Kommt trotz Krise Feriengefühl auf?

Das gleiche Prozedere wie im Vorjahr. Die Familie hatte den Platz auf einem stark begehrten südfranzösischen Campingplatz in weiser Voraussicht im Herbst bereits reserviert. Nach dem ersten Lockdown und den Reisebeschränkungen wurde der zehntägige Urlaub auf das kommende Jahr verschoben. Doch auch dieses Jahr wird’s nix mit Wandern bei angenehmen 20 Grad im mediterranen Hinterland. Stattdessen heißt es noch einmal Ferien zuhause.

Vor der eigenen Türe das Ferienglück suchen? Das ist so recht auch sein Ding, vor allem im Frühling, "wenn die Natur bei uns erwacht". Roland Brauner freut sich auf seinen Osterurlaub zuhause und darauf, "wieder mehr Zeit mit der Familie zu verbringen". An den freien Tagen wird er genau dort zu treffen sein, wo er sich auch gerne aus Berufsgründen aufhält: im städtischen Wald.

Wandern und radeln in VS, das schätzt der stellvertretende Forstamtsleiter der Stadt. "Wir haben hier so viele schöne Plätze, das Schwenninger Moos, den Warenberg", kommt Brauner im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten so richtig ins Schwärmen. Zuletzt rückt der Forstwirt dann aber doch mit der Sprache raus, dass auch er Fernweh hat.

Wenn die Reisebeschränkungen wieder fallen, möchte auch er die weite Welt entdecken, vorzugsweise Australien und Neuseeland, "aber sicher nicht im Frühling oder über einen verlängerten Osterurlaub", bleibt er konsequent.

Ostern ist auch für Rainer Müldner, Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft (WBG) in Schwenningen, noch nie eine Reisezeit gewesen. "Wir sind da sehr traditionell." Auch Familie Müldner schätzt die wunderschöne VS-Umgebung, Salvest und Breitbrunnen sind begehrte Ziele, die mit dem Fahrrad angesteuert werden. Zwischen den Radausfahrten werden dann noch die Ärmel hochgekrempelt, da auch Möbelaufbauarbeiten auf dem österlichen Freizeitplan im Hause Müldner stehen. Etwas Fernweh blitzt dann aber auch in diesem Gespräch durch. "Wir hoffen jetzt mal auf Pfingsten oder den Sommer", sagt Müldner.

Sind viele Doppelstädter wie die Brauners oder die Müldners und bleiben ohne jeglichen Frust zuhause oder ziehen einige doch ihr Osterprogramm durch, trotz Tests und möglicher Quarantäne? Ein Anruf bei einem Reiseunternehmen in VS – und schon beim ersten Satz von Mitarbeiterin Sandra Pietraszek wird klar: "Nach Malle zieht es an Ostern zumindest aus der Doppelstadt niemand. Die meisten bleiben wirklich zuhause." Für Mallorca hat das Reisebüro Sonnenklar TV keine Anfragen, und auch sonst sei die Nachfrage nach Reisen sehr verhalten.

Gibt es viele Buchungen?

Eine Zäsur, denn in all den Jahren vor Corona waren die Osterferien eine richtige Boom-Zeit mit Buchungen für Reisen in die Türkei, nach Ägypten oder auf die Kanaren, "eben dorthin, wo es schon im Frühling richtig warm ist". Auch Fernreisen seien ansonsten sehr gefragt gewesen. Vereinzelt gebe es Buchungen, in die Türkei und auch auf die Malediven, doch diese seien für Ostern zumindest mehr als spärlich. Auch die Reisebüro-Mitarbeiterin pfeift auf einen Urlaub in den Dolomiten, bleibt mit ihrer Familie zuhause und hofft auf wie andere Doppelstädter, die sich bereits auf eine Reise festgelegt haben, den Sommer.

Und bei Busunternehmen?

Im Büro vom Busunternehmen Petrolli ist das Thema gleich erledigt. Derzeit, so die Mitarbeiterin, dürften nur Linienbusse fahren oder Busse, die Profisportler, etwa von den "Wild Wings", zum nächsten Spiel bringen. "Anfragen für Fahrten haben wir schon, aber es geht ja nicht", so die Beschäftigte des Unternehmens aus Niedereschach. Eine verordnete Ebbe, denn auch hier war vor Corona die Hölle los: "Meistens wollten die Leute ins Mediterrane."

Adios Spanien, adieu Frankreich: Wie im Vorjahr wird es wieder nix mit der so sehr herbeigesehnten Auszeit im Süden. Wenigstens müssen sich Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht, und seine Lebensgefährtin nicht erneut die schwierige Frage stellen, ob es nach Frankreich oder nach Spanien geht. Locken statt Costa Blanca oder Côte d’Azur jetzt die Naturerlebnisse in Schwarzwald oder Baar? Nein. Ruby ist "ein bisschen gefrustet" und hat sich für die harte Tour entschieden: Leicht schmollend möchte er sich in sein Kanzlei-Büro zurückziehen und "durchschaffe", in der Hoffnung, dass "es dann wenigstens über Pfingsten klappt". Wenn ihn die Sehnsucht packt, kann er sich ja die Fotos von einsamen südspanischen Stränden anschauen, die ihm Bekannte zugeschickt haben. In einem anderen Villinger Büro, nicht allzu weit von Rubys Kanzlei entfernt, sieht man die erneut "geplatzten Osterpläne" anders.

Anita Neidhardt war "schon immer ein Oster-Daheimbleiber", wie sie anmerkt. Und mittlerweile nicht nur über Ostern, ergänzt die Leiterin des Diakonischen Werks im Schwarzwald-Baar-Kreis. Früher gerne auf Reisen, "bin ich mittlerweile etwas reisemüde geworden und nicht mehr so viel in der Welt unterwegs". Ihre große Leidenschaft gilt seit Jahren dem Tanzen, derzeit jedoch nur digital. Statt in den Flieger zu steigen, tanzt sie lieber durch ihr Wohnzimmer. Wenn es nach draußen gehen soll, dann zieht sie gerne einen ihrer Lieblingswegweiser zu Rate, "die Paradiestouren" vom und im Schwarzwald-Baar-Kreis.

Und natürlich locken Neidhardt auch der Magdalenenberg oder der Germanswald – alles Ziele direkt vor der Haustüre. Könnte gut sein, dass sie Roland Brauner oder Rainer Müldner über den Weg läuft.