Wein aus London? Gibt’s wirklich. Zwar wachsen auf dem Stadtgebiet keine Reben, aber eine Handvoll Kellereien produzieren vor Ort mit Trauben aus dem Umland. Ein Ortstermin in Battersea.
Alle paar Minuten wird es laut. Dann rauscht der Zug über den Weinkeller, der sich in den Bögen eines viktorianischen Viadukts befindet. Die dicken Mauern sorgen für ein gleichmäßiges Klima, nicht zu warm, nicht zu kalt. Hier im Stadtteil Battersea südlich der Themse keltert Sergio Verrillo Trauben und schenkt in der angeschlossenen Weinbar seine Produkte aus. Die Urban Winery namens Blackbook ist eines von vier Weingütern in London.
Sergio Verrillo beschreibt seine Familie als eine Art Cuveé: „Mein Vater kommt aus Italien und meine Mutter aus Ungarn.“ Er wurde vor 43 Jahren im US-Bundesstaat Connecticut geboren und spricht für einen Ostküstenamerikaner sehr breites Englisch. Nach der Highschool arbeitete er im Musikbusiness und verdiente sich als Kellner in New York etwas dazu. Dort lernte er seine schottische Frau Lynsey kennen und zog mit ihr 2008 nach London.
Wein produzieren, wo schon immer gerne Wein getrunken wurde
In der britischen Hauptstadt arbeitete Verrillo erst mal im Maze, einem Restaurant, das zum Gastro-Imperium des bekannten Kochs Gordon Ramsey gehört. Die Weine dort waren „ein Erweckungserlebnis“: „Ich habe gemerkt, dass das die richtige Branche für mich ist. Aber ich interessierte mich eher für die Produktion als für den Vertrieb“, sagt Sergio Verrillo.
Also schrieb er sich am Plumpton College in East Sussex ein, 2014 hatte er den Abschluss in Weinbau und Önologie in der Tasche. Die nächsten Jahre verbrachte er auf der Walz. Als reisender Winzer bildete sich der Amerikaner in Burgund, Neuseeland, Südafrika und Kalifornien weiter. Doch er wollte immer zurück an die Themse. „Hier“, sagt er, „wurde schon immer gerne Wein getrunken.“ Für ihn ist es daher logisch, auch vor Ort zu produzieren. „Wir versuchen, die Lebendigkeit, die Farbe, Kultur und Energie Londons in unseren Weinen einzufangen.“ Zum kleinen Blackbook-Team gehört auch Gattin Lynsey, die sich um Marketing, Planung und Finanzen kümmert. Sie arbeitet aber hauptberuflich für ein Kreditkartenunternehmen in der Londoner City. Außerdem hat das Paar zwei Kinder.
Verrillo besitzt keine eigenen Weinberge. Die Trauben, die er verarbeitet, stammen von ausgesuchten Winzern im Umland. Sie werden aus Surrey, Essex, Kent oder Oxford angeliefert. Zwei Stunden Fahrzeit maximal. Weinbau in England entwickelt sich im Moment ganz erstaunlich. Das Klima auf der Insel wird immer milder, dank günstiger Bodenverhältnisse wachsen Reben wie Pinot noir oder Chardonnay, die durchaus respektable Ergebnisse erzielen. Deshalb ist Sergio seinem Ziel schon sehr nah: „Wir möchten einfach einen verdammt guten Wein machen.“
Info
Anreise
Eurowings, www.eurowings.com, oder British Airways, www.britishairways.com, fliegen ab Stuttgart nach London-Heathrow. Reisepass nicht vergessen! Ab dem 2. April 2025 benötigen Besucher aus europäischen Ländern außerdem eine elektronische Reisegenehmigung (ETA). Sie kostet 10 Pfund und ist zwei Jahre gültig. Anträge können ab dem 5. März 2025 gestellt werden. www.gov.uk
Wein in London
Die Pioniere von London Cru keltern seit 2013 im südwestlichen Stadtteil Fulham, https://londoncru.co.uk/. Renegade produziert in Walthamstow im Norden, die dazugehörige Weinbar befindet sich im trendigen Viertel Bethnal Green, www.renegadelondonwine.com. Vagabond Wines, www.vagabondwines.co.uk, und Blackbook befinden sich südlich der Themse in Battersea, www.blackbookwinery.com.Weitere Infos über britische Weingüter gibt es bei der Branchenvereinigung WineGB, www.winegb.co.uk, oder bei www.winegbsoutheast.com.Eine erfreulich große Auswahl an Weinen aus England und Wales bietet der Pub The George in der Great Portland Street, https://thegeorge.london.
Allgemeine Informationen
Britisches Fremdenverkehrsamt, www.visitbritain.com