Die extremen Unwetter in Deutschland haben Schienennetze teils komplett zerstört. Mancherorts wird der Wiederaufbau Jahre dauern. Was plant die Bahn?
Frankfurt - Schwerste Verwüstungen, historische Katastrophe – Volker Hentschel wählt drastische Worte bei seiner ersten Zwischenbilanz zu den Hochwasserschäden in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Der Vorstand der bundeseigenen DB Netz AG schätzt, dass die Fluten Schäden von mindestens 1,3 Milliarden Euro an Gleisen, Bahnhöfen und Technik verursacht haben. „In dieser Dimension wurde unsere Infrastruktur noch nie auf einen Schlag zerstört“, sagt Hentschel. Man stehe „vor einem gewaltigen Kraftakt“.
Die Aufräumarbeiten laufen auf Hochtouren. 2000 Mitarbeiter seien damit fast rund um die Uhr beschäftigt und das Thema „absolute Chefsache“, berichtet der Manager des Staatskonzerns. Noch seien nicht alle Schäden erfasst – in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen sogar noch weitere unwetterbedingte Sanierungen hinzugekommen. Klar ist schon: Nur ein geringer Teil der Schäden ist versichert, die meisten Kosten an der Infrastruktur werden der Staat als Eigentümer und damit die Steuerzahler zu tragen haben.
Das Ausmaß der Zerstörung
Die Fluten haben nach Angaben der Deutschen Bahn rund 50 Brücken, 40 Stellwerke, 180 Bahnübergänge sowie mehr als 1000 Oberleitungs- und Signalmaste beschädigt. Neben 600 km Strecken sind Dutzende Haltepunkte betroffen, der Bahnhof Hagen stand teils unter Wasser. Gleise und Bahndämme wurden unterspült, vor allem im Ahrtal komplette Anlagen von den Wassermassen weggerissen.
Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Katastrophenschutz – Wurde zu spät vor der Flut gewarnt?
Mindestens sieben regionale Strecken sind nach DB-Angaben so zerstört, dass sie neu gebaut werden müssen. Bernd Köppel, der bei der DB Netz die Infrastrukturprojekte in der Region West steuert, sieht „mindestens zwei Drittel von NRW durch viele punktuelle Schäden betroffen“.
Der Dreistufenplan
Das Krisenmanagement der DB setzt auf einen Dreistufenplan. Wenige betroffene Strecken wurden bereits freigeräumt und repariert, damit Personen- und Güterzüge wieder rollen können. Im zweiten Schritt sollen bis Jahresende stärker betroffene Anlagen repariert werden, zum Beispiel an der S-Bahn-Linie 9 zwischen Essen und Wuppertal und am Bahnhof Hagen.
Stufe 3 sieht den Wiederaufbau an der Ahr und in der Eifel vor, der wegen der massiven Zerstörungen Jahre dauern werde. Beim Wiederaufbau soll der Schutz vor Hochwasser und Extremwetter besonders beachtet werden. Als Beispiele nennt Hentschel die bessere Absicherung oder Verlegung von Trassen, die bisher direkt an Flüssen verlaufen, höhere Dämme sowie den Neubau von Brücken mit größeren Stützweiten, so dass Pfeiler besser vor Fluten geschützt sind.
Lesen Sie aus unserem Angebot: Naturphänomen bei Unwetter – So entstehen Muren
Die Infrastruktur müsse widerstandsfähiger gegen Wetterextreme und Folgen des Klimawandels werden, sagt Hentschel. Der Konzern stimmt sich deshalb mit Bund, Ländern, Kommunen und Behörden zu Reparaturen, Wiederaufbau und neuen Verkehrskonzepten ab. Instandsetzungen, Neu- und Ausbau bezahlt generell der Bund als Eigentümer der Infrastruktur. Wenn Strecken und Bahnhöfe vom Fluss weg verlegt werden sollen, sind zuvor lange Plan- und Genehmigungsprozesse vorgeschrieben und Einigungen mit anderen Grundstückseigentümern nötig. Unter anderem das erschwert schnelles Handeln.