Das Konzept von Unverpackt-Läden: Die Waren aus großen Behältern in mitgebrachte, wiederverwendbare Behältnisse abfüllen und abwiegen. Foto: Müller

Im Juli vergangenen Jahres hat sich Anna Pröbstle einen Traum wahr gemacht und in der Ebinger Innenstadt ihr "Unverpackt-Lädle" eröffnet. Ernüchternde Bilanz nach knapp einem Jahr: Gut läuft der Laden nicht. Warum?

Albstadt-Ebingen - Sogenannte Unverpacktläden, in denen die Kunden Waren in mitgebrachte Behältnisse abfüllen, um Verpackungsmüll zu sparen, sind vor allem in Großstädten der Trend. In Albstadt offenbar nicht: Trotz großen Zuspruchs steht Anna Pröbstle meistens alleine in ihrem Laden in der Marktstraße. "Nach der Eröffnung kamen viele Leute und lobten das Konzept", erinnert sie sich. Doch misslicherweise ließen sich etliche davon kein zweites Mal blicken. "Ich habe glücklicherweise eine tolle Stammkundschaft", sagt Pröbstle. "Aber das reicht leider nicht."

Weiterhin ein Verlustgeschäft

Viel verlangt sie nicht – eine schwarze Null würde ihr schon genügen. Ob sie schon ans Aufgeben gedacht hat? Mehr als einmal. Doch es laufen Verträge, die man nicht so einfach aufkündigen kann – und zudem ist das Unverpacktlädle ein Herzensprojekt; von so etwas trennt man sich nicht so leicht. Also macht Pröbstle weiter, mit höchstem Einsatz. Ihre Co-Geschäftsführerin, die mit ihr das Lädle vor knapp einem Jahr eröffnet hatte, war schon nach wenigen Wochen ausgestiegen; das Personal hat sie Anfang des Jahres aus Kostengründen entlassen – nun steht sie allein hinter der Ladentheke. Unterstützung erhält sie von ihrem Mann und den ältesten Kindern. Sohn Freddy ist noch etwas zu klein dafür mit seinen sechs Monaten – aber doch immer mit dabei. Noch am Tag der Geburt stand Anna Pröbstle im Laden – und anderntags, erzählt sie, habe sie schon wieder frisches Gemüse abgeholt.

Hilferuf auf Instagram

Vor einigen Wochen setzte Pröbstle auf ihrem Instagram-Kanal einen Hilferuf ab und bat um Tipps, wie sich der Laden wieder in Schwung bringen ließe. "Wieder viel Zuspruch", berichtet sie, unter anderem habe sich der SPD-Bundestagsabgeordnet Robin Mesarosch gemeldet. Zum Einkaufen sei allerdings kaum einer der Tippgeber gekommen. Sie ist nach wie vor dankbar für Anregungen; allerdings haben die bisherigen Tipps sie nicht so richtig weitergebracht. "Nach dem Besuch eines Fernsehteams war kurz einmal die Hölle los" – doch auch dieser Zulauf sei schnell wieder verebbt.

Liegt es an ihr, liegt’s am Prinzip? Pröbstle ist gut in der Unverpackt-Szene vernetzt und steht im Austausch mit den Betreibern anderer Läden in der weiteren Region – das Echo ist gemischt. Die einen Läden laufen, die anderen nicht. Weshalb? Hat das Öko-Image, das so einem "grünen" Geschäft anhaftet, Staub angesetzt? Vielleicht – allerdings bietet Pröbstles Laden bietet nicht nur Leuten etwas, die Verpackungsmüll reduzieren möchten. Die Albstädterin setzt vor allem auf Regionalität; nahezu alle ihrer Lieferanten stammen aus der Region: Eine Geislinger Bäckerei liefert frisches Gemüse, freitags und samstags kommt frisches Demeter-Brot aus Burladingen. Soßen in Gläsern, Brettle aus Holz von der Alb, Kleidung und Seife made in Balingen und Geschenkartikel aus dem Ländle ergänzen das Sortiment. Das Unverpacktlädle vereint viele kleine regionale Marken unter einem Dach. "Alle sagen, regional fänden sie gut, bio auch – aber sie kaufen nicht."

Nicht nur etwas für "Ökos"

Aus Bequemlichkeit? Oder weil das Unverpackt-Konzept nichts für Laufkundschaft ist? Keineswegs, versichert Anna Pröbstle, Spontaneität sei kein Problem; sie halte desinfizierte Glasbehälter zum Mitnehmen und Wiederbringen vor. Oder sind es die Preise? Klar, zum Nulltarif sind Regionalität und Bio nicht zu haben – mit Discountern kann das Unverpackt-Lädle schlecht mithalten. Doch beim genauen Preisvergleich wird klar, dass viele Produkte des alltäglichen Bedarfs nicht unbedingt teurer sind als anderswo.

"Hier fühlt man sich immer willkommen"

Was Pröbstles Tagesgeschäft immer wieder rettet ist der Mittagstisch – es gibt vegane Bowls, die sie selbst zusammenstellt. Gerne kommen Kunden auch zu Kaffee und Kuchen vorbei. "Hier fühlt man sich immer willkommen", sagt ein Stammkunde. Nähe, Persönlichkeit – das schätze er an dem kunterbunten Laden. Das Café möchte Pröbstle im Sommer ausbauen und vor der Ladentüre bestuhlen – natürlich im unverkennbaren DIY-Style, denn schließlich verbietet das Nachhaltigkeitskonzept, das etwas weggeworfen wird. Die Stühle werden also gebraucht sein.

Es mag noch eine Erklärung dafür geben, dass das Geschäft nicht recht läuft: ganz einfach, weil der Einzelhandel sich generell schwer tut in der Ebinger Innenstadt. Nicht von ungefähr hat die Stadt eine große Kampagne gegen das "Down-Trading" gestartet.