„Vieles, was bisher selbstverständlich war, können die Kommunen nicht mehr leisten.“ Mit dieser Hiobsbotschaft wenden sich Annick Grassi, Michael Ruf und Bernhard Haas nun an Bundes- und Landtagsabgeordnete des Wahlkreises Freudenstadt. Sie fordern: „Es muss etwas geschehen!“
Die Bürger des Landkreises Freudenstadt werden in den kommenden Jahren viele Einschränkungen hinnehmen müssen. Das teilen Annick Grassi, Kreisverbandsvorsitzende des Gemeindetags im Landkreis Freudenstadt, und ihre Stellvertreter Michael Ruf und Bernhard Haas nun in einem alarmierenden Schreiben den Bundes- und Landtagsabgeordneten des Wahlkreises Freudenstadt mit. Auch an Landrat Michael Rückert sei der Brief geschickt geworden.
Weiter heißt es darin: „Es wird zu Kürzungen bei den Öffnungszeiten von Kitas kommen, der Anspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen ist in den meisten Fällen nicht umsetzbar. Spielplätze können nicht saniert werden und müssen geschlossen werden, Straßen und Wege können nicht instandgehalten werden, und Gebäude werden weder energetisch noch anderweitig saniert. Der Sanierungsstau wird wieder zunehmen und künftige Generationen belasten.“
Ohne Umschweife kommen Grassi und ihre Stellvertreter zum Punkt: „Die Kommunen im Landkreis Freudenstadt stehen mit dem Rücken zur Wand.“ Haushaltssperren, Einstellungsstopps und unausgeglichene Ergebnishaushalte gehören inzwischen bei fast allen Kommunen zum Alltag, heißt es im Schreiben. In einigen Fällen gehe es sogar um fehlende Liquidität, es fehle also das Geld, um Löhne und ähnliche Ausgaben zu decken.
Erhöhung der Kreisumlage
Im September beginnen normalerweise die Haushaltsberatungen für die kommenden Jahre. Das Problem: „In diesem Jahr fehlen die Orientierungsdaten des Landes, die eine verlässliche Planung der Zuweisungen ermöglichen würden. Ebenso fehlen die Zusagen von Bund und Land, wie die uns von ihnen auferlegten Aufgaben finanziert werden sollen“, kritisieren Grassi und ihre Stellvertreter.
Ein wesentlicher Teil der kommunalen Ausgaben besteht in der Kreisumlage – also den Mitteln, die der Landkreis von seinen Kommunen zur Erfüllung der kommunalen Aufgaben einfordert. Bereits im Juni 2024 verabschiedete der Kreistag einen Nachtragshaushalt, der eine Erhöhung der Kreisumlage um zwei Prozentpunkte zur Folge hatte, was die Städte und Gemeinden laut des Schreibens massiv belastet habe.
Defizit des Kreiskrankenhauses
Mit den kommunalen Geldern würden längst nicht mehr nur kommunale Aufgaben finanziert. Insbesondere defizitäre Bereiche der Sozialleistungen, allen voran das Defizit des Kreiskrankenhauses der Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt (KLF) sowie die Leistungen der Sozial- und Jugendhilfe, belasten die kommunalen Finanzen. „Diese Aufgaben obliegen eigentlich dem Bund“, ergänzt Grassi, „der sie gemäß dem Konnexitätsprinzip finanzieren müsste.“ Doch nun müssten die Städte und Gemeinden die Last tragen und sparen, wo es nur geht.
Freiwillige Aufgaben würden zurückgefahren oder gestrichen, was das soziale Miteinander in den Kommunen erheblich beeinträchtige. Betroffen seien etwa Schwimmbäder, Sporteinrichtungen, Kunst-, Musik- und Kultureinrichtungen. Doch selbst das reiche nicht aus.
Der September neigt sich dem Ende zu, und die Städte und Gemeinden fragen sich, wie sie überhaupt einen Haushalt für 2025 aufstellen sollen. Das Defizit des Krankenhauses steige weiter, und der Kreis benötige für einen genehmigungsfähigen Haushalt 2025 eine weitere Erhöhung der Kreisumlage um sieben bis zehn Prozentpunkte auf dann 42,7 Prozent – „ein Desaster für die Kommunen!“ Da der Landkreis kaum andere Einnahmequellen habe, sei dies seine einzige Option.
Steuererhöhungen stehen im Raum
Die Städte und Gemeinden überlegen ihrerseits, wie sie ihre Einnahmesituation verbessern können. Auch Steuererhöhungen stünden im Raum, heißt es. In der aktuellen wirtschaftlichen Lage mache es zwar wenig Sinn, die ohnehin gebeutelte Wirtschaft zusätzlich zu belasten, aber es werde keine andere Wahl geben. Trotz dieser Maßnahme werde es den meisten Kommunen nicht gelingen, einen ausgeglichenen, genehmigungsfähigen Haushalt aufstellen zu können.
Was die zukünftigen Grundsteuerhebesätze betrifft, so seien diese gegen den Willen der Kommunen entgegen jeglicher Zuständigkeit im Rahmen eines Transparenzregisters vom Land vorgegeben worden. Dass die bisherige Regelung für verfassungswidrig erklärt wurde und die Grundsteuer ab dem 1. Januar 2025 in veränderter Form erhoben wird, können die Kommunen laut des Schreibens nicht beeinflussen. Lediglich die Festlegung des Hebesatzes obliege den Kommunen. Sind sie doch auf diese Einnahmequelle entscheidend angewiesen.
Genauso viel Grundsteuer wie vorher
Das Land fordert jedoch eine aufkommensneutrale Festlegung des Hebesatzes, was bedeute, dass die Gemeinden nach der Umstellung insgesamt genauso viel Grundsteuer einnehmen sollen wie vorher. Dabei werde nicht berücksichtigt, dass sich die Belastung der Steuerpflichtigen untereinander sowieso verschiebt: Einige Eigentümer werden mehr zahlen, andere weniger.
In der aktuellen finanziellen Situation der Gemeinden stellt sich für die Verfasser des Schreibens die Frage: „Warum soll die Grundsteuer aufkommensneutral geändert werden? Die Städte und Gemeinden im Landkreis Freudenstadt werden dies nicht umsetzen können – nicht, weil sie nicht wollen, sondern weil es schlichtweg unmöglich ist.“