Autorin Daniela Trauthwein suchte auf ihren Wanderungen durch Nationalparks in Deutschland der Perspektivlosigkeit zu entfliehen. Ihr Buch „Mit allen Sinnen“ legt Zeugnis davon ab, wie sie sich auf dreimonatiger Tour gewandelt hat. Unterwegs war sie dabei auch in der Region.
Am Anfang stand die schiere Verzweiflung über die Antriebslosigkeit, der sich Daniela Trauthwein ausgesetzt sah. Die Tretmühle der beruflichen Pflichten im Büro ohne „Vorwärtskommen und zu wenig Bewegung“, ohne Aussicht auf Veränderungen. Dafür belohnte sie ihr Körper mit Bluthochdruck. Die Pandemie tut ihr Übriges dazu, indem sie den Stillstand befördert.
Isolation, berufliches Auf-der-Stelle-Treten und mentale Erschöpfung aus der monatelangen Betreuung ihres Vaters lassen in ihr den Entschluss reifen, ihr Leben verändern zu wollen. Zurück ins Glück ihrer Kindheit, in der sie im Einklang mit der Natur und ihren Geschöpfen stand.
Ein Perspektivenwechsel
So schmiedete die junge Frau schließlich Pläne, die Nationalparks Deutschlands, diese „einzigartigen Naturräume“ zu erforschen, und zwar zu Fuß. Auf diese Weise entstand ihr Rechenschaftsbericht „Mit allen Sinnen“. Ihre Tour durch 14 der 16 Nationalparks (die drei Wattenmeer-Nationalparks fasste sie unter „Wattenmeer“ zusammen) zeigt in gesonderten Kapiteln, wie sehr Daniela Trauthwein psychisch und kognitiv von ihrem Perspektivenwechsel profitiert hat. Mit „Dunkle Augen“ ist der Abschnitt über die Wildnis des Bannwalds im Nationalpark Schwarzwald überschrieben. Nicht weit von ihrer Heimat entfernt, war ihr schon zuvor in Form von Wanderungen der Schwarzwald ein Begriff, aber der Nationalpark war noch kein besonderes Thema.
Das Besucherzentrum am Ruhestein war ihre erste Anlaufstelle, und die „begeisternde Ausstellung“ weckte die Vorfreude darauf, was sie in der Natur draußen erwartete. In den mit Informationen gespickten Text packt die Autorin ihren Erfahrungsschatz hinein. Zu den Begleitern, die ihr dazu verhalfen, „Naturräume in ihrer Komplexität verstehen zu können“, zählten der Mykologe und Nationalparkführer Flavius Popa und der Ranger Urs Reif. Mit einem Exkurs in die Geschichte des Waldbildes im Schwarzwald zeigt Trauthwein auf, welche Folgen die hemmungslose Ausbeutung der Waldbestände zeitigte. Nachhaltige Forstwirtschaft wurde daraufhin zum Prinzip erklärt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Gebiet um den Wilden See zum Bannwald erklärt.
In die Welt der Pilze
„Die Natur bekam wieder eine Chance zur Entfaltung“, erklärt die Autorin. Die Karseen im Schwarzwald würden deshalb „Dunkle Augen“ genannt, weil sie im Wandel der Lichtverhältnisse tief und schwarz erschienen. Dem Zauber der Region um die Allerheiligen-Wasserfälle konnte sich Trauthwein nicht entziehen. Popa entführte sie auf einer Exkursion in die geheimnisvolle Welt der „Pilze, ohne die nichts laufen“ würde. Seine Begeisterung und Fachkenntnis nötigen ihr höchsten Respekt ab. In der Nähe von Baiersbronn trifft sie sich mit Ranger Urs Reif zu einer Führung in die Kernzone des südlichen Nationalparkteils.
Philosophische Komponenten
Gespräch und Information bilden zeitweise philosophische Komponenten heraus, dann nämlich, wenn es um die Frage geht, ob Wald und Natur Individualbedürfnisse befriedigen sollen oder ob das Gesamtsystem der freien Entwicklung der Natur zu dienen hat. Das Problem des Borkenkäfers konnte in diesem Zusammenhang nicht ausgespart bleiben. So zieht Trauthwein am Ende ihrer Auszeit Bilanz: „Überall habe ich eine Art Ur-Energie wahrgenommen.“ Farbaufnahmen aus den Nationalparks runden den Textteil ab.
Das Buch: „Mit allen Sinnen – Unterwegs in unseren Nationalparks“, Ullstein Buchverlag Berlin, 288 Seiten kartoniert, 12,99 Euro.