Der Teller macht die Breze um 12 Prozent teuerer. Foto: StN

„Zum Mitnehmen oder hier Essen?“ Die einfache Frage an der Kasse hat einen komplizierten steuerrechtlichen Hintergrund: Mal sind sieben, Mal 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Die Differenz übernimmt meist der Händler. Aber er kann sie auch, wie ein hiesiger Bäcker, an den Kunden weitergeben.

Stuttgart - Die Bäckerei Treiber hat in und um Stuttgart 28 Filialen und verkauft die Backwaren „zum Hier-Essen“ zwölf Prozent teurer als die „zum Mitnehmen“. Sehr zum Verdruss von Heinz Zimmermann. Laut Preisschild sollte seine Laugenbrezel 65 Cent kosten. Von dem Handwerker verlangt wurden jedoch 70 Cent, weil er seine Lieblingsbackware im Laden verzehren wollte. Der 65-Jährige ließ die Brezel zurückgehen. „Ich vespere häufig beim Bäcker oder Metzger. Dass es drinnen teurer ist als draußen, habe ich noch nie erlebt“, schimpft der 65-Jährige und meint, dass der Kunde zumindest auf die Mehrkosten von zwölf Prozent hingewiesen werden müsse. Das habe er aber erst auf dem Kassenzettel entdeckt.

Nicht nur die Brezel, alles, was im Stehcafé beim Bäcker, Metzger oder im Fast-Food-Restaurant verzehrt wird, muss höher versteuert werden, als wenn es eingepackt und mitgenommen wird. Grundlage für das Kuriosum ist der Paragraf 12 im Umsatzsteuergesetz. Dort wird unterschieden zwischen „Lebensmittellieferungen“ mit und ohne zusätzliche Leistung. Für Erstere fallen 19 Prozent, für Letztere sieben Prozent Mehrwertsteuer an. „Mit der günstigeren Steuer will der Gesetzgeber dem Verbraucher etwas Gutes tun. Kommt aber zur Brezel oder anderen Snacks eine zusätzliche Leistung wie Teller oder Sitz hinzu, liegt der Regelsteuersatz bei 19 Prozent“, begründet Ulrike Lange, Umsatzsteuerreferentin bei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe, das Kuriosum.

Ob die Abgrenzung nicht unsinnig ist? „Zumindest recht schwierig“, räumt die Steuerexpertin ein. Denn sind zum Beispiel nur Stehtische, aber keine Sitzgelegenheiten vorhanden, bleibt es für das Vesper bei dem Steuersatz von sieben Prozent.

Das Weitergeben der höheren Steuer an den Kunden sei zwar unüblich, aber nicht verboten. „Es bleibt jedem Geschäftsmann überlassen, wie er seine Preise kalkuliert“, sagt Eckhard Bennert, Sprecher der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Er weist aber auch darauf hin, dass der Preisaufschlag im Laden ausgewiesen und für den Verbraucher zu sehen sein muss.

„Die höhere Steuerabgabe summiert sich ganz schön“

Die meisten Anbieter von Fast Food, Snacks wie belegten Brötchen und Brezeln oder heißen Theken nehmen die Differenz von zwölf Prozent zwischen begünstigtem und regulärem Steuersatz auf ihre Kappe – und freuen sich darüber, wenn die Kunden vor der Tür vespern. „Die höhere Steuerabgabe summiert sich ganz schön“, meint Fritz Heller, Geschäftsführer der Metzgerei Kübler. Die Idee, die reguläre Steuer an die Verbraucher weiterzugeben, kam ihm jedoch trotz Ärgers über die zusätzlichen Kosten noch nicht. „Der Kunde kann doch nicht nachvollziehen, warum er für das gleiche Fleischkäs-Brötchen mal 1,50 Euro und mal rund 1,70 bezahlen soll“, sagt er und hat einmal mehr in den sauren Apfel gebissen. „Wir haben unser Kassensystem umgestellt, so dass die Mitarbeiter beim Kassieren auf dem Touchscreen nur auf die große Taste für sieben oder 19 Prozent drücken müssen.“

Auch Bäckereifilialist Lang gibt die reguläre Steuer nicht an seine Kunden weiter. „Es wäre zwar korrekt, dies zu tun. Aber das kommt für uns nicht infrage“, sagt Seniorchef Max Lang.

Bäckermeister Wolfgang Treiber räumt ein, dass an dem Tag, als Heinz Zimmermann in der Filiale war, eventuell vergessen wurde, auf den „Im Haus“-Preis hinzuweisen. An der Preisgestaltung hält er aber fest. „Wer drinnen isst, bekommt einen Teller, der gespült werden muss. Und er kann sich hinsetzen. Es wäre nicht gerecht, wenn ich durch eine Mischkalkulation die Kunden belaste, die ihr Sach’ mitnehmen“, argumentiert er. Den Fehler sieht er im System. „Dass unterschiedliche Steuersätze bezahlt werden müssen, ist doch völlig überholt.“

Was die Kapriolen des Steuergesetzes angeht, sticht der Kaffee die Brezel sogar aus: Für aufgebrühten Kaffee, egal ob er im oder außer Haus getrunken wird, fallen 19 Prozent an. Es sei denn, es handelt sich um Milchkaffee oder Latte macchiato mit einem Milchanteil von etwa 75 Prozent. Wird der mitgenommen, werden nur sieben Prozent aufgeschlagen. Die Filiale der Kaffeehauskette Starbucks in der Königstraße trägt es samt Mehrkosten mit Fassung – selbst.