Die Verpackungssteuer soll helfen, den Einwegmüll zu reduzieren – vor allem in den Innenstädten wie hier auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Foto: imago/Ralph Peters

Die Stadt Stuttgart und die Kommunen in der Region prüfen die Verpackungssteuer nach dem Tübinger Modell. Die IHK Region Stuttgart möchte die Einführung gerne verhindern und stellt dafür eine Umfrage vor. Ist diese überzeugend?

Führt die Verpackungssteuer zu ausufernder Bürokratie oder sauberen Innenstädten? Kann sie weg oder sollte sie möglichst schnell eingeführt werden? Seitdem das Bundesverfassungsgericht die Tübinger Verpackungssteuer vor kurzem für rechtens beschieden hat, ist das Thema in den Kommunen der Region Stuttgart ein heißes Eisen.

 

In Ludwigsburg, Böblingen und Kirchheim/Teck soll den Gemeinderäten ein Konzept zur Abstimmung vorgelegt werden. Auch in der Landeshauptstadt Stuttgart ist eine Abstimmung geplant, wo sich bisher eine knappe Mehrheit für die Steuer abzeichnet. Das versucht die IHK Region Stuttgart zu verhindern. „Wir als IHK sehen eine Verpackungssteuer extrem kritisch“, sagt Hauptgeschäftsführerin Susanne Herre. Die IHK hat deshalb Mitgliedsunternehmen der Region befragt, um die Bedenken der Betriebe aufs Tableau zu bringen. An der Umfrage, die unserer Zeitung vorab vorliegt, nahmen zwischen dem 18. und 28. Februar rund 370 Betriebe aus den Innenstädten teil.

„Wir als IHK sehen eine Verpackungssteuer extrem kritisch“

Grundlage der Umfrage war das aktuelle Tübinger Modell, an dem sich auch die meisten Kommunen orientieren. Ziel ist, durch die Steuer das Müllaufkommen zu verringern. Die Steuer gilt für Essen, das für den sofortigen Verzehr bestimmt ist – zum Beispiel für Imbisse, Systemgastronomien, gegebenenfalls auch für Metzgereien, Bäckereien, Tankstellen oder Supermärkte. Bei kaltem Essen gilt sie nur, wenn sie mit Besteck verkauft wird. Für Einwegverpackungen oder -geschirr wie Kaffeebecher, Pommes-Schalen, Pizzakartons, Einwickelpapier oder Eisbecher sind 50 Cent Steuer fällig, für Einweg-Hilfsmittel wie Gabeln oder Strohhalme 20 Cent.

Groß ist laut Umfrage vor allem die Sorge vor neuer Bürokratie: Demnach befürchten drei von vier der betroffenen Betriebe, durch neue Dokumentationspflichten belastet zu werden. Mehr als die Hälfte erwartet einen höheren Schulungsaufwand zu den Regelungen und geht von steigenden Kosten aus. Falls die Steuer kommt, wollen die allermeisten die Kosten ganz oder teilweise auf die Kunden umlegen. Jeder dritte würde auf Mehrwegverpackungen umstellen. Gleichzeitig sehen viele Mehrweg nicht als Alternative – acht von zehn glauben, dass Kunden dies nicht wollten; die Hälfte meint, der Verkauf lohne sich dann nicht mehr. Jeder vierte plant laut Umfrage, bei Einführung der Steuer das Angebot teils zu beschränken oder den Take-away einzustellen.

Es gilt aber auch: Jeder vierte Betrieb ist für eine Verpackungssteuer

„Der Aufwand ist groß“, sagt Susanne Herre, Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart. Die Betriebe müssten Buch führen, wie viele Verpackungen sie anschafften, wie viele sie abgeben würden. Es gehe um Vorauszahlungen und Abrechnungen. Bei der Besteuerung komme es auf die Größe der Gabel und der Zuckertüten an. Tübingen habe den Betrieben eine 20-seitige Handreiche erstellt. Ein Service – gleichzeitig zeige es die Abgrenzungsfrage, meint Herre: „Das braucht im Moment kein Mensch.“

Die Umfrage berücksichtigt zur Hälfte auch Betriebe, die nicht direkt von der Verpackungssteuer betroffen sind, wie etwa Händler und Dienstleister, die sich ebenfalls vom vielen Müll in den Citys betroffen fühlen. Zieht man diese mit ein, würde jeder vierte Betrieb die Verpackungssteuer grundsätzlich befürworten, jeder zweite lehnt sie ab. Der Rest sagt, es komme auf die Ausgestaltung an. Pia Nowotny, Inhaberin und Gründerin des Edel-Imbisses Martha’s im Stuttgarter Königsbau, lehnt die Steuer grundsätzlich ab. Sie beklagt, dass die Steuer vor allem die Gastronomie treffe. „Das ist in jetzigen Zeiten ein Unding – das ist das Gegenteil von Entbürokratisierung.“ Eigentlich müsste das Konzept gut zu ihrem Geschäft passen – der Imbiss bietet „hochwertiges Slow Food“ mit regionalen Produkten und betont den „respektvollen Umgang mit der Umwelt“. Doch Nowotny glaubt nicht daran, dass ihre Kundschaft die Verpackungssteuer gut aufnehme. „Ich bin sicher, dass ich Umsatzeinbußen haben werde.“

„Ich bin sicher, dass ich Umsatzeinbußen haben werde“

Laut IHK-Umfrage rechnet knapp die Hälfte der Betriebe mit rückläufigen Umsätzen, würde die Steuer eingeführt. Jeder vierte Betrieb würde sein Angebot reduzieren. Die von einer Steuer betroffenen Betriebe wie auch die befragten Händler und Dienstleister erwarten sich zu einem größeren Teil weniger Müll in den Innenstädten, ein Drittel rechnet damit, dass sich Mehrwegsysteme etablieren werden. Allerdings erwartet rund jeder Dritte auch Geschäftsaufgaben und eine schlechtere Verpflegungssituation für Arbeitnehmer und Schüler.

Ob oder wie stark die Steuer zur Müllvermeidung dient, ist umstritten. Eine Studie der Universität Tübingen konstatierte im Mai 2023, dass der Müll in der Stadt seit Einführung der Steuer nicht abgenommen habe – zumindest was das Gewicht angehe. Dafür habe die Steuer für ein breiteres Angebot an Mehrweg-Verpackungen zur Folge gehabt.

Die Befürworter der Steuer betonen, dass die Kommunen mit den Mehreinnahmen die Müllentsorgung bezahlen könnten und gegebenenfalls Geld für weitere Projekte in der Hinterhand hätten. Aus Tübingen heißt es, durch die Steuereinnahmen könne man das notwendige zusätzliche Personal und auch ergänzende Umweltschutzmaßnahmen bezahlen.

IHK-Hauptgeschäftsführerin Herre sieht die personelle Aufstockung kritisch. Besonders aber rügt sie die rein kommunale Regelungskompetenz: Die von der Steuer betroffenen Verpackungen könnten von Gemeinde zu Gemeinde variieren. „Im schlechtesten Fall könnte in den 179 Kommunen der Region Stuttgart unterschiedlich entschieden werden, ob Pappbecher und Strohhalme steuerpflichtig sind.“