Während der Pessimismus vor allem in der Automobilbranche groß ist, sieht es in der Medizintechnik nicht ganz so düster aus. Foto: Ralf Deckert

Der Wirtschaftsverband industrieller Unternehmen in Baden (wvib) mit Sitz in Freiburg sieht düstere Zeiten auf die Industrie im Südwesten zukommen.

Lage und Erwartungen der Unternehmen seien im Abwärtstrend, sagte Hauptgeschäftsführer Christoph Münzer bei der Konjunktur-Pressekonferenz. Glaube man den Umfrageergebnissen unter den Mitgliedsbetrieben, so werde sich die wirtschaftliche Schwächephase in der Industrie nun verschärfen. Ganz Deutschland stecke in der Rezession. Hohe Energiekosten und Steuern, Fachkräftemangel und „lähmende Bürokratie“ seien „ein toxischer Krisen-Cocktail“. Auch der Streit in der Regierungskoalition sei nicht hilfreich, so Münzer. „Das sagen wir nicht gern, aber es ist so“.

Ein Drittel der Betriebe rechnet mit Umsatzminus

Seit Beginn der Corona-Krise sei die Stimmung in den Unternehmen nicht mehr so schlecht gewesen, wenngleich man sich 2022 gut durch die Krise gearbeitet habe, die der Ukraine-Krieg ausgelöst habe. Zwar habe die Industrie im ersten Halbjahr im Schnitt ein Umsatzplus von 13,1 Prozent (2022: 13,7) erwirtschaftet. „Aber da muss man noch die Inflation rausrechnen“, so Münzer. Knapp ein Drittel der Betriebe rechne fürs zweite Halbjahr mit sinkenden Umsätzen.

Geschäftserwartung rutscht in allen Branchen ins Minus

Vor allem die Autozulieferer seien pessimistisch gestimmt: Nur noch rund 14 Prozent würden derzeit steigende Umsätze erwarten. Der Medizintechnik und dem Maschinenbau gehe es hingegen besser. Aber: Über alle Branchen hinweg sei die Geschäftserwartung in der Südwest-Industrie erstmals seit drei Jahren wieder ins Minus gerutscht. Fast die Hälfte der Unternehmen klage mittlerweile über eine zu geringe Auslastung. Und das, so wvib-Chef Münzer, habe nichts mit Nörgelei von notorisch unzufriedenen Kaufleuten zu tun.

14 Prozent der Unternehmen denken an Stellenabbau

In der Bevölkerung komme diese düstere Lage vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der geringen Arbeitslosigkeit nur abgemildert an. Das sei trügerisch: Während im vergangenen Jahr nur knapp 6 Prozent der Unternehmen mit einem Abbau von Stellen rechnete, sind es mittlerweile schon rund 14 Prozent. Als Lösung schlagen die Unternehmen mehr Marktwirtschaft vor und weniger „Wumms, Dirigismus und Mikromanagement“ seitens der Politik, wie Münzer es nennt. Der Unmut bei Unternehmen und Verbänden steige.

Wirtschaft, Ökologie und Soziales als Ganzes sehen

Gleichzeitig mache der politische Rechtsruck den Unternehmen Sorgen, so wvib-Präsidiumsmitglied Bert Sutter: „In den Unternehmen herrscht ein breiter Konsens, dass mit der AfD kein Staat zu machen ist und dass die AfD keinen Staat machen sollte.“ Auch hier sei die Politik gefragt: „Menschen und Unternehmen brauchen einen Rahmen, in dem sie sich entfalten können“, so Sutter. Kurzfristig sei das zwar kein Allheilmittel, aber langfristig sei dies der Weg aus dem Frust.

„Der Staat muss schlanker, schneller und agiler werden“

Das ist auch der Tenor eines Thesenpapiers mit politischen Forderungen des Verbands: Es sei wichtig, die Themen Wirtschaft, Ökologie und Soziales konsequenter zusammen zu denken, heißt es dort. Die Marktwirtschaft müsse belebt und nicht bekämpft werden. Der Staat müsse „schlanker, schneller, agiler“ werden, so der wvib in seinen Thesen. Statt mehr Bürokratie brauche es mehr Investitionen in die Infrastruktur.