Um den Beruf der Hebamme ausüben zu können, ist seit zwei Jahren ein Studium notwendig. Foto: Tyler Olson Simplefoto

Seit zwei Jahren ist ein Studium die Voraussetzung, um Hebamme zu werden. Wir haben beim Universitätsklinikum Tübingen (UKT) gefragt, wie dies abläuft.

Tübingen - Hebammen leisten enorm wichtige Arbeit, in der öffentlichen Wahrnehmung gehen sie aber oftmals unter. Thematisiert wird das Berufsbild vor allen Dingen, wenn wieder über fehlende Hebammen gesprochen wird. Was viele nicht wissen: Um den Beruf ausüben zu können, ist seit zwei Jahren ein Studium notwendig. Möglich ist das unter anderem an der Universität Tübingen.

Positive Änderung

Hintergrund des Ganzen ist eine Änderung des Hebammengesetzes, welche seit zwei Jahren greift. Claudia Plappert, Stellvertretende Leiterin der Abteilung Hebammenwissenschaft, und Joachim Graf, Lehr- und Forschungskoordinator, gefällt diese Struktur: "Wir begrüßen die Änderungen sehr: Zum einen war Deutschland das einzige Land in Europa, in welchem Hebammen noch fachschulisch ausgebildet wurden, was zur Folge hatte, dass in Deutschland ausgebildete Hebammen nicht mehr automatisch eine Berufsanerkennung im EU-Raum erhalten hätten." Des Weiteren erklären die beiden: "Die Zukunft der Gesundheitsversorgung wird in allen Feldern durch ein hohes Maß an Interdisziplinarität gekennzeichnet sein. Auch die hebammengeleitete Geburtshilfe soll und muss evidenzbasiert vonstattengehen, dies ist ohne Hochschulstudium kaum vorstellbar."

Beruf wird gestärkt

Eine Frage die sich aufdrängt: Wird das Ansehen des Berufs dadurch erhöht oder sorgen die nun höheren Anforderungen dafür, dass die Zahl der fehlenden Hebammen weiter steigt? In Tübingen geht man von Ersterem aus. Plappert und Graf begründen es folgendermaßen: "Auf jeden Fall wird die Akademisierung dazu beitragen, dass sich das Ansehen des Hebammenberufes erhöhen wird. Mit dem akademischen Anschluss ist automatisch eine europaweite Berufsanerkennung verbunden. Absolventinnen und Absolventen können also europaweit als Hebamme tätig werden." Zudem biete ein abgeschlossenes Studium auch die Möglichkeit, in Tätigkeitsbereichen wie der Forschung zu agieren. Plappert: "Wir brauchen Hebammen, die als Universitätsprofessorinnen tätig werden wollen!"

Des Weiteren erläutert Graf: "Das Bewerberfeld in der fachschulischen Ausbildung in den letzten Jahren hat sich ohnehin größtenteils aus Kandidatinnen mit allgemeiner Hochschulreife zusammengesetzt." Mit größerem Mangel ist daher nicht zu rechnen. Im Übrigen gibt es auch die Möglichkeit, das Studium mit der mittleren Reife zu starten, wenn man anschließend eine dreijährige Pflegeausbildung abschließt.

Wehmut ist dabei

Der 2019 in Tübingen begonnene Kurs wird sein Examen dieses Jahr absolvieren, der Kurs von 2020 dann im kommenden Jahr. Anschließend gehen die Lichter an der Tübinger Hebammenschule aus. Schwingt da ein wenig Wehmut mit? Plappert und Graf antworten mit einem klaren Ja: "Die Tübinger Hebammenschule hat knapp 200 Jahre lang Generationen von Hebammen ausgebildet, sie ist daher eine Institution in Tübingen. Ihr Ende ist daher natürlich mit Wehmut verbunden."

Trotzdem geht der Blick auch nach vorne: "Wir denken aber, dass die Akademisierung notwendig ist, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden. Viele bewährte Prinzipien der Schule werden beibehalten und auf höherem Ausbildungsniveau realisiert, die hohe Expertise der fachschulisch ausgebildeten Hebammen fließt zukünftig ein in die Ausbildung von Studierenden, so ganz verschwinden wird die Ausbildung streng genommen also nicht." Und entgegen der Anfangsthese, schätzen Graf und Plappert die öffentliche Wahrnehmung positiv ein. "Mein Eindruck ist, dass das Standing der Hebamme in der öffentlichen Wahrnehmung eigentlich ziemlich gut ist, viele Menschen haben Respekt vor der Tätigkeit und der Verantwortung von Hebammen."

Info: Der Studiengang

Der Studiengang Hebammenwissenschaften ist ein Vollzeitstudium mit sieben Semestern Regelstudienzeit. Zum Wintersemester 2018/19 war es bereits als Modellstudiengang losgegangen, seit dem Wintersemester 2020/21 startete der dual-primärqualifizierende Bachelorstudiengang zum ersten Mal,. Dies läuft in Kooperation der Universität Tübingen mit dem UKT. Es gibt 60 Studienplätze pro Jahr und die monatliche Praxisvergütung beträgt circa 860 Euro.

Im Studium werden die erforderlichen Grundfertigkeiten zum Ausüben des Hebammenberufs sowie die für akademische Tätigkeiten im Bereich Hebammen- und Gesundheitswissenschaften vermittelt. Der Bachelorstudiengang Hebammenwissenschaft soll der Qualifizierung von Fachexpertinnen dienen, die über wissenschaftliche Kompetenz verfügen, in der Lage sind, die Herausforderungen einer Hebammentätigkeit in der Versorgungspraxis zu bewältigen und die ihr medizinisches Handeln wissenschaftlich fundiert reflektieren können.

Die Bewerbung läuft online ab. Der Studiengang Hebammenwissenschaft schließt mit einem Doppelabschluss ab (akademischer Grad Bachelor of Science und Berufszulassung als Hebamme). Der Erwerb des akademischen Grades "Bachelor of Science" qualifiziert zur Aufnahme eines Masterstudiengangs, die Berufszulassung zur praktischen Tätigkeit. Im 6. Und 7. Fachsemester sind ambulante Praxiseinsätze vorgesehen. Hier suchen sich die Studierenden ihren Praxisort selbst aus. Ein freiwilliger Auslandsaufenthalt ist möglich. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage der Uni Tübingen.