Ist das Fliegen mit einem Segelflugzeug gefährlicher als ein Motorflug? Klaus Michael Hallmayer vom Baden-Württembergischen Luftfahrtverband klärt auf.
Oberndorf - Noch immer hängen die drei Luftfahrt-Unglücke vom Wochenende bei Sulz, Schonach und Bad Liebenzell nach. Zwei Hobbypiloten verloren dabei ihr Leben, ein weiterer verletzte sich bei einer missglückten Außenlandung. Zwei der Unglücke geschahen mit einem Segelflugzeug. Heißt das nun, dass die Fliegerei mit Seglern gefährlicher ist, als mit einer motorisierten Maschine?
Nein, sagt Klaus Michael Hallmayer. Das könne man so nicht sagen. "In beiden Bereichen gibt es gewisse Risikofaktoren", macht der Geschäftsführer des Baden-Württembergischen Luftfahrtverbandes (BWLV) klar. Laien mögen behaupten, dass der Segelflug gefährlicher ist, da man sich ohne eigenen Antrieb durch die Luft bewegt. "Aber was ist, wenn beim Motorflug auf einmal der Motor ausfällt? Dann bleibt nur noch der Gleitflug, und der ist bei den Motorflugzeugen klar schlechter als bei den Seglern", sagt Hallmayer unserer Redaktion.
Die Behörde vermeldet einen klaren Rückgang der Unfälle
Aber wie kann das sein, dass innerhalb von zwei Tagen gleich drei Sportpiloten verunglücken? Der 63-jährige Verbandschef hat dafür folgende Erklärung: "Das war ein sehr unglücklicher Zufall, dass diese Unfälle so geballt aufgetreten sind." Die Fliegerei sei nicht unsicherer geworden. Und die Unfallzahlen geben ihm recht. Diese hat die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) parat. Die Behörde vermeldet einen klaren Rückgang der Unfälle innerhalb der vergangenen 20 Jahren – von mehr als 120 pro Jahr auf mittlerweile rund 70.
In Baden-Württemberg, dem Stammland des Segelflugs, hält sich die Zahl der tödlichen Flugunfälle pro Jahr klar im einstelligen Bereich. Genau lässt sich die Menge an Bewegungen über dem Südwesten im Flugsport nicht beziffern, aber bei 180 Vereinen im Land, rund 6500 Segelflugpiloten und etwa 2200 Segelflugzeugen kann man sagen: Es sind extrem viele. "Dazu kommt noch das gute Wetter am vergangenen Wochenende. Da bleibt kein Flieger im Hangar", sagt Hallmayer. Das sei dann wie bei den Motorradfahrern: Wenn mehr unterwegs sind, steigt auch die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls.
Die meisten Unfälle passieren während des Starts oder der Landung
Über mögliche Ursachen der drei Unglücke will der 63-Jährige nichts sagen, "da ich nur das weiß, was aus den offiziellen Mitteilungen hervorgegangen ist". Generell passieren die meisten Unfälle während des Starts oder der Landung. "Oben am Himmel kommt es äußerst selten zu Unglücken."
Hin und wieder kommt es beim Segelflug vor, dass der Pilot es nicht mehr zum Heimatflugplatz zurückschafft. "In diesem Fall muss er dann eine sogenannte Außenlandung einleiten", erklärt der BWLV-Chef. Der Pilot sucht sich also eine geeignete Stelle, um den Segler sicher auf den Boden zu bringen. Dies ist erforderlich, wenn der Segelflieger nicht mehr genug Auftrieb hat, weil die dafür erforderliche Thermik zu schwach ist. Unter Thermik versteht man in der Fliegerei aufgewärmte Luft, die vom Boden ablöst und nach oben aufsteigt.
Flug über den Schwarzwald muss gut vorbereitet sein
"Das richtige Gefühl für die Thermik bekommen Segelflieger in ihrer Ausbildung erklärt, zusätzlich helfen uns auch noch die Fluginstrumente im Cockpit", erklärt Hallmayer. "Auch die Außenlandung selbst ist Thema in der Ausbildung. Je nach Lage kann diese schwieriger oder leichter ausfallen." So ist es beim Flug über dem Schwarzwald herausfordernder, eine geeignete Stelle zu finden als im flach geprägten Norden Deutschlands.
Da die Thermik in großem Maße von der Sonneneinstrahlung abhängt, ist klar: Je später am Abend desto schwächer die Thermik. "Die lädt sich vormittags auf und schwächt sich abends ab", sagt der Flugexperte, der selbst früher geflogen ist – Segelflug, Motorflug sowie Motorsegler. Dazu kommen noch weitere Einflüsse wie das Wetter oder die Geländegegebenheiten. Aber zu spät unterwegs können die drei Piloten eigentlich nicht unterwegs gewesen sein: Laut Experteneinschätzung könne man in der aktuellen Jahreszeit bei guten Bedingungen bis 19 Uhr fliegen. "Natürlich kann es dennoch zu Fehleinschätzungen des Piloten kommen", erklärt Hallmayer. Die häufigste Unfallursache im Flugsport ist demnach auf menschliches Versagen zurückzuführen.
Gesundheitliche Verfassung wird regelmäßig überprüft
Technische Probleme oder medizinische Notfälle kommen eher selten vor – sind aber nicht ausgeschlossen, wie beim tödlichen Absturz des 56-jährigen Piloten bei Sulz (Kreis Rottweil) am Samstag noch ermittelt werden muss. Unter Experten wird schon spekuliert, ob gesundheitliche Gründe ausschlaggebend für diesen Absturz sein könnten.
Generell wird die gesundheitliche Verfassung eines jeden Fliegers mit einer Fluglizenz regelmäßig überprüft. "In welchen Abständen dies geschieht, hängt letztlich von der jeweiligen Lizenz ab", erklärt Hallmayer.
Mit dem Untersuchungsbericht ist erst nach mehreren Monaten zu rechnen
Beim Segelflug kommt es bei Piloten bis zum 40. Lebensalter zu einer Kontrolle alle fünf Jahre, bis 60 alle zwei Jahre und ab 60 dann jedes Jahr. "Zusätzlich müssen Piloten über gewisse medizinische Erkrankungen informieren. Zum Beispiel, wenn man einen Herzinfarkt erlitten hat. In diesem Fall erlischt die Lizenz vorerst."
Bis die jeweiligen Unfallursachen vom Wochenende aufgeklärt sind, wird wohl noch einige Zeit ins Land gehen. Mit dem Untersuchungsbericht der BFU ist erfahrungsgemäß erst nach mehreren Monaten zu rechnen. "So bedauerlich und traurig diese drei Unfälle auf einen Schlag sind, wollen wir dennoch darauf hinweisen, dass das allgemeine Unfallgeschehen dennoch niedrig ist", sagt Hallmayer. "Wichtig ist es unabhängig vom Flugtyp, mit Vernunft zu agieren, um damit das Risiko so gering wie möglich zu halten und in Grenzsituationen richtig handeln zu können."