Auch bei kirchlichen Flüchtlingshelfern in Riedlingen ist die Empörung groß. Foto: dpa/Thomas Warnack

Nach dem Tod von Sali Krasniqi darf dessen allein im Kosovo lebende Ehefrau zurück zur Familie – vorerst. Das Paar war nach 28 Jahren in Deutschland abgeschoben worden. Flüchtlingshelfer bleiben empört.

Riedlingen/Biberach - Die Ausländerbehörde des Landkreises Biberach lässt die 64 Jahre alte, in das Kosovo abgeschobene Mire Gash wieder nach Deutschland einreisen. In einem Schreiben an den Singener Anwalt der Familie mit Datum vom vergangenen Montag stellt die Behörde fest: „Nach dem Tod des Ehegatten befindet sich Ihre Mandantin auf sich selbst gestellt und ohne familiären Rückhalt weiterhin im Kosovo. Aufgrund dieser neu eingetretenen Situation besteht ein schutzwürdiges Interesse an einer baldigen Wiedereinreise.“ Mire Gash habe nach ihrer Rückkehr drei Monate Zeit, um ihren ausländerrechtlichen Status klären zu lassen.

„Für uns heißt das, wir müssen dranbleiben“, sagt Dagmar Rüdenburg vom Interkulturellen Forum für Flüchtlingsarbeit in Biberach. Auf dessen Initiative versammelten sich am Sonntag vor dem Landratsamt rund 150 Menschen für eine Trauerfeier zum Gedenken an Sali Krasniqi, den Ehemann von Mire Gash. Er starb rund fünf Monate nach der Abschiebung aus Riedlingen am 12. Oktober vergangenen Jahres in Pristina an einem Herzinfarkt. Das Paar war 1992 aus dem damaligen, vom Bürgerkrieg erschütterten serbischen Staatsgebiet nach Deutschland geflohen. Im Raum Biberach leben sechs Kinder und mehrere Enkel.

Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg erneuert seine Vorwürfe

Beim Verwaltungsgericht Sigmaringen ist unverändert eine Klage der Familie gegen die Abschiebung anhängig. Geklärt werden soll, ob Menschen nach 28 Jahren in Deutschland in einen Staat abgeschoben werden können, den es bei ihrer Flucht noch nicht gab, dessen Staatsbürgerschaft sie nicht besitzen und in dem es keinerlei soziales Umfeld gibt. Zudem, argumentieren die Flüchtlingshelfer, sei das Ehepaar bei der Abschiebung bewusst Gesundheitsgefahren ausgesetzt worden.

Das Kosovo galt bereits im Oktober als Corona-Risikogebiet, zudem waren beide Eheleute bekanntermaßen durch Krankheit gezeichnet. Sali Krasniqi hatte bereits drei Herzoperationen hinter sich. Das Paar habe versäumt, den Behörden neben ärztlichen Attesten ein medizinisches Gutachten vorzulegen, sei darüber jedoch auch nicht aufgeklärt worden, sagt Flüchtlingshelferin Rüdenburg. Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg macht der Landesregierung schwere Vorwürfe. Der Ehemann und Vater „hätte mit einer ausreichenden Gesundheitsversorgung überleben können“, heißt es in Stellungnahmen vom 12. und 16. März.

Seit Oktober haben die Kinder des abgeschobenen Paares immer wieder Barauszahlungen über den Postweg für ihre Eltern veranlasst. Weil sie keine kosovarischen Pässe hatten, war ihnen Sozialhilfe vor Ort verwehrt. Die Rückkehr der Mutter wird die Familie nun ebenfalls selbst organisieren und finanzieren. Voraussichtlich wird Mire Gash nur als Touristin zurück nach Riedlingen kommen können. Ein Krankenversicherungsschutz bestünde dann nicht.

Die Online-Petition läuft weiter

Die Online-Petition „Inhuman und rechtlich fragwürdig“, die sich an die Landesregierung richtet und den Fall beschreibt, bekommt unterdessen immer mehr Unterstützer. Zum Wochenbeginn betrug deren Zahl knapp 40 500. Der Biberacher Flüchtlingshilfeverein bekam am Dienstag noch weitere Post im Zusammenhang mit der Trauerfeier vom Sonntag: eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsverbot.