Ein Einsatzfahrzeug der Bundespolizei steht am Grenzkontrollpunkt, Kehl an dem aus Frankreich einreisende Autofahrer kontrolliert werden. Foto: von Ditfurth

Mehrheit befürwortet Einführung einer Vermögensabgabe. Hohe Zustimmung für Abriegelung von Gemeinden.

Oberndorf/Freiburg - Wie denken die Menschen über die Corona-Beschränkungen? Wie betroffen fühlen sie sich von der Pandemie? Was sind ihre größten Ängste?

Newsblog zur Ausbreitung des Coronavirus in der Region

Die Uni Freiburg hat mit der Uni in Stuttgart und der LMU München mehr als 7800 Personen zu ihren Erfahrungen und Einstellungen in der Corona-Pandemie online befragt. Unsere Zeitung hatte ihren Leserinnen und Lesern die Beteiligung an der deutschlandweiten Umfrage ermöglicht und die Studie der Wissenschaftler unterstützt. Nun liegen die ersten Befunde vor - mit interessanten Ergebnissen.

Betroffenheit

Nahezu jeder Deutsche ist von der Pandemie in gewisser Weise betroffen. Nur 5 Prozent der Befragten sehen sich durch die Einschränkungen und Maßnahmen nicht beeinflusst. Dagegen fühlt sich jeder dritte Befragte stark oder sogar sehr stark belastet. Insgesamt fühlen sich Frauen durch die Krise stärker belastet als Männer. Jüngere und ältere Menschen sind durch die Pandemie aber weniger belastet als Personen zwischen 30 und 60 Jahren, zeigt die Auswertung der Umfrage.

Jedoch fällt die gefühlte Belastung in einzelnen Regionen Deutschlands sehr unterschiedlich aus. Besonders stark in Anspruch genommen fühlen sich die Befragten in den Gebieten Chemnitz, Gießen, aber auch in Mittelfranken, Sachsen-Anhalt und der Region Dresden. Im Vergleich zu den offiziellen Fallzahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigt sich kein sonderlich starker Zusammenhang zwischen den Infiziertenzahlen und der gefühlten Belastung; besonders die Menschen in Norddeutschland sind entspannter. Aber auch in den am stärksten betroffenen Gebieten in Baden-Württemberg und in Bayern fühlen sich die Befragten eher weniger stark belastet.

Ängste

Neben der gefühlten Inanspruchnahme gibt es auch Angst vor Beeinträchtigungen. Am stärksten ist die Furcht vor eigener Krankheit oder bei nahestehenden Personen: Für knapp 40 Prozent der Befragten ist dies die größte Sorge. Große Angst haben die Befragten auch vor einem Einbruch der Wirtschaft (20 Prozent) sowie vor der Einschränkung demokratischer Rechte (18) und ihrer Lebensgewohnheiten (11).

Deutlich weniger Angst haben die Befragten dagegen vor Vereinsamung (6) und eigener Arbeitslosigkeit (4). Die Gefahr eigener Arbeitslosigkeit wird weniger dramatisch eingeschätzt als die gesamtwirtschaftlichen Folgewirkungen.

Vertrauen

Insgesamt gibt es ein hohes Vertrauen in die Gesundheitsmaßnahmen des Bundes und der Länder: Mehr als 60 Prozent der Befragten halten diese für geeignet, um die gesundheitlichen Folgen der Pandemie in den Griff zu bekommen. Deutlich skeptischer sind die Befragten hinsichtlich der Frage, ob die Maßnahmen geeignet sind, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie unter Kontrolle zu bekommen. Hier sind nur knapp 35 Prozent der Befragten von den Regierungsmaßnahmen überzeugt.

Ökonomische Maßnahmen

Wie soll die Corona-Krise wirtschaftlich und finanziell bewältigt werden? Eine Mehrheit der Befragten hat eine klare Vorstellung davon, wer für die Kosten der Pandemie aufkommen soll. 51 Prozent halten eine Vermögensabgabe für Reiche für sehr sinnvoll, weitere 30 Prozent sehen sie teilweise als sinnvoll an. Dagegen unterstützen nur knapp 3 Prozent generelle Steuererhöhungen als sehr sinnvoll beziehungsweise 29 Prozent als teilweise sinnvoll.

Auch die Wiedereinführung des Solidaritätszuschlags für alle findet nur wenig Anklang: Gerade einmal rund 15 Prozent der Befragten erachten diese Option für sehr sinnvoll. Wenig Gegenliebe findet der Verkauf des staatlichen Tafelsilbers wie Gold- und Devisenreserven. Deutschland besitzt immerhin nach den USA die zweitgrößten Goldreserven weltweit. Nachdem vergangene Woche der Goldpreis auf Eurobasis einen Rekordpreis von über 1610 Euro pro Unze erreicht hat, liegt der Wert des deutschen Goldschatzes bei über 173,5 Milliarden Euro. Aber nur knapp 11 Prozent der Befragten sehen hierin eine Möglichkeit, die finanziellen Folgen der Corona-Krise zu bekämpfen.

Regierung

Beim Blick auf einzelne Maßnahmen der Regierung (zum Teil in Kraft, zum Teil wurden diese nur diskutiert) zeigt sich, dass nicht alle gleichermaßen von den Befragten positiv gesehen werden – insgesamt werden die Maßnahmen sehr differenziert betrachtet.

Die Frage lautete: Welche der folgenden Maßnahmen sollten staatliche Stellen Ihrer Meinung nach anwenden dürfen, um die Corona-Pandemie zu bekämpfen? Knapp 80 Prozent stimmen zu, besonders betroffene Gemeinden abzuriegeln. Die zweitbeliebteste Maßnahme besteht darin, Grenzen zur Ein- und Ausreise zu schließen (69).

Ähnliche Zustimmungswerte erhalten folgende Maßnahmen: Gottesdienste und religiöse Feiern verbieten (68), Schulen und Kindergärten schließen (66) sowie Kontaktsperren außerhalb des eigenen Haushalts verordnen (64). Fast 60 Prozent finden es in Ordnung, dass Geschäfte schließen, die keine Waren des täglichen Bedarfs anbieten. Telekommunikationsdaten aller Bürger zu nutzen, um Infektionswege nachzuverfolgen, unterstützen gut 46 Prozent; allen Genesenen einen Immunitätsausweis auzustellen, damit diese keine Einschränkungen haben 33 Prozent. Nur jeder Sechste befürwortet, der Regierung das Recht einzuräumen, Gesetze zu beschließen, ohne das Parlament zu fragen.

Parteien

Insgesamt hält eine deutliche Mehrheit der Befragten die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus nicht für übertrieben (59,9 Prozent). Deutliche Unterschiede zeigen sich aber zwischen den Anhängern der Parteien. Die Befragten, die die Maßnahmen für übertrieben halten, wurden getrennt betrachtet nach ihren Antworten auf die Sonntagsfrage "Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, wen würden Sie dann mit Ihrer Zweitstimme wählen?" Dabei zeigt sich: Mehr als die Hälfte der FDP-Anhänger und fast drei Viertel der AfD-Anhänger halten die Maßnahmen für übertrieben, aber weniger als 15 Prozent der Anhänger von CDU/CSU, Grünen und SPD. Auch die Anhänger anderer Parteien finden die Maßnahmen eher übertrieben, darunter viele Anhänger der neuen Gruppierung "Widerstand 2020".

Medien

In Bezug auf die Corona-Berichterstattung vertrauen die Anhänger der CDU/CSU, der SPD und der Grünen stark offiziellen Webseiten sowie den etablierten Zeitungen sowie öffentlich-rechtlichen Medien. Die Anhänger der Linken und insbesondere der FDP weisen hier durchweg ein geringeres Vertrauen auf. AfD-Anhänger und die Anhänger anderer Parteien (darunter auch Befragte, die als Wahlpräferenz "Widerstand 2020" angegeben haben) weichen deutlich vom Rest der Bevölkerung ab. Sie halten sämtliche Informationsquellen im Durchschnitt für eher nicht vertrauenswürdig, und die beiden Informationsquellen, denen von ihnen noch am ehesten vertraut wird, (Internet-Blogs und Youtube sowie soziale Netzwerken) sind gerade diejenigen, denen die restliche Bevölkerung am wenigsten Vertrauen entgegenbringt.