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Eine Befragung der Friedrich-Ebert-Stiftung kommt zu einem alarmierenden Ergebnis.

Berlin - Eine Befragung der Friedrich-Ebert-Stiftung kommt zu einem alarmierenden Ergebnis: Beinahe jeder zehnte Deutsche findet eine Diktatur gut. Der aktuellen Politik fühlen sich hingegen beinahe alle Bürger hiflos ausgeliefert. Die Toleranz schwindet.

Die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland nimmt zu. Ein Viertel der Bevölkerung ist inzwischen fremdenfeindlich eingestellt, wie eine am Mittwoch in Berlin vorgestellte Studie im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung ergab. 2008 sei es noch ein Fünftel der Bürger gewesen. Die Feindseligkeit gegenüber dem Islam ist der Studie zufolge besonders ausgeprägt. Auch der Zuspruch für eine Diktatur als Staatsform wächst.

Für die repräsentative Studie "Die Mitte in der Krise - Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010" wurden im Frühjahr mehr als 2400 Menschen im Alter von 14 bis 90 Jahren in direkten Interviews befragt. Abgefragt wurden verschiedene Dimensionen von Rechtsextremismus, unter anderem Ausländerfeindlichkeit oder die Verharmlosung des Nationalsozialismus.

Mehr als 30 Prozent der Bevölkerung stimmen laut Studie der Aussage zu: "Ausländer kommen, um den Sozialstaat auszunutzen." Ein ebenso großer Anteil meint, bei knappen Arbeitsplätzen "sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken", und durch "die vielen Ausländer" sei Deutschland "in einem gefährlichen Maß überfremdet". Besondere Ablehnung schlägt dem Islam entgegen. Der Aussage "Für Muslime in Deutschland sollte die Religionsausübung erheblich eingeschränkt werden" schließen sich 58,4 Prozent der Befragten an - in Ostdeutschland sogar 75,7 Prozent.

"Deutsch muss verpflichtende Schulsprache sein"

Ausländer- und Islamfeindlichkeit sind den Forschern zufolge im Osten deutlich stärker ausgeprägt als im Westen - trotz oder gerade wegen des geringen Migrantenanteils in den neuen Bundesländern. Durch mangelnden Kontakt zu Ausländern bleibe das Fremde "abstrakt", heißt es in der Studie. Das biete viel Angriffsfläche. Hintergrund für das Ost-West-Gefälle sei aber auch die hohe Arbeitslosigkeit in den neuen Bundeslöändern. Wer arbeitslos ist oder arbeitslos war, neigt den Forschern zufolge eher zu rechtsextremen Einstellungen.

Fast jeder Vierte meint laut Umfrage, Deutschland brauche jetzt "eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert". Rund 13 Prozent wünschen sich einen "Führer", der "Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert", und fast neun Prozent halten eine Diktatur "unter bestimmten Umständen für die bessere Staatsform". 10,3 Prozent meinen, der Nationalsozialismus habe "auch seine guten Seiten" gehabt.

Parallel dazu fühlt sich die große Mehrheit der Politik machtlos ausgesetzt. über 90 Prozent der Bevölkerung halten es für "sinnlos", sich "politisch zu engagieren" und meinen, sie hätten "sowieso keinen Einfluss darauf, was die Regierung tut". Die Autoren werteten die Ergebnisse als "Alarmsignal für Politik und Gesellschaft". Angesichts von Abstiegsängsten hätten rechtsextreme Einstellungen mit der Wirtschafts- und Finanzkrise zugenommen, warnten Decker und Brühler. Es bestehe die Gefahr, dass Rechtspopulisten versuchten, aus der Situation "politisch Kapital zu schlagen".

Der Untersuchung zufolge ist keine gesellschaftliche Gruppe für rechtsextreme Einstellungen immun. Ältere Menschen stimmen zwar wesentlich häufiger rechtsextremen Aussagen zu als junge. Auch je niedriger das Bildungsniveau, desto ausgeprägter die rechtsextreme Einstellung. Rechtsextremismus sei jedoch kein Phänomen am Rand der Gesellschaft, sondern in der Mitte der Gesellschaft verbreitet.

Alle Parteien - auch Grüne wie Linke - haben der Untersuchung zufolge Anhänger mit rechtsextremen Auffassungen. Bei Gewerkschaftsmitgliedern sind solche Einstellungen in gleichem Maße zu finden wie in der Gesamtgesellschaft. Unter den Mitgliedern der evangelischen und katholischen Kirche sind diese Gedanken sogar etwas verbreiteter als unter Konfessionslosen.

Unterdessen schaltet sich die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, in die Debatte mit dem Vorschlag ein, Deutsch zur Pflicht in Schulen zu machen. "Vor einem Jahr hat diese Diskussion noch einen Aufschrei hervorgerufen. Heute hat sich die Erkenntnis durchgesetzt: Deutsch muss verpflichtende Schulsprache sein", sagte die CDU-Politikerin.