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Es rumpelt hinter den Kulissen der Südwest-CDU. Den Christdemokraten droht bei der Wahl das schlechteste Ergebnis in der Geschichte des Landes. Für Spitzenkandidatin Eisenmann steht viel auf dem Spiel.

Stuttgart - Kurz vor dem Interview mit der Spitzenkandidatin läuft ein Song im Radio, der recht bezeichnend ist für die aktuelle Lage der CDU. Der Sender „SWR1“ gleitet mit „I believe in miracles“ am Freitagmorgen musikalisch ins Gespräch mit Susanne Eisenmann. Die wird nach den miserablen Umfragewerten für ihre Partei gefragt - und ob der Rückstand zu den Grünen überhaupt noch aufzuholen sei. Eisenmann packt die Versatzstücke aus, mit denen sie seit Wochen solche Fragen kontert. Umfragen seien eben nur Momentaufnahmen, die Wahl werde erst am 14. März entschieden. „Deshalb sind wir da maximal entspannt.“

Darum ist die Wahl so besonders:

Dabei geht es um nichts geringeres als um das politische Überleben Eisenmanns. Der 56-Jährigen gehen zunehmend die Optionen verloren. Die Umfragewerte neun Tage vor der Wahl sind verheerend für die Christdemokraten. Am Donnerstagabend meldet zunächst Infratest dimap für die ARD-„Tagesthemen“, dass die CDU bei 25 Prozent steht - und damit weit abgeschlagen hinter den Grünen mit 33 Prozent. Am Freitag dann legt die Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-„Politbarometer“ nach - nur noch 24 Prozent für die CDU, 35 Prozent für die Grünen. Ein saftiger Abstand von 11 Punkten. Man muss an Wunder glauben, um Eisenmann noch als Ministerpräsidentin zu sehen.

CDU fürchtet historisches Wahldebakel

Die Kultusministerin, die Landeschef Thomas Strobl ausmanövrierte, um ihre Spitzenkandidatur durchzuboxen, und auf der so viele Hoffnungen lagen, läuft Gefahr, der Südwest-CDU das historisch schlechteste Ergebnis in der Geschichte des Landes zu bescheren.

Bis 2011 bestimmten die einst so stolzen Christdemokraten im Südwesten fast sechs Jahrzehnte lang die Geschicke des Landes. Es gab Zeiten, da holte die CDU mehr als 50 Prozent bei Landtagswahlen. 2016 landete die Partei mit 27 Prozent erstmals hinter den Grünen, mit denen sie seither als Juniorpartner regiert. Nun also 24.

Seit Wochen kämpft Eisenmann tapfer für ihre Positionen, macht sich stark für offene Schulen und massenhafte Corona-Tests, treibt Kretschmann auch inhaltlich vor sich her. Trotzdem gelingt es ihr nicht, aus dem Schatten des beliebten Ministerpräsidenten herauszutreten.

Warum tut sich die CDU so schwer? Grundsätzlich ist Kretschmann ein Konservativer, der gern Themen wie Heimat besetzt und sich für die Autoindustrie stark macht - so hat es die CDU schwer, ein eigenes Profil zu entwickeln. In der Coronakrise profitiert Kretschmann vom Amtsbonus als Krisenmanager. Eisenmann hingegen hat das Kultusministerium an der Backe und damit permanent Ärger mit Lehrern, Eltern, Schülern. Auf dem Posten kann man derzeit nicht viel richtig machen.

Persönlichkeit spielt bei Wahlen eine immer größere Rolle

Außerdem spielt die Persönlichkeit bei Wahlen eine immer größere Rolle - zumal bei der Landtagswahl im Südwesten, wo jeder nur eine Stimme hat und es keine Landeslisten gibt. Und bei den Beliebtheitswerten ist Kretschmann mit seiner knorrigen Art ungeschlagen. Mittlerweile ist Eisenmann zwar bekannter, aber nicht beliebter geworden. Nur 11 Prozent wünschen sich Eisenmann als Regierungschefin, 70 Prozent hätten gern Kretschmann weiter am Ruder. Selbst unter den CDU-Anhängern wollen nur 29 Prozent Eisenmann.

Für die CDU sei das kein Thema, bügelt Eisenmann die lästigen Fragen nach den Umfragen ab. Aber es rumpelt hinter den Kulissen der Südwest-CDU. Verzweiflung und Ratlosigkeit machen sich breit. Abgeordnete fürchten um ihre Ämter. Man sei im freien Fall und die Frage sei, wann der Boden komme, sagt ein Parteistratege. Wenn die CDU wirklich nur 25 Prozent erreiche, müsse Eisenmann zurücktreten.

Für die 56-Jährige steht viel auf dem Spiel - zumal sie sich als Landtagskandidatin in ihrem Stuttgarter Wahlbezirk mit Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) einen weiteren Gegner ausgesucht hat, der nur hart zu knacken ist.

Eisenmann bringe sich bereits in Stellung, heißt es, um nach einer Niederlage Vize-Regierungschefin zu werden. „Eine Kämpferin wie Eisenmann wird alles tun, um zu überleben“, sagt einer aus der Partei. Sie sei ein „ausgesprochen harter Brocken“. Aber weniger als 26 Prozent wäre schlicht ein „Armageddon“ für den Landesverband. Dann würden sich weder Eisenmann noch Strobl noch Generalsekretär Manuel Hagel, der die Kampagne verantwortet, halten können.

Zwei realistische Optionen für die CDU

Viel hängt von der Frage ab, ob die CDU in der Regierung bleibt. Es gibt nur zwei realistische Optionen bei den Umfragewerten: Eine Fortsetzung von Grün-Schwarz oder ein Ampel-Bündnis mit SPD und FDP. Die Christdemokraten im Ländle fürchten die Aussicht auf weitere fünf Jahre in der Opposition wie der Teufel das Weihwasser. In der Parteiführung wird dieses Szenario als Katastrophe bezeichnet. Nicht nur weil die Südwest-CDU sich als Regierungspartei definiert und eine weitere Verzwergung fürchtet. Nein, man säße dann direkt neben der AfD im Landtag und müsste mit den Rechtspopulisten im Kampf um Aufmerksamkeit um die Wette krakeelen.

Deshalb gibt sich die CDU redlich Mühe, die Grünen zu umgarnen. Die Koalition sei „ein sehr gutes Modell für Baden-Württemberg“, schwärmte CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart erst am Freitag im Landtag. Die Landesregierung habe eine „kraftvolle Agenda der Erneuerung für dieses Land“ gehabt und wolle diese auch in Zukunft. Eisenmann lobte die vergangenen Tage immer wieder ihr Verhältnis zum Ministerpräsidenten, begeisterte sich für seinen „großen Weitblick“.

Der hält es sich bisweilen offen, ob er erneut mit den Schwarzen will oder doch eine Ampel. Sozialdemokraten und Liberale scharren jedenfalls als potenzielle Juniorpartner schon mit den Füßen. Bei den Christdemokraten verweist man gern darauf, dass Bürger Beständigkeit wollen und keine Experimente. 49 Prozent der Baden-Württemberger fänden eine Fortsetzung der grün-schwarzen Koalition laut Forschungsgruppe Wahlen gut, aber nur 28 Prozent ein Ampel-Bündnis.

Eisenmann blockt Fragen nach Koalitionsspielchen weiter ab. Von einer Niederlage der CDU will sie nichts wissen. „Es gibt keinen Plan B“, beteuert sie. „Die Bürger werden schon wissen, wen sie wählen.“