Die Umweltexperten Jochen Lehmann und Christoph Müller (von links), beide von der Ingenieurgesellschaft Wald + Corbe, sowie Jessica Jakubik und Michael Schöffler, beide vom Planungsbüro Schöffler, standen Rede und Antwort. Foto: Glaser

Zahlreiche Bürger des Wohngebiets Kullenmühle und anderer Teile der Stadt Bad Herrenalb haben sich am Dienstagabend im Kurhaus versammelt.

Bad Herrenalb - Die Stadtverwaltung hatte eingeladen. Thema war die Weiterentwicklung des Bebauungsplans Kullenmühle. In diesem Wohngebiet im Norden der Kurstadt will man die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, um verdichtet bauen zu können.

"Die bestehenden Baufenster sind weitgehend ausgeschöpft. Deshalb haben wir diesen Plan angefasst und ins Rennen geschickt", sagte Michael Schöffler, Inhaber des beauftragten Planungsbüros Schöffler in Karlsruhe. Das "Rennen" wollte man mit einem beschleunigten Verfahren gewinnen. Das scheiterte, weil ein solches Vorgehen nur erlaubt ist, wenn erhebliche Umweltauswirkungen ausgeschlossen werden können. Christoph Müller, Fachbereichsleiter für Umweltbelange in der Ingenieurgesellschaft Wald + Corbe, konnte eben das nicht ausschließen.

Regelverfahren anwenden

Er sprach von Veränderungen im Landschaftsbild, in den Lebensräumen für Tiere und Pflanzen, bei der Grundwasserneubildung, beim Klima bis hin zu Veränderungen im Überschwemmungsgebiet der Alb. Das zwingt jetzt die Stadtverwaltung, das Regelverfahren anzuwenden. Ein solches verlangt mehr Planungsaufwand und möglicherweise Ausgleichsmaßnahmen für den Umweltschutz. Beides kostet mehr Geld. Bevor der Gemeinderat darüber am 16. Dezember entscheidet, sollten die Bürger informiert werden.

Jessica Jakubik, Mitarbeiterin des Planungsbüros Schöffler, erläuterte, wer bisher Einwände gegen den veränderten Bebauungsplan hatte.

Die Liste war lang. Auf ihr standen das Regierungspräsidium, die Forstbehörde, das Landratsamt, die Naturschutzorganisation BUND und mehr als 20 betroffene Bürger. Oft hatten sie mehr als einen Einwand gegen den Plan.

Gegen das Geld

Mehrfach wurde die zusätzliche Verkehrsbelastung angeführt, die schon jetzt, zum Beispiel im Klötzweg, hoch sei. "Unser Vorschlag ist so, dass die Nachverdichtung auf der bestehenden Infrastruktur basiert", räumte Michael Schöffler ein und schob nach: "Straßenverbreiterungen sind schwer realisierbar."

Bei der Bürgerversammlung wurde deutlich, dass der geplante Bau neuer Stichstraßen zur Erschließung von Bereichen in zweiter Reihe abgelehnt wird. Ein Bürger trug vor, dass in seinem Garten ein Wendehammer geplant sei. Dem werde er nicht zustimmen. Eine Bürgerin, in deren Grünflachen ein zusätzlicher Bauplatz entstehen könnte, sagte: "Wir entscheiden uns für die Natur und gegen das Geld." Ihr Beitrag verband zwei wesentliche Aspekte, die das weitere Verfahren entscheiden: Wie wird dem Naturschutz Rechnung getragen? Wie groß ist überhaupt die Bereitschaft, Flächen abzugeben?

In Sachen Naturschutz konnte Jochen Lehmann, Mitarbeiter der Ingenieurgesellschaft Wald + Corbe, erste Einschätzungen vortragen. Für die Schutzflächen Flora-Fauna-Habitat (FFH), von denen zwei kleine Flächen im Planungsgebiet ausgewiesen sind, sieht er keine großen Beeinträchtigungen. Anders beim Artenschutz. Hier müsse man in den FFH- und Biotopflächen genauer hinschauen. Er nannte die verschiedene Tierarten: Zauneidechse, Wiesenknopf-Ameisenbläuling, Goldammer, Star, Turmfalke, Grauschnäpper, Bachneunauge und Groppe. "Wo es schön ist, gibt es auch Tiere", meinte Michael Schöffler kommentierend.

Keine Abstimmung im Saal

Den Aspekt, inwieweit der Zugewinn an Bauland von immerhin drei Hektar von den Grundstückseigentümern mitgetragen wird, wollte Matthias Schulz, stellvertretender Bauamtsleiter, durch Abstimmung im Saal herbeiführen. Nach seiner Aussage hätten Bürger von Kullenmühle das Verfahren angestoßen, weil sie vor Jahren Bauland zur Verfügung stellen wollten. Dann ruderte Schultz zurück. Man wolle nicht nur das Stimmungsbild im Saal, sondern möglichst aller betroffenen Grundstückseigentümer.

Auf Vorschlag eines Bürgers werde man nun alle Betroffenen anschreiben und fragen, ob sie Flächen verkaufen wollen. "Das können wir machen", sagte Bürgermeister Klaus Hoffmann, auch wenn man auf die Antworten warten müsse und der Gemeinderat vielleicht erst im Januar oder Februar entscheiden könne, ob man die Weiterentwicklung des Bebauungsplans Kullenmühle weiterverfolgen oder fallenlassen werde. Auf Eis legen, bis der derzeit laufende Stadtentwicklungsprozess abgeschlossen sei, lehnte der Bürgermeister ab.

Info: "Wir freuen uns sehr"

Uta Rothfuss, Sprecherin der Bürgerinitiative (BI) "Waldrodung am Kirchenweg verhindern", teilte am Mittwochmorgen mit: Seit dem Vorbringen des Anliegens von mehr als 1000 Bad Herrenalbern am 13. August 2021 gegenüber dem Bauamt Bad Herrenalb sowie seit dem persönlichen Termin mit Bürgermeister Klaus Hoffmann in September/2022 gleichen Inhalts, habe die BI keine Informationen mehr erhalten.

Bei der Veranstaltung am Dienstagabend sei nun mitgeteilt worden, dass – zusammengefasst – aufgrund mannigfacher Bedenken seitens unter anderem des Landratsamts Calw die Waldumwandlung "und die damit einhergehende Waldrodung entlang des Kirchenwegs nicht weiterverfolgt würde".

Auch sei bei den weitergehenden Prüfungen festgestellt worden, dass ein beschleunigtes Verfahren nach 13a Baugesetzbuch für dieses Planverfahren insgesamt unzulässig sei.

Ihr Fazit lautet folgendermaßen: "Wir freuen uns sehr, dass die planungsrechtlichen Prüfungen im Nachgang an die Offenlegung des Bebauungsplanentwurfs nunmehr zu dem Ergebnis führten, dass der anvisierte Eingriff in die Natur (direkt an ein FFH-Schutzgebiet angrenzend) entbehrlich ist."