Winfried Kretschmanns Grüne sind laut der Umfrage immer noch stärkste Kraft im Land, sie verlieren aber an Zustimmung. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Nach der Bundestagswahl ist vor der Landtagswahl – einer aktuellen Umfrage nach büßen die Regierungsparteien Grüne und CDU in Baden-Württemberg herbe an Prozentpunkten ein.

Stuttgart - Es ist ein Ansehensverlust im Rekordtempo. Nur sieben Monate nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg haben Grüne und CDU nach einer Umfrage drastisch an Zustimmung verloren. Eine große Rolle dabei dürfte der Ausgang der Bundestagswahl gespielt haben. Denn: Die lange gebeutelte Südwest-SPD zieht es im Sog von Wahlsieger Olaf Scholz richtig nach oben. Auch die FDP ist Nutznießer.

Die Grünen mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (73) bleiben zwar mit 24 Prozent auf Rang eins, büßen aber sage und schreibe 8,6 Prozentpunkte im Vergleich zu ihrem historischen Top-Ergebnis bei der Wahl im März ein. Das ist das Ergebnis einer Insa-Umfrage im Auftrag der „Bild“-Zeitung (Mittwoch). Die CDU, Juniorpartner in der grün-schwarzen Koalition, rutscht demnach weiter ab und landet mit 20 Prozent (minus 4 Punkte) nur noch auf Platz drei.

SPD legt auch in Baden-Württemberg zu

Die SPD, die bei der Bundestagswahl Ende September triumphieren konnte, verbessert sich auch bei der Umfrage für Baden-Württemberg deutlich. Sie kann ihr Resultat auf 21 Prozent fast verdoppeln (plus 10 Punkte) und zieht an der CDU vorbei auf Rang zwei. Die FDP gewinnt ebenfalls deutlich hinzu und schafft demnach 16 Prozent (plus 5,5). Die AfD verliert leicht und kommt auf 9 Prozent.

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Für die Grünen ist die Umfrage der nächste Schuss vor den Bug. Denn schon das Ergebnis der Bundestagswahl im Land empfanden viele führende Politiker als wenig schmeichelhaft. Mit 17,8 Prozent landeten sie nur auf Platz drei hinter der stark geschwächten CDU und der wieder erstarkten SPD. Noch dazu ist die FDP den Grünen auf den Fersen. All das hat die Ökopartei schon ziemlich genervt.

Grüne Gretchenfrage: Wie weiter, wenn Kretschmann mal weg ist?

Die Folge waren hitzige Diskussionen, zuletzt bei der Fraktionssitzung kurz nach der Wahl. Die Lücke zwischen dem Ergebnis bei der Landtagswahl (32,6 Prozent) und dem bei der Bundestagswahl (17,8 Prozent) zeige, auf welch’ dünnem Eis die Grünen im Südwesten unterwegs seien, war die einhellige Meinung. Kretschmann selbst forderte die Seinen nach Angaben von Teilnehmern auf, dringend darüber nachzudenken, wie man den grünen Erfolg im Südwesten langfristig absichern könne - auch wenn er dann mal weg sei.

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Es gehe auch darum, aus der Bundestagswahl Lehren zu ziehen, war man sich einig. Der berühmte Elefant im Raum war die Frage: Inwieweit kann man die Lage der Union nach dem Rückzug von Angela Merkel mit der Situation der Grünen im Land vergleichen, die spätestens 2026 auf ihren übermächtigen Vormann Kretschmann verzichten müssen. Erlebt die Ökopartei dann auch einen Absturz?

Das Rennen um die Nachfolge Kretschmanns sei in der Sitzung noch nicht eröffnet worden, beteuern mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer übereinstimmend. Dafür sei Kretschmanns Abschied noch zu lange hin. Trotzdem sei klar, dass die denkbaren Aspiranten, Fraktionschef Andreas Schwarz und Finanzminister Danyal Bayaz, nun noch genauer beobachtet würden, ob sie sich in Stellung bringen.

Strobl als „Ameise“ im Wald der CDU

Beim Koalitionspartner CDU sind nach den historischen Pleiten im Land wie im Bund sowieso Aufräumarbeiten angesagt. In gut einem Monat wird bei der Landes-CDU ein neuer Vorstand gewählt. Ob sich Landeschef Thomas Strobl im Amt halten kann? Der 61-Jährige hat seine Partei in die Koalition mit den Grünen gerettet und somit eine Ampel im Land mit verhindert. Wie es im Moment aussieht, gelingt es CDU/CSU im Bund eher nicht, eine Ampel im Bund zu verhindern.

Dass Strobl in der K-Frage ein Laschet-Unterstützer war, haben ihm aber viele in der Partei übel genommen. Am Dienstag sagte Strobl, Bundesvize und Innenminister im Land, ungerührt: „Ich bin wie eine Ameise, ich schaffe Ordnung im Wald, im Bund und im Land.“ Bisher hat sich noch kein Konkurrent aus dem Gebüsch gewagt, der ihm den Landesvorsitz streitig machen will.

Wasser auf die Mühlen der Roten und der Gelben

Im Getümmel um die Bundestagswahl herum gerät fast in Vergessenheit, dass Grün-Schwarz ja auch schon seit fünf Monaten zugange ist. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke deutet die Umfrage denn auch so: „Den Bürgerinnen und Bürgern ist klar geworden, dass die aktuelle Koalition nicht für einen Aufbruch, sondern nur für ein überkommenes Weiter-So steht.“ Er erinnert daran, dass sich die Regierung zum Start ein weiteres Ministerium und neue Staatssekretäre sowie weitere Milliarden-Schulden genehmigt habe. „Grüne und Union erhalten nun die Quittung für ihr unseriöses Verhalten.“

SPD-Vormann Andreas Stoch freut sich darüber, dass eine Ampel rechnerisch auch im Südwesten an Zustimmung gewinnt. „Eine Fortschrittskoalition aus SPD, Grüne und FDP hat seit der Landtagswahl deutlich an Zustimmung gewonnen.“ Er sieht die Umfrage als Auftrag, in der Opposition anzupacken. Denn derzeit ist nicht absehbar, dass die grün-schwarze Wunschkoalition von Kretschmann wackelt. Auch wenn es für Grün-Schwarz im Land nicht leichter werden dürfte, wenn im Bund die Ampel blinkt.