Matthias Müller, neuer Vorstandsvorsitzender, ist 1953 geboren. Seit 2010 arbeitet er bei Porsche. Müller folgt auf Winterkorn an der Spitze des Volkswagen-Konzerns. Foto: Porsche

Porsche beteuert, bei Abgaswerten nicht getrickst zu haben. Trotzdem ist die VW-Tochter am stärksten vom Skandal betroffen. Fast der gesamte Vorstand ist im Umbruch.

Stuttgart - Fast scheint es so, als müssten die Porsche-Manager die aus den Fugen geratene Konzernwelt in Wolfsburg retten. Die Stuttgarter Sportwagen-Tochter behauptet steif und fest, bei Abgaswerten nicht getrickst zu haben. Die fraglichen Motoren setzt Porsche gar nicht ein. Trotzdem spürt das Unternehmen die Folgen des Abgas-Skandals bei Volkswagen – das Personalkarussell dreht sich wie seit Jahren nicht mehr.

So hat der bisherige Porsche-Chef die undankbare Aufgabe, an der Spitze des Volkswagen-Konzerns Schadensbegrenzung zu betreiben. Auto-Experte Willi Diez von der Hochschule Nürtingen-Geislingen ist zuversichtlich, dass der 62-Jährige, der Porsche in den vergangenen Jahren von einem Absatz-Rekord zum nächsten führte, dafür der richtige Mann ist. „Er hat das richtige Verhältnis zwischen Distanz zum Abgas-Skandal und Nähe zum Konzern“, sagt Diez. Jetzt komme es darauf ein, intern mit Härte nach den Schuldigen zu suchen und gleichzeitig die restlichen fast 600 000 Mitarbeiter mitzunehmen, die sich keinerlei Verfehlungen vorwerfen lassen müssten. Dass der Konzern insgesamt in seinen Grundfesten erschüttert wird, glaubt Diez dagegen nicht – und zieht eine Parallele zum ADAC-Skandal. „Die Empörung war riesig, doch inzwischen ist die Zahl der Mitglieder höher als je zuvor.“

Weg ist bei Porsche seit dem Wochenende auch der Marketing- und Vertriebschef Bernhard Maier. Er wird neuer Vorstandschef von Skoda und folgt auf Winfried Vahland, der im neu aufgestellten Wolfsburger Konzern in Zukunft die Geschäfte in Nordamerika leiten soll. Mit Maier übernehme ein „Vollblut-Automann“ den Posten bei Skoda, heißt in einer Mitteilung von Volkswagen. Hinter vorgehaltener Hand ist aber auch davon die Rede, dass der 55-Jährige womöglich nicht unter einem deutlich jüngeren Vorstandschef dienen wollte.

Entwicklungschef Wolfgang Hatz ist beurlaubt

Den Chefposten bei Porsche soll wie berichtet Oliver Blume (47) übernehmen. Er leitet bisher die Produktion und hat dabei etwa den Anlauf des neuen Geländewagens Macan in Leipzig gemeistert. Der bisherige Personalchef und stellvertretende Vorstandschef Thomas Edig (55) wechselt wie Müller zum Konzern nach Wolfsburg. Er wird Vorstand für Personal bei der Marke Volkswagen Nutzfahrzeuge. Auf ihn folgt Andreas Haffner, der aus der Konzernzentrale nach Stuttgart kommt. Dies ist die einzige Personal-Entscheidung, die bereits vor dem Abgas-Skandal getroffen war und daher auch nichts damit zu tun hat.

Und dann ist da ja noch Entwicklungschef Wolfgang Hatz. Er ist offenbar momentan beurlaubt und hat sein Schicksal noch selbst in der Hand. Sollte ihm der Nachweis gelingen, dass er in seiner Zeit im Volkswagen-Konzern nichts mit der Entwicklung des Schummel-Motors zu tun hatte, könnte er seinen Kopf vielleicht nochmals aus der Schlinge ziehen. Doch die Wahrscheinlichkeit dafür dürfte eher gering sein.Von sieben Vorstandsposten sind also nur noch drei mit bekannten Gesichtern besetzt. Neben Blume sind dies der Finanzchef Lutz Meschke und der Verantwortliche für die Beschaffung, Uwe-Karsten Städter.

Was aussieht wie die größte Zäsur seit der gescheiterten Übernahme und dem Weggang von Wendelin Wiedeking im Jahr 2009, geschieht in Wahrheit doch unter ganz anderen Vorzeichen. Damals steckte Porsche in einer tiefen Krise, heute dagegen befindet sich das Unternehmen auf einem nachhaltigen Erfolgskurs.

Auto-Experte Willi Diez hält die Folgen des Personalwechsels für überschaubar

Die Absatzzahlen erreichen nie da gewesene Höhen, die Mitarbeiterzahl nähert sich der Marke von 25 000 – das sind doppelt so viele wie noch vor acht Jahren. Weichenstellungen wie Standortsicherungen oder Neuordnung der Produktion sind abgearbeitet. Auf der IAA hat Porsche soeben das Elektroauto Mission E vorgestellt, das nach dem Wunsch von Betriebsratschef Uwe Hück in Zuffenhausen gebaut werden soll. Auch hier bedarf es im Prinzip nur noch einer Entscheidung.

Auto-Experte Willi Diez hält daher die Folgen des Personalwechsels für überschaubar. „Porsche kommt gerade wieder in ruhigeres Fahrwasser“, sagt er. Die Wachstumsraten würden in den nächsten Jahren etwas abflachen, prophezeit er. Außerdem sei das Unternehmen eine so starke Arbeitgebermarke, dass der Aderlass zu verkraften sei. „Man hat auch in der zweiten und dritten Managerebene gute Leute, die diese Aufgaben übernehmen können.“

Bei Porsche will man sich mit den Personalien in einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung beschäftigen, die spätestens bis Ende der Woche über die Bühne gehen soll. „Ziel ist es natürlich, so viele Posten wie möglich schon zu besetzen“, sagte ein Sprecher unserer Zeitung. Ob dies gelinge, könne aber noch nicht gesagt werden. Immerhin scheint die Besetzung des Chefpostens mit Oliver Blume eine sichere Sache zu sein. Es sei denn, er wird noch zur Rettung der aus den Fugen geratenen Konzernwelt in Wolfsburg benötigt.

Hintergrund: Ermittlungen gegen Winterkorn eingeleitet

Der Neue will schonungslose Aufklärung und maximale Transparenz. Und Volkswagen-Chef Matthias Müller bleibt auch kaum etwas anderes übrig, denn inzwischen ist der Abgas-Skandal ein Fall für die deutsche Justiz. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig teilte am Montag in dürren Sätzen mit, dass sie ein Ermittlungsverfahren gegen Ex-Konzernchef Martin Winterkorn eingeleitet habe. Noch werde zwar geprüft, ob es einen Anfangsverdacht gegen den Manager gebe, doch die Botschaft ist klar. Das Verfahren soll klären, wer die Manipulationen angeordnet hat und aus welchem Grund. Dabei ist das ganze Ausmaß der Affäre noch immer nicht absehbar. Nach wie vor gibt es mehr Fragen als Antworten. Doch schon diese Woche könnte sich das ändern.

Am Mittwoch kommt eine Woche nach der ersten Krisensitzung erneut das Präsidium des VW-Aufsichtsrats zusammen. Dabei soll nach internen Ermittlungen ein erster Zwischenbericht vorgelegt werden, wie am Montag aus Konzernkreisen verlautete. Und dieser Bericht scheint es in sich zu haben. Demnach fiel die Entscheidung zum Einbau der Manipulations-Software in Diesel-Fahrzeugen bereits in den Jahren 2005 und 2006, und zwar in der Motorenentwicklung in der VW-Zentrale in Wolfsburg. Mit Hilfe der Software hatte VW Abgaswerte in US-Dieselfahrzeugen manipuliert. Doch wer traf damals die Entscheidungen? Welche Motive dafür gab es?

An der Spitze des Konzerns stand damals Bernd Pischetsrieder als Konzernchef, und der heutige Daimler-Manager Wolfgang Bernhard leitete die Kernmarke VW. Klar ist: VW wollte angesichts von Problemen auf dem US-Markt mit Dieselfahrzeugen punkten. Die Vorgabe sei gewesen, diese Autos trotz der schärferen Abgaswerte kostendeckend anzubieten, hieß es in den Konzernkreisen. Die Einhaltung der Grenzwerte, zumindest auf dem Prüfstand, sei aber nur mit Hilfe der Manipulations-Software möglich gewesen. VW habe darauf verzichtet, eine bestimmte Technologie zur Abgasreinigung in die Autos einzubauen, weil dies als zu teuer angesehen worden sei, wie es hieß.

Für diesen Zwischenbericht der internen Revision dürften sich auch die Ermittler der Braunschweiger Staatsanwaltschaft interessieren. Die prüft die Rolle Winterkorns und will Antworten: Welche Rolle spielte der Topmann im Diesel-Drama?

Für Winterkorn geht es letztlich auch um eine mögliche millionenschwere Abfindung. Sollte es den Ermittlern gelingen, dem einst bestbezahlten Manager eines deutschen Dax-Unternehmens Vorsatz nachzuweisen, stünde für ihn noch mehr auf dem Spiel. Denn keine Manager-Haftpflicht käme in einem derartigen Fall für die Schadenersatzansprüche auf. (dpa)