Das deutsche Heer – hier Soldaten des Kommandos Spezialkräfte während einer Übung – soll zum Rückgrat europäischer Landstreitkräfte in der Nato werden. Ob und wann die Bundesregierung dieses Ziel weiter verfolgt, ist derzeit offen. Foto: dpa

Die Bundeswehr soll in Nato und EU eine zentrale Rolle spielen. Dazu hat sich Deutschland verpflichtet. Doch der Weg dahin wird erst mal holprig.

Berlin - Die Anpassung der deutschen Streitkräfte an die sicherheitspolitischen Vorgaben der Bundesregierung und an die Verpflichtungen gegenüber Nato und EU kommt auf lange Zeit nicht weiter voran. Im Juni sind im Bundestag die vorläufig letzten Entscheidungen zu diesem Thema gefallen. Der Wahlkampf, die Bildung einer neuen Regierung, die Beratung und Verabschiedung des Haushalts 2018 und die ausstehenden Detailbeschlüsse des neuen Bundestags über große Rüstungsprojekte erzwingen eine Reformpause. Nach Einschätzung von Experten im Verteidigungsministerium wird sie bis weit ins Frühjahr währen, unter Umständen sogar bis nach der parlamentarischen Sommerpause 2018.

Unter dem Eindruck russischer Landnahme

Die schwarz-rote Regierung machte nach den Nato-Gipfeln von Wales 2014 und Warschau 2016 vor allem die Vorgaben des Bündnisses für die Streitkräfteplanung zur Grundlage für Neuausrichtung und Modernisierung der Bundeswehr. Diese Vorgaben zielen unter dem Eindruck der russischen Landnahme auf der Krim 2014 auf Abschreckung und deutlich gesteigerte Fähigkeiten, das Bündnisgebiet mit nicht atomaren Waffen zu verteidigen. Auf derselben Linie liegen die sicherheitspolitischen Beschlüsse des deutsch-französischen Ministerrats vom vergangenen Juli, die Europas Rolle in der Nato stärken und der EU zu militärischer Handlungsfähigkeit verhelfen sollen.

Im Kern geht es um zweierlei: Erstens sollen speziell die großen Verbände des Heeres voll ausgestattet und so verstärkt werden, dass sie auch geschlossen für die Landes- und Bündnisverteidigung eingesetzt werden können. Davon sind sie spätestens seit den Sparwellen während der Amtszeit von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg weit entfernt. Zweitens soll Deutschland als sogenannte Rahmennation mit Frankreich und Großbritannien das Rückgrat der Verteidigung Europas bilden und der Nato einen starken europäischen Pfeiler verschaffen.

In der Praxis bedeutet dies, dass kleinere europäische Nationen wie die Niederlande, Rumänien oder Tschechien größere Verbände ihrer Streitkräfte mit Blick auf Ausbildung, Ausrüstung und Einsatzgrundsätze schon im Friedensbetrieb stark in die Bundeswehr integrieren.

Noch herrscht im Bundestag weitgehend Einigkeit

Über dieses Konzept herrscht in großen Teilen des Bundestags Einigkeit. Noch. Allein die Linke macht dagegen Front. In vielen ihrer Wahlkampf-Äußerungen geht auch die AfD auf weite Distanz zu diesem Konzept. Schließlich liefe dieses auf eine deutsche Mitfinanzierung ausländischer Streitkräfte hinaus, die im Verteidigungsfall allerdings reibungslos mit den deutschen zusammen wirken und diese erheblich verstärken könnten. Genau da soll der sicherheitspolitische Mehrwert entstehen.

Dass es bereits seit Juni kaum mehr vorangeht mit dieser Bundeswerreform, liegt nicht zuletzt am Wahlkampf. In dem spielt dieses Thema für die Union kaum eine Rolle, obwohl es sicherheitspolitisch wie finanziell um große Beträge geht. Immerhin sollen bis 2030 insgesamt rund 130 Milliarden Euro in die Ausstattung der Bundeswehr investiert werden. Während SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz diese Marschroute im Gespräch mit unserer Zeitung und der Stuttgarter Zeitung am 17. Juli infrage gestellt hat, schreiben Fraktionschef Thomas Oppermann und der verteidigungspolitische Sprecher Rainer Arnold in ihren „Leitgedanken einer sozialdemokratischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ vom 9. August: „Es steht außer Frage, dass die Bundeswehr (...) mehr Geld bekommen muss.“ Auch die Nato solle „in Anbetracht der internationalen Bedrohungen“ gut ausgestattet werden.

Der Haushaltsausschuss muss nochmals ran

Ob, wie und wann es mit der Reform der Bundeswehr weitergeht auf dem 2014 eingeschlagenen Weg, wird sich also mit den Mehrheitsverhältnissen nach der Bundestagswahl entscheiden. Verzögern sich Regierungsbildung oder neuer Haushalt, bleibt auch der Umbau der Armee mehr oder weniger auf Eis. Außerdem muss der Haushaltsausschuss, verabschiedeter Haushalt hin oder her, über alle großen Rüstungsprojekte im Volumen von jeweils mehr als 25 Millionen Euro nochmals einzeln abstimmen. So will es eine 1982 eingeführte Sonderregelung im Haushaltsrecht, die es so nur für den Verteidigungsetat gibt.

Um eine Größenordnung zu nennen: Schwarz-Rot wollte in der auslaufenden Legislaturperiode 72 solcher Projekte in Aufträge an die Industrie umsetzen oder zumindest ins Parlament einbringen. Für rund 30 solcher Projekte steht das noch aus.