Die Schulen erwarten nach den Sommerferien mehr ukrainische Schüler als bisher. Foto: Michael

Als im März die ersten ukrainischen Flüchtlinge nach Albstadt kamen, galt noch der Grundsatz: Sie dürfen die Schule besuchen, aber sie müssen noch nicht. Inzwischen hat sich einiges geändert.

Albstadt - Die entscheidende Veränderung hat sich dadurch ergeben, dass ukrainische Flüchtlingsfamilien Hartz IV beantragen können: Mit diesem Recht geht für den, der es erhält, eine Pflicht einher, nämlich die, Kinder im schulpflichtigen Alter zur Schule zu schicken: Wer den entsprechenden Antrag stellt, muss zugleich nachweisen, dass er sein Kind an einer Schule angemeldet hat; das Prinzip "Kann, muss aber nicht!" gilt in dieser Situation nicht mehr.

Anders liegt der Fall, wenn ukrainische Eltern ihr Recht, Hartz IV zu beziehen, nicht in Anspruch nehmen, etwa, weil sie auf baldige Heimkehr hoffen. Dann bleibt es dabei: Ein halbes Jahr lang, gerechnet vom Tag der Anmeldung bei deutschen Behörden, besteht keine Schulpflicht; erst mit Beginn des siebten Monats wird der Schulbesuch verbindlich.

Zwischen den Bildungssystemen

Wobei es auch hier Ausnahmeregelungen gibt: Von den älteren Flüchtlingskindern waren einige kurz vor einer wichtigen schulischen Abschlussprüfung gestanden, als ihre Familie sich zur Flucht entschloss; ihnen wurde das Recht zugestanden, statt einer deutschen Schule weiter ihre ukrainische zu besuchen – online, sofern möglich.

Die Modalitäten dieser Ausnahmeregelungen sind nach wie vor in der Schwebe; die Verhandlungen zwischen den deutschen und den ukrainischen Kultusbehörden dauern an. Sicherlich auch deshalb, weil die Interessen nicht identisch sind: Die deutsche Seite ist an einer raschen und reibungslosen Integration der Kinder und Jugendlichen interessiert; die Ukraine will ihre jungen Bürger nicht an ein anderes Land verlieren.

In dieser Situation haben sich möglicherweise einige von ihnen im schulischen Niemandsland eingerichtet – nicht zuletzt, weil in der Ukraine schon seit längerem Sommerferien sind.

An die 160 Anmeldungen

Die beginnen jetzt auch hier. Wenn sie im September zu Ende sind, werden mit großer Sicherheit die meisten ukrainischen Kinder und Jugendlichen in Albstadt unter die Schulpflicht fallen. Momentan liegen Albstadts geschäftsführender Schulleiterin Bärbel Göttling-Lebherz, der Rektorin der Ebinger Schalksburgschule, an die 160 Anmeldungen vor; die Zahl der Kinder, die faktisch in Vorbereitungsklassen beschult werden, ist allerdings nicht so hoch.

Laut Liane Schneider, der stellvertretenden Schulamtsdirektorin, gibt es momentan vier Vorbereitungsklassen an der Ebinger Hohenbergschule, jeweils zwei an der Onstmettinger Schillerschule und an der Ebinger Kirchgrabenschule, je eine an der Schalksburgschule und an der Tailfinger Lutherschule. Hinzu kommt eine Sprachförderungsgruppe auf Langenwand, und es soll eine Vorbereitungsklasse am Progymnasium Tailfingen entstehen. Für die liegen bereits zahlreiche Anmeldungen vor; gymnasiale Schulbildung und die Perspektive Abitur ist für Ukrainer nicht weniger attraktiv als für Einheimische.

Wichtig: Die ukrainischen Kinder sind in den Vorbereitungsklassen im Regelfall nicht unter sich, sondern erhalten gemeinsam mit Altersgenossen aus anderen Ländern, Kulturen und Sprachräumen Unterricht.

Der Klassenteiler einer Vorbereitungsklasse beträgt 24; in den meisten dieser Klassen gibt es derzeit noch offene Kapazitäten, die genutzt werden könnten, falls nach den Sommerferien merklich mehr ukrainische Kinder als bisher – die sogenannte "Delta-Fraktion" – zum Unterricht erscheinen sollten.

Deutschkenntnisse sind Grundvoraussetzung

Und wenn diese Kapazitäten nicht ausreichen? Dann müssten neue Klassen geschaffen und zusätzliche Lehrkräfte eingestellt werden. Das Geld dafür ist laut Schulamtsleiter Gernot Schultheiß da; das Land hat 44 Millionen Euro bereit gestellt, und einen Pool potenzieller Lehrkräfte gibt es auch – unter den Flüchtlingen befinden sich auch Lehrer und vor allem Lehrerinnen. Allerdings sind die Voraussetzungen und Mindeststandards, die diese Lehrkräfte erfüllen müssen, mittlerweile höher als noch im März. Die Kinder sollen Deutsch lernen, und so werden Deutschkenntnisse des Kompetenzbereichs C verlangt. Ukrainische Nachweise früherer Lehrtätigkeit sind gern gesehen; notfalls tut es aber auch eine Selbsterklärung. Von deutschen Muttersprachlern wiederum werden gewisse pädagogische Qualifikationen erwartet – mit 14 einmal Nachhilfeunterricht erteilt zu haben, genügt nicht.

Es muss aber auch kein Lehramtsstudium sein; Erzieherinnen oder Sozialarbeiter sind willkommen.

Indes rechnet man im Schulamt offenbar nicht damit, dass im September eine ukrainische Bugwelle über die Schulen hereinbricht. Gernot Schultheiß wirkt gelassen: Die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge, die dauerhaft in der Region bleiben wollten, werde wohl überschaubar bleiben – die meisten ziehe es offensichtlich die Ballungszentren.