Täglich kommen zahlreiche Menschen aus der Ukraine auch nach Baden-Württemberg. Doch die Verteilung ist nicht ganz einfach. Foto: dpa/Stefan Puchner

Aus der Politik gab es zuletzt immer wieder Kritik an der Verteilung von Menschen aus der Ukraine. Doch hinter so manchem Argument könnte auch Parteipolitik stecken, mahnen Beobachter.

Mehr als 8400 ukrainische Geflüchtete sind seit Beginn des Krieges in Baden-Württemberg registriert worden. Tatsächlich dürften noch deutlich mehr ins Land gekommen sein, viele sind privat untergekommen. Auch die Verteilung der Menschen zwischen Bund und Ländern hat zwischenzeitlich begonnen – und Anlass gegeben für Kritik.

Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) hatte zu Wochenbeginn kritisiert, dass teilweise weit mehr Menschen angekündigt worden seien, als dann tatsächlich mit Bussen an den Aufnahmestellen ankamen. „Es geht um ein Mindestmaß an Planungsmöglichkeit“, hatte Gentges gesagt – und eine verbesserte Kommunikation durch den Bund und dessen Koordinierungsstelle gefordert. Die SPD im Landtag hatte auf Verteilungsgerechtigkeit im Land gepocht.

Menschen können sich frei bewegen

Immerhin: „Erste Ansätze der Besserung sind tatsächlich erkennbar“, heißt es nun aus dem Landesjustizministerium. Man habe aus den Regierungspräsidien die Rückmeldung erhalten, dass die Kommunikation aus den Bussen besser laufe.

Seán McGinley vom Flüchtlingsrat Baden-Württemberg ist ohnehin der Meinung, dass man eine etwas erschwerte Planbarkeit und organisatorische Probleme in Kauf nehmen müsse: „Die Menschen aus der Ukraine können hinkommen, wo sie wollen – das macht das Ganze natürlich organisatorisch schwieriger“, sagt er. Wer aus der Ukraine nach Deutschland kommt, kann hier bis zu 90 Jahre lang visumsfrei bleiben. Ukrainische Geflüchtete sind auch nicht dazu verpflichtet, in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes, der Kreise oder Kommunen unterzukommen. Viele sind daher bei Bekannten oder Verwandten untergebracht – oder privat.

Großes Engagement der Zivilgesellschaft

„Es ist gut, dass man da den Wünschen der Menschen entgegenkommt“, findet McGinley. Die Alternative wäre, dabei mehr Zwang auszuüben, so der Experte – dann sei alles besser planbar. Der Experte sieht die wechselseitige Kritik politischer Akteure und Akteurinnen daher skeptisch: „Mich würden Gegenvorschläge interessieren.“

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Auch bei der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl findet man es gut, dass Geflüchtete dorthin reisen könnten, wo sie Verwandte und Bekannte haben. Vieles laufe bei der Verteilung und Aufnahme aus ihrer Sicht gut, sagt Andrea Kothen, Referentin bei Pro Asyl. „Natürlich gibt es hier und da mal behördliches Missmanagement, aber dass es bisher große Probleme gibt, kann ich nicht sagen.“ Insgesamt habe man durchaus den Eindruck, dass die Behörden besser aufgestellt seien als 2015. Positiv sei auch das große Engagement der Zivilgesellschaft. „Das zeigt, dass es da seit 2015 keine Abschreckung gab“, findet Andrea Kothen.

Wohnraum als längerfristiges Problem

Bedenken hatte es auch hinsichtlich einer ungleichen Verteilung innerhalb des Landes gegeben. In vielen Kreisen im Südwesten sind bisher wenn überhaupt erst wenige Menschen angekommen. Laut Landesjustizministerium werden die Geflüchteten nach einer Quote entsprechend der Einwohnerzahlen auf die Zielkreise verteilt – mit Rücksicht etwa auf familiäre Bindungen. Bei der Verteilung würden die aktuellen Lagen in den Großstädten berücksichtigt, heißt es. Insbesondere in Stuttgart sind bereits viele Geflüchtete untergebracht. „Eine Zuteilung in diese Städte erfolgt derzeit nicht“.

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Vor allem auf längere Sicht ist das Thema Wohnraum aus Sicht des Flüchtlingsrats ein zentrales Problem – wenn auch nicht erst seit heute. „Da hätte man viel früher etwas unternehmen müssen“, findet Seán McGinley. Auch die Ausländerbehörden seien aus seiner Sicht personell teils schlecht aufgestellt. „Diese Themen dürfen nicht wieder wie 2015 auf die lange Bank geschoben werden mit dem Argument, man könne nicht von heute auf Morgen Tausende Wohnungen neu schaffen“, so McGinley. Er hält es für eine Frage der Zeit, bis das Land wieder vor Situationen wie der jetzigen stehe.