Die Flüchtlinge sind müde, aber auch erleichtert. Foto: Eyckeler

Nach rund 30 Stunden Fahrt ist es geschafft: Das Reiseunternehmen Hauser bringt knapp 50 Flüchtlinge von der rumänisch-ukrainischen Grenze nach Deutschland.

Sighetu Marmatiei/Rottweil - Schaut man im Internet nach der Route vom rumänischen Sighetu Marmatiei nach Rottweil, so wird die 1400 Kilometer lange Strecke mit einer Fahrtzeit von gut 13 Stunden angegeben. Der Flüchtlingstransport vom Rottweiler Busunternehmer Hauser Reisen war letztlich rund 30 Stunden unterwegs.

 

In der Nacht auf Freitag setzt sich der Bus mit knapp 50 Flüchtlingen von der ukrainisch-rumänischen Grenze in Bewegung. Die Menschen sind müde, aber erleichtert über ihre Rettung. Es dauert nur wenige Minuten, dann fallen so gut wie alle Passagiere in einen Tiefschlaf. Endlich, werden sie denken, sind sie im Warmen und können einmal durchatmen.

Keine Unterstützung seitens der deutschen Botschaft

Der erste Tiefschlag folgt aber nur wenige Stunden nach Beginn der Reise – an der ungarischen Grenze. Mit einigen Pässen soll etwas nicht stimmen. Nach einer Stunde gehe es weiter, wird von den Grenzern versprochen. Alle Pässe, auch die des Rottweiler Teams, werden eingezogen. Unterstützung von der deutschen Botschaft in Budapest: Fehlanzeige. Uns sagt man lediglich, dass wir doch auf EU- und somit auf sicherem Boden seien. Nach etwa sieben Stunden reißt der Geduldsfaden. Die ukrainischen Bürger dürfen nicht aussteigen, die Stimmung im Bus kippt. Kinder weinen, die Erwachsenen bekommen Angst. Wir konfrontieren die Grenzpolizei, offenbar mit Erfolg. Die Mischung aus Presseanwesenheit und einer eingetroffenen EU-Delegation zeigt Wirkung. Letztlich erhalten wir unsere Pässe wieder, können weiterfahren.

Vor den Grenzen steigt die Anspannung spürbar an

Die Menschen an Bord klatschen vor Erleichterung. So groß ist die Angst, dass sie das Ziel Deutschland doch nicht erreichen. Jedes Mal steigt die Anspannung vor den weiteren Grenzen spürbar an. Jedes Mal wird das erfolgreiche Passieren bejubelt. Eine Frau schenkt Wodka für ihre Sitznachbarn aus, mit Kaffee, Tee und Sandwiches versorgt das Hauser-Team die Menschen an Bord.

Kommt man mit den Menschen jedoch etwas länger ins Gespräch und fragt nach der Situation in der Ukraine und ihre Flucht an die Grenze, gerät die gute Laune ins Wanken. Der knapp 60-jährigen Frau, die den Wodka ausgeschenkt hat, schießen die Tränen in die Augen, als sie berichtet.

Die Videos zeigen Raketen, die in Wohngebiete einschlagen

Sie komme aus einem kleinen Dorf unweit der Hauptstadt Kiew. Seit drei Tagen hat sie nichts mehr von ihrem Mann gehört, der nicht ausreisen darf. Sie hofft, dass er noch am Leben ist und sie bald etwas von ihm hört. Dann zeigt sie auf ihrem Handy Bilder und Videos, die sie von Bekannten zugeschickt bekommen oder selber gemacht hat.

Die Videos zeigen Raketen, die in Wohngebiete einschlagen. Auf Bildern sind russische Panzer vor Wohnhäusern zu sehen. Die Frauen, sagt sie, werden von den russischen Soldaten in Frieden gelassen – noch. Männer müssen aber aufpassen, sie sollten Wladimir Putins Truppen nicht zu nahe kommen. Ob sie einen Groll auf die russische Bevölkerung habe oder lediglich auf den russischen Präsidenten? Das will sie jetzt hier nicht berichten. Möglicherweise, weil ihre Mutter – sie sitzt ebenfalls im Bus – gebürtig aus Russland kommt. Bei vielen Ukrainern tobt ein innerer Konflikt. Sie können nicht verstehen, dass ihre Nachbarn in die Ukraine kommen und die Macht gewaltsam an sich reißen wollen.

Gegen 1 Uhr erreicht der Reisebus den Münchner Hauptbahnhof

Zurück auf die Straße: Mittlerweile erreicht der Bus die österreich-deutsche Grenze. Fast geschafft, doch auch hier wird die Geduld der Flüchtlinge auf die Probe gestellt. Die Bundespolizei ist freundlich, einer der Beamten spricht ukrainisch, was etwas Vertrauen schafft. Dennoch müssen alle Personen erfasst und registriert werden – das dauert. Mittlerweile ist die Nacht schon wieder hereingebrochen.

Gegen 1 Uhr erreicht der Reisebus den Münchner Hauptbahnhof. Hier steigt die Mehrzahl der Passagiere aus. Ein Teil kann in einer organisierten Bleibe unterkommen, wieder andere warten auf die nächsten Züge Richtung Hamburg, Köln oder Nürnberg. Nach einem weiteren Stopp in Stuttgart, fährt der Reisebus gegen 6 Uhr am Samstagmorgen auf den Betriebshof in Rottweil. Dort soll er an diesem Montag erneut beladen werden. Am Dienstag geht es wieder an die ukrainische Grenze.