Pforzheimer Bürgermeister Alexander Uhlig Foto: dpa

Pforzheims Bürgermeister Uhlig schildert die dramatischen Stunden in 3400 Metern Höhe.

Pforzheim - Erschöpft, aber entspannt. Verstört, aber zuversichtlich. So hat sich Pforzheims Bürgermeister Alexander Uhlig am Donnerstag der Öffentlichkeit präsentiert. Es war sein erster Auftritt nach der Höllentour über den Großvenediger in Tirol.

Sie hätten so gerne Karten gespielt dort oben. Auf 3400 Metern, mitten im Schneesturm. In Extremsituationen wie diesen ist einem manchmal nach Witzen zumute. Galgenhumor wahrscheinlich. Als die vier Schneeschuhwanderer also in ihrer Schneehöhle hockten, aneinandergekauert, nicht wissend, ob sie den nächsten Tag überleben, da sagte einer von ihnen: "Wäre doch schön, wenn wir jetzt Spielkarten hätten."

Alexander Uhlig lächelt milde, als er sich an diese Szene erinnert. "Das war aber auch der einzige Witz, der in diesen drei Tagen gefallen ist." Denn ansonsten redeten die Männer nicht viel. Nur das Nötigste. Um Kräfte zu sparen, wie Klaus Arnold sagt.

Uhlig und Arnold, der eine Bürgermeister in Pforzheim, der andere Hauptamtsleiter auf dem Rathaus in Mönsheim, waren Teil der Gruppe, die am Wochenende von einer Wandertour auf dem Großvenediger in Österreich nicht mehr zurückkamen, in einer selbst gebauten Schneehöhle drei Tage ausharrten und schließlich von einem Hubschrauber gerettet wurden. Nachdem sie in einem Krankenhaus in Tirol behandelt worden waren, kehrten sie am Mittwoch in die Heimat zurück. Uhlig nach Pforzheim. Arnold nach Tiefenbronn im Enzkreis.

Es ist eine Rückkehr auf Raten. Uhlig und Arnold haben versucht, wieder arbeiten zu gehen. Sind am Schreibtisch im Büro gesessen, wie immer an einem Werktag. "Doch ich habe gemerkt, dass ich mir noch Zeit lassen muss", sagt Uhlig. Der Plan hat sich geändert. Am Montag soll's nun wieder losgehen: "Irgendjemand muss die Arbeit ja machen."

Noch eine Nacht hätten wir nicht überlebt

Uhlig klingt, als ob er den Alltag herbeireden wolle. Die kleinen täglichen Rituale, die einstudierten Abläufe, die Routine. Denn darin ist er gut. Das hat ihm auch das Leben gerettet, hoch oben auf dem Großvenediger. "Wir sind bei bestem Kaiserwetter zu unserer Tour gestartet", sagt er. Doch dann, als die vier Männer schon wieder am Abstieg waren, lernten sie den Berg von seiner unangenehmen Seite kennen.

Ein Schneesturm zog auf und begann zu wüten. "Die Sichtverhältnisse trübten sich in Null Komma nix ein", sagt er. Die vier Schneeschuhwanderer waren alle durch ein Seil miteinander verbunden, der Abstand zwischen ihnen betrug jeweils fünf Meter. "Ich habe meinen Vordermann nur noch in Konturen gesehen."

Uhlig sitzt an einem Tisch in der Kletterhalle des Deutschen Alpenvereins in Pforzheim, vor ihm stehen etliche Mikrofone, es ist warm. Der Bürgermeister trägt einen Vlies-Pulli, die Haare hat er an den Seiten zurückgekämmt, er ist braun gebrannt, sieht müde aus. Verständlich. "Wissen Sie, was Sie in so einer Situation machen", fragt er, rhetorisch gemeint, "Sie bleiben einfach stehen."

Das sagt einer, der weiß, was zu tun ist bei Extremsituationen am Berg. Uhlig ist zweiter Vorsitzender des Alpenvereins in Pforzheim, die Tour auf den Großvenediger hat er schon etliche Male gemacht. Und deshalb hob er mit seinen drei Kameraden eine Schneehöhle aus, sie wechselten sich ab mit Schaufeln. Im Innern teilten sie den wenigen Proviant untereinander auf, mit den Deckeln ihrer Flaschen kratzten sie das Eis von den Wänden und ließen es im Mund schmilzen. Genau so, wie es jeder Alpinist lernt.

"Während der Zeit in der Höhle hat jeder seine Gefühle und Emotionen für sich behalten", sagt er, "das war ein stabilisierender Faktor." Denn was wäre gewesen, wenn einer der Männer die Nerven verloren hätte? Wenn er in Panik aus der Höhle gerannt wäre? Grund dazu hatten die vier. 60 Stunden lang zog ein heftiger Schneesturm über den Berg. Doch dann, am frühen Dienstagmorgen, verzogen sich die Wolken, es klarte auf, und der rettende Hubschrauber kam. "Noch eine Nacht hätten wir nicht überlebt", sagt Arnold.