Viele Unternehmen zocken Verbraucher bei vergessenen Rechnungen ab und machen damit ein gutes Geschäft. Foto: dpa

Der Reiseveranstalter Thomas Cook verlangt mehr als erlaubt: Wegen überhöhter Mahngebühren will die Verbraucherzentrale ihn verklagen. Grundsätzlich raten Experten dazu, bei Mahnbescheiden gut hinzuschauen und Gebühren gegebenenfalls zu kürzen.

Stuttgart - Der Sommerurlaub ist gebucht. Doch keine Reise ohne Rechnung, und die kann teuer werden – zumindest für Kunden, die derzeit beim Reiseveranstalter Thomas Cook gebucht und vergessen haben, die Kosten rechtzeitig zu überweisen. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Oktober 2014 heißt es: „Wenn Sie Zahlungen nicht zu den vereinbarten Terminen leisten und wir Sie deshalb mahnen müssen, sind wir berechtigt, eine Mahnkostenpauschale in Höhe von 25 Euro zu erheben, wobei Ihnen der Nachweis, dass keine oder wesentlich geringere Kosten entstanden sind, unbenommen bleibt.“

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Nicht nur die Klausel in den AGB von Thomas Cook stößt Verbraucherschützern sauer auf. Viele Unternehmen kassieren zu hohe Mahngebühren. Das ZDF-Magazin „Wiso“ hat 40 Unternehmen aus den Branchen Versandhandel, Energieversorgung und Telekommunikation sowie Verlage und Reiseveranstalter zur Höhe ihrer Mahngebühren befragt. Ergebnis: Drei Viertel der Unternehmen verlangen zu viel Geld. Zehn der Befragten fordern fünf Euro und mehr. Die höchsten Mahngebühren kassiert Thomas Cook mit 15 Euro für die erste und 25 Euro für die zweite Mahnung.

Bislang finden viele Gerichte, die sich mit der Höhe von Mahnkosten befasst haben, 2,50 Euro angemessen. Es gibt aber auch ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg, wonach 3,39 Euro als erstattungsfähig angesehen werden. Grundsätzlich gilt: Unternehmen dürfen nur die Kosten einer Mahnung vom Verbraucher verlangen, die auch tatsächlich entstanden sind. Dazu gehören die Ausgaben für Papier, Druck und Porto. Allgemeine Personal- und Verwaltungskosten dürfen dagegen nicht berechnet werden.

„Ein Unternehmen muss immer beweisen, dass es höhere Ausgaben als 2,50 Euro hatte“

Die Kosten, die eine Firma wegen eines Mahnschreibens hatte, können beispielsweise höher liegen, wenn der Gläubiger eine Mahnung per Einschreiben verschickt hat. Das kostet mehr Geld als ein Standardbrief. „Ein Unternehmen muss immer beweisen, dass es höhere Ausgaben als 2,50 Euro hatte“, sagt der Stuttgarter Anwalt Alexander Rilling. Ein Unternehmen darf mit den Mahngebühren nichts verdienen. Sie sind nur Schadenersatz.

Weil Thomas Cook sich nicht an die gängige Rechtsprechung hält, will der Verbraucherzentrale-Bundesverband (VZBV) gegen den Reiseveranstalter klagen. Trotz Abmahnung bleibe er bei jener strittigen Klausel. „Wir haben Thomas Cook wegen überhöhter Mahngebühren abgemahnt. Das Unternehmen hat jedoch keine Unterlassungserklärung abgegeben, so dass Klageerhebung geboten ist“, sagt die Juristin Rosemarie Rodden. Ein Anwalt erstellt nun die Klageschrift. Die Verbraucherschützer hoffen, „dass das Gericht die entsprechende Klausel in den von Thomas Cook verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen für unzulässig erklärt und dem Unterlassungsanspruch stattgibt“, so Rodden. Dann dürfte der Reiseveranstalter jene Klausel nicht mehr verwenden und sich auch nicht mehr darauf berufen.

Thomas Cook reagiert unbeeindruckt. „Wir nehmen die Aussage der Verbraucherzentrale zur Kenntnis“, sagt Sprecherin Nina Kreke, die die Mahngebühren so rechtfertigt: „In die Berechnung werden alle Aufwendungen einbezogen, die im unmittelbaren Zusammenhang des Beitreibens der Forderungen entstehen.“ Ob der Reiseveranstalter die Höhe der Mahngebühren überdenkt, bleibt unbeantwortet.

Anwalt Rilling räumt den Verbraucherschützern im Falle eines Prozesses gute Chancen ein. „Vor Gericht muss Thomas Cook erst einmal beweisen, dass seine Aufwendungen wirklich so viel kosten.“

Verbraucher können überzogene Mahngebühren kürzen. Nachzufragen, wie sich die Kosten zusammensetzen, kann dabei helfen. „Man sollte genau prüfen, was als Mahnkosten verlangt wird, und sich gegebenenfalls zur Wehr setzen“, rät Dunja Richter, Juristin bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Wer Mahnkosten kürzt, sollte schriftlich einen Satz zur Begründung hinzufügen. „Zur Begründung können auch entsprechende Urteile herangezogen werden. Sie können aber nur als Argumentationshilfe dienen, da ein Urteil grundsätzlich nur zwischen den Parteien Rechtskraft entfaltet, zwischen denen das Urteil erstritten wurde“, sagt Richter.

Ob es sich lohnt, einen Anwalt einzuschalten, hängt laut der Juristin vom Einzelfall ab. Oft dürften Aufwand und Kosten aber höher liegen als die Erträge. Richter: „Ein Anwalt stellt Gebühren in Rechnung, die den Betrag einer Kürzung der Mahnkosten vermutlich überschreiten wird.“

Was tun, wenn man in Verzug gerät?

In Verzug geraten: Gebühren werden fällig, wenn sich der Verbraucher mit der Bezahlung einer Rechnung verspätet und dem Gläubiger dadurch Kosten entstanden sind. In Verzug gerät man auf verschiedene Weise: zum einen durch eine Mahnung. „Die erste Mahnung ist eine Zahlungsaufforderung ohne Gebühren“, sagt Anwalt Alexander Rilling. Man kann auch in Verzug geraten aufgrund der Vereinbarung eines bestimmten Datums, bis zu dem gezahlt werden soll. Dann braucht es keine Mahnung, das Unternehmen muss also keine extra Zahlungsaufforderung schicken. In Verzug zu geraten ist auch möglich, wenn der Verbraucher binnen 30 Tagen nach Erhalt der Rechnung nicht bezahlt hat. Der Gläubiger muss aber informiert haben, dass Mahngebühren drohen.

Zahlung: Spätestens wenn ein Schuldner in Verzug geraten ist, sollte er zahlen. Zwar schicken Unternehmen für gewöhnlich mehrere Mahnungen, bevor sie einen Anwalt oder ein Inkasso-Büro einschalten. Ab Verzugsbeginn dürfen Gläubiger aber zusätzlich zu den Mahngebühren Zinsen fordern. Die Höhe ist gesetzlich geregelt: Der Verzugszins beträgt für Verbraucher fünf Prozent plus Basiszinssatz. Der aktuelle Wert beträgt 4,17 Prozent, denn der Basiszinssatz ist derzeit negativ (http://basiszinssatz.info/).

Vorsicht: Das Gesetz geht davon aus, dass Zahlungen sofort verlangt werden können, sobald ein Vertrag geschlossen wurde. Daher könnte schon in einer Rechnung mit Zahlungsdatum eine Mahnung zu sehen sein. In der Praxis gerät man durch eine solche Rechnung aber meist nicht in Verzug, können Experten beruhigen. Man kann dann noch die Mahnung abwarten, bis man zahlt, sagt der Stuttgarter Jurist Rilling.

2,50 Euro Mahngebühren finden viele Gerichte bei vergessenen Rechnungen angemessen. Manchmal können die Kosten, die ein Unternehmen wegen eines Mahnschreibens hatte, aber höher liegen. Etwa wenn der Gläubiger eine Mahnung per Einschreiben verschickt hat. Andere Gebühren gelten bei öffentlich-rechtlichen oder staatlichen Stellen. Die Höhe regeln verschiedene Gebührenordnungen, sagt Marc Wennberg, Anwalt für Verwaltungsrecht in Stuttgart. Zwischen fünf und 150 Euro müssen Verbraucher berappen, die eine Rechnung der GEZ oder des Finanzamts verbummelt haben. Legt der Verbraucher binnen vier Wochen keinen Einspruch ein, ist der Gebührenbescheid nicht mehr anfechtbar.

Bis zu 25 Euro Mahngebühren verlangen viele Unternehmen. Spitzenreiter bei einer Umfrage unter 40 Unternehmen ist der Reiseveranstalter Thomas Cook, der für die erste Mahnung 15 und für die zweite 25 Euro kassiert. Zehn der befragten Unternehmen fordern fünf Euro und mehr.

Laut Schätzungen machen Unternehmen mit überzogenen Mahngebühren ordentlich Gewinn: In einem Gerichtsbeschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. Oktober 2014 steht, dass allein Vodafone-Kunden aufgrund überhöhter Mahn- und Rücklastschriftgebühren in wenigen Monaten „ein Schaden von mindestens 8,85 Millionen Euro entstanden“ sei.