Große Narrenumzüge, wie hier in Villingen mit Stachis und einem Butzenesel, wird es trotz der Freigabe durch das Land nicht geben. Aber kleinere Brauchtumsveranstaltungen dürfen stattfinden. Foto: Seeger

Die Narren im Südwesten atmen auf: Unter bestimmten Regelungen dürfen sie ihr Brauchtum auch mit Umzügen feiern. Das hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nun überraschend im Landtag angekündigt, nachdem er bisher einen scharfen Verbotskurs für Umzüge & Co. gefahren hatte. Wir haben die Details.

Oberndorf - "Wir sind erleichtert", sagt Roland Wehrle von der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) gegenüber unserer Redaktion.

Wie sicher ist die Öffnung für die Fastnachtsveranstaltungen?

Ziemlich sicher. Offiziell muss zwar noch das Kabinett am kommenden Dienstag zustimmen. Doch das Versprechen von Kretschmann – selbst ein überzeugter Fasnachter – dürfte gelten. Er hatte am Freitag bekanntgegeben, dass "Veranstaltungen zur Pflege des örtlichen Fasnet-Brauchtums in Absprache mit den zuständigen Behörden unter der 3G-Regel möglich sind". In einer Videoschalte des Sozialministeriums wurden am Freitag die Narrenfunktionäre aus dem Land über Details der neuen Lage informiert.

Was heißt 3G?

Man muss für die Narrenaktionen entweder geimpft, genesen oder getestet sein. Ein offizieller Antigen-Schnelltest reiche dabei aus, sagt Narrenchef Wehrle.

Was ist nun konkret an der Fastnacht erlaubt?

Vor allem Klein- und Kleinstveranstaltungen mit närrischem Brauchtum, die in Dörfern und Städten, wo Fastnacht, Fasnet und Fasent zuhause sind, ausgerichtet werden. Dazu zählen etwa Rathausstürme, Kinderaktionen und kleinere Dorf-Umzüge. Auch Aktionen wie Narrenbaumstellen und am Ende der Fastnacht das Geldbeutel-Waschen könnten erlaubt werden, sagt VSAN-Chef Wehrle.

Wer gibt das vor Ort frei?

Ministerium und Narrenverbände raten dringend zu einer schnellen und engen Absprache mit den lokalen Behörden, den Ordnungsämtern. Diese müssen im Zweifelsfall entscheiden, was konkret zugelassen werde. Der Städte- und Gemeindetag wolle übers Wochenende seine Kommunen informieren, was die jüngsten Beschlusslagen für derlei Veranstaltungen problemlos hergeben, weiß Wehrle. Damit wolle man die Kommunen dazu bewegen, möglichst viel möglich zu machen.

Was ist mit den vielen großen Umzügen?

Die wird es dieses Jahr wohl eher nicht geben, weil sich die Umzugsstrecke nicht komplett kontrollieren lässt. Anselm Säger, Zunftmeister der Historischen Narrozunft Villingen: "Jetzt ist es zu spät." Die Zünfte hätten drei oder vier Wochen Vorlauf für die Organisation gebraucht. Insbesondere deshalb, weil beispielsweise in der Villinger Innenstadt die 3G-Regel nur schwer kontrolliert werden könne. Dass die Stadt hierfür abgesperrt werden müsste, sei Neuland für die Narren. Den Umgang mit den Coronaregeln nennt Sänger dann auch "einen Eiertanz".

Thomas Fischer, Präsident des Närrischen Freundschaftsrings Neckar-Gäu, berichtet: "Wir haben unseren Zünften schon vorher gesagt: Macht alles das, was geht. Große Umzüge werden sich wohl in der Kürze der Zeit nicht mehr organisieren lassen, ausschließen würde ich es aber nicht. Ich kenne meine Narren." Zum plötzlichen Sinneswandel sagt der Mann aus dem Waldachtal: "Die ganze Corona-Zeit war ein Hin und Her."

Aber Rottweil organisiert doch einen Narrensprung?

Ja, die Rottweiler Narren haben sich früh mit der Stadt abgestimmt und einen umzäunten Veranstaltungsraum organisiert, in dem der Zutritt vor dem Schwarzen Tor kontrolliert werden kann. 4500 Zuschauer mit Ticket und 2G-plus dürfen zusehen, wenn 1000 Narren durch das historische Tor springen. "Die Rottweiler haben das clever gemacht", lobt Wehrle.

Muss man als Besucher Maske tragen?

Ja, dieses Jahr tragen Narren und Gäste Masken. Hästräger mit fester Larve brauchen keine Schutzmaske drüber- oder drunterziehen. Zuschauer sind verpflichtet, welche zu tragen.

Ist Schnurren erlaubt?

Ja, das Schnurren oder Aufsagen, also das Ziehen durch die örtlichen Kneipen mit Musik und Sprüchen, ist gestattet. In der Gastronomie gilt ja jetzt schon 3G, was nun auch für die närrischen Aktionen Vorgabe ist.

Muss man dann vor jeder neuen Wirtschaft Impfstatus und Ausweis zeigen?

Ja. Es sei denn, die Organisatoren vor Ort machen es so, wie teils der Einzelhandel: Besucher einmal kontrollieren und ihnen ein Bändchen ausgeben, dass dann in allen beteiligten Lokalitäten gilt und ein ständiges Ausweiszeigen überflüssig macht. Manche Narrenzünfte seien schon darauf vorbereitet.

Was ist mit Narrendiskos?

Sind wieder erlaubt, so wie andere Clubs und Diskotheken auch wieder unter 3G öffnen dürfen. Besucher müssen allerdings auch beim Tanzen Maske tragen.

Dürfen kleinere Narrengruppen durch die Straßen ziehen?

Wohl schon. Sie sollten sich aber an die 3G-Vorgaben halten. Voriges Jahr hatte es teils massiven Unmut gegeben, weil die Polizeidirektion Konstanz scharf angewiesen hatte, dass sich kein Narr auf der Straße blicken lassen dürfe. Das dürfte es heuer an der Fastnacht nicht geben.

Was rät die Narrenvereinigung ihren Zünften?

"Jetzt ist Fantasie gefragt!", meint VSAN-Funktionär. Wehrle. Narren sollten kreativ sein und "an die Grenzen des Erlaubten gehen, wie sie das immer tun". Allerdings sollten sie dabei „vernünftig bleiben“, um das heimische Brauchtum nicht in Verruf zu bringen und zu schädigen. Insgesamt zeigt sich der Präsident der VSAN zufrieden damit, dass sich das Land in quasi letzter Minute doch noch bewegt habe.