Pilz-Mycel-Netzwerke, die kreis- und kreuzförmig angeordnete Holzklötze verbinden. Foto: © Yu Fukasawa et al.

Pilze haben zwar kein Gehirn, zeigen aber Anzeichen von einfacher Intelligenz. So erkennen sie Muster und Anordnung von Nahrungsquellen in ihrer Umgebung und richten ihre Mycel-Fäden danach aus, wie Forscher herausgefunden haben.

Pilze haben für das Leben auf der Erde eine derart große Bedeutung, dass dieses ohne sie so nicht existieren könnte. Um zu verstehen, wie wichtig diese wandelbaren Wesen sind, muss man tief in die Evolutionsgeschichte eintauchen. Pilze sind wahre Überlebenskünstler, die selbst unter extremsten klimatischen Bedingungen überleben können.

 

Überlebenskünstler und gigantische Lebensformen

Als Eukaryoten kommen sie als Einzeller (wie die Backhefe) und als Mehrzeller (wie Champignons) vor. Eukaryoten bilden eine von drei großen Organismen-Gruppen – neben Bakterien und Archaebakterien, den sogenannten Prokaryoten, Lebewesen ohne Zellkern –, die sich im Verlauf der Evolutionsgeschichte entwickelt haben.

Die äußerlich eher unscheinbaren Pilze sind eine wahrhaft gigantische Lebensformen: So kann ein gerade mal vier mal vier Zentimeter großer Brocken Waldboden Hyphen von zwei Kilometern Länge und mehr enthalten. Ein einzelner Bovist zum Beispiel – ein schmackhafter Speisepilz – kann mehrere Billionen Sporen ausstoßen, die kilometerweit in die Höhe fliegen.

Pilz-Mycel: Riesiges Netzwerk aus unterirdischen Fäden

Wenn man die filigranen Fruchtkörper samt Hut und Stil vorsichtig ablöst, hält man nur den winzigen oberirdischen Teil des Pilzes in der Hand. Der eigentliche Organismus, der Vegetationskörper, liegt verborgen im Erdreich, im Holz eines Baumes oder in einem anderen Substrat, in dem der Pilz siedelt.

Von dem eigentlichen Pilz, wie bei diesem Fliegenpilz, sieht man nur den winzigen oberirdischen Teil des Organismus. Foto: Imago/Dreamstime

Pilze wachsen, indem sie Sporen freisetzen, die dann keimen und unter der Erde lange, spinnenartige Fäden bilden. Dieses Mycel kann zu einem riesigen Netzwerk aus Pilzfäden heranwachsen, über das Informationen in Form elektrischer Signale ausgetauscht werden – ähnlich wie die neuronalen Verbindungen in unserem Gehirn.

Pilz-Mycel. Foto: Imago/Dreamstime

Zur Info: Das Mycel ist die Gesamtheit aller Hyphen – also der fadenartigen Vegetationsorgane von Pilzen oder Pilzfäden – eines Pilzes. Die einzelnen Hyphen sind meistens mit bloßem Auge nicht zu erkennen, sondern nur mikroskopisch.

Pilz-Mycel. Foto: Imago/Zoonar

Haben Pilze eine Intelligenz?

Doch verarbeiten Pilze diese Informationen auch so, dass sie daraus Schlüsse ziehen und auf Veränderungen reagieren können? Haben Pilze also eine Art von eine Intelligenz?

Diesen Fragen ist ein Team um Yu Fukasawa von der Universität Tohoku in der japanischen Stadt Osaki anhand eines holzabbauenden Pilzes nachgegangen: Phanerochaete velutina. Ihre Studie ist im Fachmagazin „Fungal Ecology“ erschienen.

Phanerochaete velutina

Dieser Pilz ernährt sich von totem Holz am Waldboden. Er merkt sich dabei, wo sich wie viel Holz befindet, und lernt daraus, wie frühere Studien bereits zeigten. In ihrer aktuellen Studie untersuchten die Biologen in zwei verschiedenen Situationen, wie dieser Pilz seine Mycel-Fäden bildet und ob er sie auch an einer Nahrungsquelle ausrichtet.

Phanerochaete velutina. Foto: Ecology of Commanster/CC BY-SA 3.0

Fukasawa und seine Kollegen platzierten dafür je neun kleine pilzbewachsene Würfel aus Buchenholz in einem Kreis- oder einem Kreuzmuster auf einem Erdboden. Über 116 Tage hinweg beobachteten sie dann das Pilz-Wachstum. Anfangs erweiterte der Pilz sein Mycel-Netzwerk noch gleichmäßig, später aber richtete er es gezielt nach den Holzwürfeln aus.

Die Studie zeigt, wie sich die Pilz-Mycel-Netzwerke mit der Zeit ausbreiten und dabei die Holzklötze verbinden. Foto: © Yu Fukasawa et al.

Pilz breitet Mycel strategisch aus

Bei der kreuzförmigen Anordnung der Würfel bildete der Pilz dabei stärkere Verbindungen zwischen den äußersten vier Klötzen. Diese vorgeschobenen Posten waren so besser vernetzt als die inneren Klötze. Zugleich baute der Pilz dort das Holz stärker ab als an den inneren Posten, wie das Team berichtet.

In der Kreisform waren hingegen alle Würfel gleichermaßen gut in das Mycel-Netzwerk eingebunden. Insgesamt waren die Klötze allerdings stärker vernetzt und das Holz wesentlich mehr bewachsen als in der Kreuzform. Erstaunlicherweise bildete der Pilz keinerlei Fäden im Kreisinneren zwischen den Holzklötzen.

Pilzfäden in einer Petrischale. Foto: Imago/Dreamstime

Nahrungssuche durch Erkundung unerforschter Bereiche

Die Forscher schließen daraus, sich der Pilz mithilfe dieser Vermehrung nach Nahrung sucht. Dabei bildet er immer dichtere Informationsnetzwerke in Richtung der unerforschten und unbesiedelten Umgebung seiner Außenposten. Die bereits dichter besiedelten Innenbereiche seines Netzwerks erkundet der Pilz nicht weiter, weil er sich von dort keinen Nahrungsvorteil mehr verspricht, schlussfolgern die Forscher.

„Diese Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass das Pilz-Myzel anhand seiner Holzzersetzungsaktivität die Unterschiede in der räumlichen Anordnung von Holzblöcken ‚erkennen‘ kann“, schreibt das Forscherteam. Das deute darauf hin, dass das Pilz-Mycel in der Lage war, Informationen über seine Umgebung über sein Netzwerk zu kommunizieren und seine Wachstumsrichtung entsprechend zu ändern.

Pilzhyphengeflecht auf Totholz mit Tautropfen. Foto: Imago/Zoonar

Grundlegende kognitive Fähigkeiten = Intelligenz

Das Fazit der Untersuchungen ist erstaunlich: Der Pilz verarbeitet aktiv Informationen, trifft Entscheidungen und richtet sein Mycel-Netzwerk strategisch zu seiner Umgebung aus. Dies sei ein Zeichen für basale (grundlegende) kognitive Fähigkeiten und damit für Intelligenz, konstatieren die Wissenschaftler.

Nicht nur Tiere mit Gehirnen sind demnach intelligent, sondern auch Lebewesen wie Pilze, die anstatt statt eines zentralen Nervensystems über eine andere Art an neuronalen Netzwerken verfügen.

„Es ist erstaunlich, zu wie viel Pilze fähig sind“, resümiert Fukasawa. „Pilze haben Erinnerungen, sie lernen und sie können Entscheidungen treffen.“ Ob das Mycel ein Bewusstsein habe oder nicht, sei in diesem Zusammenhang unwichtig, erklären die Forscher. Denn auch kognitive Prozesse laufen im Gehirn unabhängig vom Bewusstsein ab.