Zwei Flugzeuge stoßen am 1. Juli 2002 über dem Bodensee zusammen. 71 Menschen sterben, darunter Dutzende Kinder aus Russland. 20 Jahre später sind zum Gedenken kaum Hinterbliebene von dort angereist - wegen des Kriegs in der Ukraine.
Mit einer Schweigeminute und einer Kranzniederlegung hat die Stadt Überlingen am Freitag der 71 Opfer der Flugzeugkollision am 1. Juli 2002 gedacht. Hinterbliebene der russischen Opfer des Unglücks waren dazu nur vereinzelt angereist - wegen eingeschränkter und teurer Flugverbindungen in Folge des Ukraine-Kriegs sowie erst kurzfristig erteilter Visa.
„Wir bedauern zutiefst, dass es die politischen Rahmenbedingungen nicht zulassen, dass wir mit mehr Hinterbliebenen gedenken“, sagte der Überlinger Oberbürgermeister Jan Zeitler bei der Veranstaltung in der Nähe des Unglücksorts. „Unsere Gedanken sind bei ihnen.“
Die ersten Pässe mit den nötigen Visa seien erst am Donnerstag zugestellt worden, sagte die Vorsitzende des Vereins „Brücke nach Ufa“, Nadja Wintermeyer, im Vorfeld. Manche der Angehörigen, zu denen der Verein seit dem Unglück Kontakt hält, kamen erst eine Viertelstunde vor Beginn des Gedenkens in Überlingen an.
Nahe Überlingen waren am 1. Juli 2002 kurz vor Mitternacht eine russische Passagiermaschine und ein DHL-Flugzeug zusammengestoßen und abgestürzt. Dabei kamen alle 71 Insassen ums Leben, darunter Dutzende Kinder. Die Tupolew war auf dem Weg nach Spanien, wo die Kinder Urlaub machen wollten. Auch die zwei Piloten des Frachtflugzeugs kamen ums Leben.
2004 erstach einer der Hinterbliebenen einen Fluglotsen
Das Unglück ging der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung zufolge auf technische Mängel und menschliche Fehler bei der Schweizer Flugsicherung Skyguide zurück. 2004 erstach einer der Hinterbliebenen, der bei dem Absturz Frau und Kinder verloren hatte, einen Fluglotsen, der am Abend des Unglücks alleine im Kontrollzentrum saß und die nahende Kollision zu spät bemerkte.
Das Land Baden-Württemberg habe direkt nach dem Unglück versucht, den Hinterbliebenen zur Seite zu stehen, sagte Justiz-Staatssekretär Siegfried Lorek beim Gedenken am Freitag. „Das gilt auch heute, 20 Jahre später.“
Gleichzeitig verurteilte er den Angriffskrieg in der Ukraine deutlich und benannte den russischen Präsidenten Wladimir Putin als Verursacher. „Lasst uns in Europa alles dafür tun, damit nicht noch mehr Väter und Mütter um ihre Kinder trauern müssen“, sagte der CDU-Politiker. „Europa hat genug Krieg und Verwüstung gesehen.“
Lorek betonte aber auch, durch die Begegnungen der Menschen aus Überlingen und der russischen Stadt Ufa sei „eine Brücke der Freundschaft vom Bodensee zur Wolga gebaut“ worden. In den Bemühungen um ein Aufrechterhalten der Beziehungen solle der Verein „Brücke nach Ufa“ nicht nachlassen, appellierte Lorek, „gerade in diesen Wochen“.
Stellvertretend für die russischen Angehörigen sprach bei der Gedenkveranstaltung Taras Kostenko, der bei dem Unglück seine Schwester verloren hatte - und wegen des Krieges aus Charkiw in der Ostukraine an den Bodensee geflohen war. „Sie sind diejenigen, die unsere Schmerzen mit uns geteilt haben“, sagte Kostenko. „Wir werden ihnen immer dankbar sein und wir verneigen uns vor ihnen.“