Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts! Foto: Imago/Imagebroker

Am 31. März ist Ostern: Da darf der Hase nicht fehlen. Er ist eine besondere zoologische und symbolträchtige Gattung. Gilt Meister Lampe doch als Symbol der Fruchtbarkeit, des Glücks und der Auferstehung. Doch wieso bringt „Lepus europaeus“ zu Ostern bunte Eier? Und was unterscheidet den Nestflüchter Hase vom Nesthocker Kaninchen?

Zwei Teenies kuscheln verliebt im Gras. Plötzlich raschelt es im Gebüsch und ein Hase steht vor ihnen. Der trällert wie in „Alice im Wunderland“ vor sich hin: „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts! Ist hier was geschehen? Ich hab nichts gesehen! Nur Gras und Klee und im Winter viel Schnee.“

„Mein Name ist Hase“

Der Schlager – jugendfrei und porentief rein wie ein frisch gewaschenes Bettlaken –, gesungen vom damaligen Mädchenschwarm Chris Roberts (in den 1970ern einer der erfolgreichsten deutschen Schlagersänger) erschien im Jahr 1971. Vom rosafarbenen Single-Cover lächelt der Strahlemann mit der mächtigen Föhnwellen-Mähne beseelt auf seine Fans herunter.

„Lepus europaeus“

Feldhase und Kaninchen gehören beide zur Ordnung der Hasenartigen. Foto: Imago/Blickwinkel

Der Feldhase ist anders als Chris Roberts Schlager-Karikatur nahelegt, eines der faszinierendsten Geschöpfe der heimischen Tierwelt. Der deutsche Naturforscher und Geograf Peter Simon Pallas (1741-1811) gab ihm in seiner „Naturgeschichte merkwürdiger Thiere“ aus dem Jahr 1778 seinen wissenschaftlichen Namen - „Lepus europaeus“.

Wer ist dieser „Lepus europaeus“? Was macht ihn so besonders? Und warum bringt er zu Ostern bemalte Eier? Doch zuerst zur zoologischen Einordnung: Feldhase und Kaninchen gehören beide zur Ordnung der Hasenartigen (Lagomorpha), die sich wiederum in die Familien der Pfeifhasen (Ochotonidae) und Hasen (Leporidae) mit zusammen 70 bis 80 Arten aufteilen.

Was unterscheidet Hase und Kaninchen?

Obwohl Hase und Kanichen große Übereinstimmungen aufweisen, gibt es doch gravierende Unterschiede:

Weder Hase noch Kaninchen sind Nagetiere. Foto: Imago/Imagebroker
  • Beim Hasen fällt die systemische Einordnung leichter als beim Kaninchen, bei dem es sich nicht um eine systematische Gruppe handelt. Neben dem Wild- und Hauskaninchen existieren andere nicht nahe verwandte Arten – wie den Schwarzlippigen Pfeifhasen aus Tibet, den Rötlichen Pfeifhase aus Turkmenistan oder den Amerikanischen Pfeifhasen aus Kanada.
  • Weder Hasen noch Kaninchen sind Nagetiere (die mit 2300 Arten mehr als 40 Prozent aller Säugetierspezies die artenreichste Ordnung dieser Gruppe darstellen). Auch wenn sie früher fälschlicherweise diesen zugeordnet wurden und Ähnlichkeiten (wie übergroße Schneidezähne) mit Meerschweinchen oder Hamstern haben.
Kaninchen entfernen sich selten mehr als 500 Meter von ihrem Bau, während Hasen Fluchttiere sind. Foto: Imago/Imagebroker
  • Hauskaninchen stammen vom Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) ab und gehören wie Hasen zur Ordnung der Hasenartigen (Lagomorpha), sind aber eine ganz andere zoologische Gattung. Die Unterschiede sind nicht unerheblich:
  • Feldhasen (50 bis 76 Zentimeter Körperlänge, 2,5 bis 6,5 Kilogramm schwer) sind deutlich größer als Wildkaninchen (bis 40 Zentimeter; Gewicht: 1,1 bis 2,5 Kilogramm). Zuchtkaninchen wie der Deutsche Riese können sogar bis zu 11,8 Kilogramm auf die Waage bringen.
  • Hasen leben als Einzelgänger, bewohnen flache Mulden (Sassen) in lichten Wäldern, im Gebüsch oder auf Äckern. Kaninchen bevorzugen Kolonien, die weitverzweigte Tunnelsysteme graben.
  • Kaninchen entfernen sich selten mehr als 500 Meter von ihrem Bau, während Hasen Fluchttiere sind, die sich bei Gefahr regungslos an den Boden drücken, um im letzten Moment mit bis 70 Kilometern pro Stunde uneinholbar los zu sprinten und dabei wilde Haken zu schlagen.
  • Hasen haben lange Ohren (Löffel), Karnickel-Lauscher dagegen sind wesentlich kleiner.

Fortpflanzungsfreudige Langohren

Hasen und Kaninchen habe beide nur kurze Tragzeiten. Foto: Imago/Zoonar
  • Beide Arten sind extrem fortpflanzungsfreudig. Hasenweibchen bekommen drei- bis vier-mal zwischen Januar und Oktober nach einer Tragzeit von 42 Tagen ein bis sechs Jungen. Ähnlich Kaninchen-Damen, nur das bei ihnen die Tragzeit circa 30 Tage beträgt.
  • Die Redensart „sich wie die Karnickel vermehren“ verweist auf die Tatsache, dass die meisten Jungen sterben und Greif- und Rabenvögeln sowie Raubtieren wie Fuchs oder Marder zum Opfer fallen und die Population nur durch schiere Masse überlebt.
  • Anders als Kaninchen können Hasen doppelt befruchtet werden. Diese sogenannte Superfötation ist ein im Tierreich äußerst selten vorkommender genialer Trick der Evolution. Da die Tragzeit des Feldhasen relativ lange dauert, kann die Häsin wieder trächtig werden, noch während sie einen Wurf im Bauch trägt.

Nesthocker und Nestflüchter

Hasen sind Nestflüchter . . .  Foto: Imago/Imagebroker
. . . Kaninchen sind Nesthocker. Foto: Imago/Blickwinkel
  • Kaninchen-Kids werden als Nesthocker mit geschlossenen Augen und nackt geboren, die nur im geschützten Bau überleben können.
  • Hasen-Kinder hingegen sind Nestflüchter. Sie werden behaart und sehend geboren. Sie verbringen den Tag über regungslos, mit angelegten Ohren in der Sasse. Die Häsin kehrt erst in der Abenddämmerung zu ihrem Nachwuchs zurück, um sie mit besonders fetthaltiger Milch zu säugen. Ansonsten hält sie sich vom Wurf fern, um keine Prädatoren – dass heißt Fressfeinde – anzulocken.
  • Anders als Kaninchen können Hasen nicht in engen, vergitterten Käfigen gezüchtet werden, weshalb auch der Name „Stallhase“ eine „Contradictio in adiecto“ – ein Widerspruch in sich ist.

Hase als Symboltier

Gänseei mit dem Motiv von drei Hasen nach einem Kirchenfenster im Paderborner Dom. Foto: Imago/epd

Der Hase ist ein uraltes Symboltier. In der Antike galt er als Inbegriff der Fruchtbarkeit, Lebenskraft, des Glücks und der sexuellen Begierde. Seine enorme Vermehrungsrate machte ihn zum Jagdtier par excellence, dass nur dank seiner zahlreichen Nachkommenschaft überleben konnte.

Die griechische Liebesgöttin Aphrodite wurde genauso mit einem Hasen dargestellt wie in der christlichen Kunst die Gottesmutter Maria. In der Ikonografie der Ostkirche und bei dem Mailänder Bischof und Kirchenlehrer Ambrosius (339-397) ist der Hase ein Symbol für den auferstandenen Christus, der im Tod Leben gebracht.

Ein im Mittelalter weit verbreitetes Motiv war die Darstellung dreier Hasen in einem Kreis. Ihre sechs Löffel bilden in der Mitte ein gleichseitiges Dreieck aus den drei sichtbaren Ohren. Diese „Drei-Hasen-Bilder“ finden sich etwa in einem Fenster im Kreuzgang des Paderborner Doms und im Dom zu Münster.

Symbol für die Auferstehung Christi

Nach dem Johannes-Evangelium soll Maria Magdalena dem auferstandenen Jesus als Erste begegnet sein. Foto: Imago/UIG

Da Hasen keine Augenlider haben, schlafen sie mit offenen Augen und schieben zum Schlaf die Pupillen nach oben. Schon die frühen Christen erwarteten – entsprechend dieser Allegorik – wachend in der Nacht von Karsamstag zum Sonntag die Auferstehung Christi, die sie „in heiligen Zeichen“ wie dem Osterfeuer und der Osterkerze feierten.

Ein anderer weit verbreiteter Osterbrauch ist das Verstecken von Eiern. Schon für die frühen Christen war das Ei ein Symbol für das Leben. Wie einem toten Gebilde – einer Art verschlossenem Grabmal – aus Calciumcarbonat (kohlensaurem Kalk) ein lebendiges Küken entschlüpfen kann, faszinierte die Menschen seit jeher. Sie gaben den Toten ein Ei mit ins Grab als Sinnbild des Lebens und der Auferstehung.

Theologen sahen im Ei ein Zeichen für die Auferweckung Christi: Er, der tot im Grabe lag, kehrt als Lebender zurück. Der Kirchenlehrer Ephraim der Syrer (306-373) schreibt: „Gleich einem Ei springt das Grab auf.“ Im Mittelalter war rot die vorherrschende Farbe, mit der man Ostereier bepinselte – die Farbe des Blutes Christi und seines Sieges über Satan und den Tod.

Ostereier-Lieferant mit Prokura

Georg Franck von Franckenau. Foto: Imago/piemags

Im volkstümlichen Brauchtum ist der Hase der populärste tierische Eierlieferant, wenn auch nicht der einzige mit Prokura. In der Schweiz übernimmt der Kuckuck den Botendienst, in Westfalen ist es der Osterfuchs Eierlieferant, in Thüringen der Storch und in Böhmen der Hahn.

Doch was hat ausgerechnet der Hase mit Ostereiern zu tun? Seine sprichwörtliche Fruchtbarkeit macht ihn zum Spezialisten fürs Eier-Verstecken. Georg Franck von Franckenau war der Erste, der 1682 in seiner Abhandlung „De Ovis Paschalibus“ („Von Oster-Eyern“) von dem Brauch berichtete, gefärbte Eier im Gras zu verstecken und es Meister Lampe in die Schuhe zu schieben. Der Heidelberger Medizinprofessor nannte dies eine „Fabel, die man Simpeln und Kindern aufbindet“.

Tierkreiszeichen im chinesischen Horoskop

Im traditionellen chinesisch-japanischen Horoskop mit seinen zwölf Tierkreiszeichen („juni shi“) werden Stunden, Tage, Monate und Jahre jeweils einem Tierkreiszeichen zugeordnet. Der Hase symbolisiert das vierte Tierkreiszeichen und steht für Morgen (Tageszeit), den Frühling (Jahreszeit) und den Süden (Himmelsrichtung).

Dürer, Beuys und der Hase

„Junge Feldhase“, ein Aquarell von Albrecht Dürer (1471-1528). Foto: Imago/piemags

Eines der bekanntesten Tierbilder in der abendländischen Kunstgeschichte ist der „Junge Feldhase“, ein Aquarell von Albrecht Dürer (1471-1528).

Doch auch in der Moderne hat Meister Lampe seine Fans. 1965 erklärte der Aktionskünstler Joseph Beuys (1921-1986) in einer Düsseldorfer Galerie dem erstaunten Publikum „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt.“ Für Beuys ist der Hase „das Symbol für die Inkarnation, Denn der Hase macht das ganz real, was der Mensch nur in Gedanken kann. Er gräbt sich ein, er gräbt sich einen Bau. Er inkarniert sich in die Erde, und das allein ist wichtig“.

Info: Der Hase im Märchen

Hase und Igel
Meister Lampe ist eines der beliebtesten Tiergestalten in Märchen und Fabeln. Wer kennt nicht die Wette vom Hasen und dem Igel, dem bekanntesten Hasen-Märchen in der deutschen Literatur. Das volkstümlich überlieferte Märchen wurde erstmals auf Plattdeutsch unter dem Titel „Wettlopen twischen den Haasen un den Swinegel“ von Wilhelm Schröder (1808–1878), einem niederdeutschen Schriftsteller und Zeitungsverleger, bekannt. Nachdem es erstmals 1840 im „Hannoverschen Volksblatt“ erschienen war, griff es das sprachwissenschaftliche und volkskundliche Brüderpaar Jacob Grimm (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859) auf. 1843 nahmen sie das Märchen als Nummer 187 in der 5. Auflage ihrer „Kinder- und Hausmärchen“ (1. Auflage 1812) auf.

„Häsichenbraut“
Ein weiteres bekanntes Hasen-Volksmärchen aus der Grimmschen Anthologie ist „Häsichenbraut“. Es steht in den „Kinder- und Hausmärchen“ ab der zweiten Auflage von 1819 an Nummer 66 und zeichnet sich sprachlich durch mit hochdeutschen Elementen vermischtem Plattdeutsch aus. In der 7. Auflage von 1857 heißen die ersten Zeilen auf Platt: „Et was ene Frou mit ener Toachter in änen schöhnen Goarten mit Koal; dahin kam än Häsichen und froaß zo Wenterszit allen Koal. Da seit de Frou zur Toachter: ‚Gäh in den Goarten und jag’s Häsichen.‘“ -  Übersetzt ins Hochdeutsche: „Es war einmal eine Frau mit ihrer Tochter; die lebten in einem schönen Garten mit Kohl; dahin kam ein Häschen und fraß zur Winterzeit allen Kohl. Da sagte die Frau zur Tochter: ‚Geh in den Garten und jag das Häschen‘“.

„Der Hase und der Fuchs“
Nicht weniger bekannt und beliebt ist das Märchen „Der Hase und der Fuchs“, das der Schriftsteller, Bibliothekar, Archivar und Apotheker Ludwig Bechstein (1801-1860) herausgegeben hat. Es erschien zum ersten Mal als Nummer 23 in dem „Deutschen Märchenbuch“ von 1847, einer Sammlung deutscher Volksmärchen. Die Fabeln „Der Hase mit den Hörnern Fabel“ und „Der Hase und die Frösche“ stammen von Jean de La Fontaine (1621-1695), einem französischen Schriftsteller, der durch seine Fabeln – 1668 unter dem Titel „Fables choisies, mises en vers par M. de La Fontaine“ („Ausgewählte Fabeln, in Versform gebracht von La Fontaine“) berühmt wurde.

„Vom Haserl und Mauserl“
Der Hase ist in der Märchenwelt eines der beliebstetsten Tiere. Beispielhaft seien hier genannt: „Vom klugen Hasen und vom dankbaren Ziegenbock“ (Brasilien), „Das Kaninchen und der Tiger“ (Puerto Rico),„Vom Hasen, der verheiratet gewesen war“ (Norwegen), „Vom Haserl und Mauserl“ (Österreich), „Der Hase und der Wolf“ (Portugal), „Warum der Hase kein Haus hat“ (Schweden), „Der Löwe verlangt die Kühe des Hasen“ (Namibia), „Die gutherzigen kleinen Schneehasen“ (China).