Die Kosten für das neue Landratsamt explodieren geradezu. Foto: Montage: Kieninger

Bei der Vorstellung des Vorentwurfs zum Neubau des Verwaltungsgebäudes sorgte vor allem die erste Kostenschätzung für hitzige Diskussionen: Aktuell wird von Gesamtkosten in Höhe von unglaublichen 82 Millionen Euro ausgegangen.

Prachtbau, Denkmal, eine zweite Elbphilharmonie? All das fiel im Zusammenhang mit dem Bau des neuen Landratsamtes (LRA) angesichts der Kostenentwicklung. Hatte man 2018 noch vage von Kosten in Höhe von rund 36 Millionen Euro gesprochen für Neubau inklusive Parkhaus, so sind jetzt von 82 Millionen Euro die Rede, 66 Millionen davon allein für den Neubau inklusive Rückbau.

1. Woher kommen die hohen Kosten? Die Entwicklung bei den Baukosten – überall, nicht nur beim neuen LRA – sei „dramatisch“, machte Landrat Wolf-Rüdiger Michel in der Sitzung des Kreisausschusses klar. Die Baupreissteigerung von 2018 bis 2023 liege bei 12,6 Millionen Euro, erklärte der Planer vom Büro Drees & Sommer.

Die Planung hatte sich im Laufe der Jahre aber auch weiterentwickelt, etwa durch die Aufnahme der Integrierten Leitstelle (ILS) ins neue Gebäude und eine Erweiterung der Flächen wegen des wachsenden Personals, was zu zusätzlich 8,6 Millionen Euro an Kosten führte, wie es hieß.

Zudem hatte der Ausschuss sich für einen Neubau des Flachbaus (mit zusätzlichen 40 bis 60 Arbeitsplätzen und der ILS) entschieden, was mit zehn Millionen Euro zu Buche schlägt.

Hinzu kämen noch Mehrungen bei den Baunebenkosten (rund 900 000 Euro) und 3,1 Millionen Euro im Risikotopf für mögliche Überraschungen während des Bauablaufs, erklärte der Planer.

Aktuell liegen die Kosten bei geschätzt 66 Millionen Euro. Je nach Baupreissteigerung werden diese bis zur Mitte der Realisierung (2026) zwischen 73 bis 82 Millionen Euro liegen, so die Prognose. 2027 soll das neue Landratsamt in Betrieb genommen werden.

2. Gibt es Einsparpotenzial? Man habe von Anfang an auf eine wirtschaftliche Lösung geachtet, so die Planer, beispielsweise, indem Eingriffe in den Bestand der Tiefgarage vermieden und das Brandschutzkonzept optimiert wurde. Für die Kostenoptimierung habe man nur wenig Spielraum. Verzichtet werden könnte auf das Fontänenfeld vor dem neuen Landratsamt (50 000 Euro plus Strom und Wartung jährlich) und auf Kunst am Bau (200 000 Euro), so die Vorschläge der Verwaltung. Für Letzteres sei später ja immer noch Zeit, wenn man es umsetzen wolle und die Mittel habe, meinte Michel.

3. Wie wird das finanziert? In den Haushaltsplänen habe man bisher rund 56 Millionen Euro abgebildet, so Finanzdezernent Gerald Kramer – rund 35 Millionen Euro per Kreditaufnahme. Bei 82 Millionen Euro Gesamtkosten könnten die zusätzlich benötigten Finanzmittel über eine Erhöhung des Kreditbetrags auf 42 Millionen und eine erhöhte Kreisumlage (zwei Prozentpunkte für vier Haushaltsjahre beispielsweise) erbracht werden, so Kramers Vorschlag. Über die Finanzierung werde man sich aber dann beim Baubeschluss Gedanken machen, so Michel.

4. Wie reagieren die Fraktionen ? „Das ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange“, prognostizierte Thomas Engeser (FWV). „Am Ende landen wir bei 100 Millionen Euro.“ Das könne und wolle man nicht der Öffentlichkeit gegenüber vertreten, sagte er. Man sei schließlich von ganz anderen Zahlen ausgegangen.

„Niemand hat diese ganze Entwicklung vor fünf Jahren vorhergesehen“, meinte Michel bezüglich Corona, Krieg und der damit verbundenen steigenden Baukosten. Dennoch sei er der Meinung, man sollte das Projekt realisieren, allein schon mit Blick auf die Unterhaltungskosten für das bisherige Landratsamt. Dieses sei schon aus energetischer Sicht fragwürdig, und wenn mal ein Aufzug reparaturbedürftig werde, müsse man viel Geld in ein altes Gebäude stecken.

Astronomische Zahlen

Natürlich sei er wie alle von den Zahlen überrascht worden, sagte Rainer Hezel (CDU), aber man habe beschlossen, dass ein neues Landratsamt notwendig sei, also stehe er weiterhin zum Baubeschluss. „Bei den astronomischen Zahlen kriegt man schon einen Schock, aber wir brauchen das“, fand auch Horst Niehues (AfD). Hubert Nowack (Grüne) mahnte sogar zur Eile statt zum Bremsen: „Jeder Monat Verzögerung kostet uns 100 000 Euro. Wir müssen jetzt endlich mal Gas geben.“

Peter Schumacher (FWV) wunderte sich ob des „Achselzuckens“ mancher Gremiumskollegen zur Kostensteigerung. Markus Huber (FWV) war der Meinung, man solle nun fertig planen und dann je nach Marktsituation die Entscheidung zur sofortigen oder späteren Umsetzung treffen. „Wir wollen schließlich keine zweite Elbphilharmonie in Rottweil.“

Das Gremium habe sich darauf geeinigt, das Projekt bis zur Baugenehmigung voranzutreiben, erinnerte Michel. Diese stehe voraussichtlich Mitte 2024 zur Debatte.

5. Welche Alternativen gibt es?

Parkhaus abkoppeln?

Zu Berthold Kammerers (SPD) Idee, das Parkhaus vom Projekt „Neues Landratsamt“ abzukoppeln, erklärte die Kreisverwaltung, das LRA könne baurechtlich erst in Betrieb genommen werden, wenn genügend Parkplätze verfügbar seien.

Über jede Menge „künstliche Empörung“ wunderte sich Christian Ruf (CDU). Man baue erstens anders als anfangs geplant und spüre zweitens die Kostensteigerungen doch im alltäglichen Leben, so dass diese keinen überraschen dürften, fand er.

„Wir sind den Weg schon zu weit gegangen. Wir können nicht zurück“, stellte Hermann Acker (FWV) fest. Die 100 Millionen seien für ihn zwar absolut sicher, aber man werde sehen, was 2024 herauskomme.

Zu lange gezaudert?

Ruth Hunds (SPD) erinnerte daran, dass man schon seit drei Legislaturperioden über das neue LRA spreche. 2024 werde dann ein neu gewähltes Kreistagsgremium entscheiden. Vielleicht brauche man generell einfach zu lange von der Überlegung bis zur Realisierung, merkte sie an. Denn: „Diese Beschlüsse jetzt in der Hochphase der Baupreise fassen zu müssen, tut weh.“

Aus Sicht von Thomas Albrecht (CDU) gibt es nun nur zwei Optionen: Schulden machen und dafür ein neues Gebäude erstellen oder der künftigen Generation eine marode Infrastruktur hinterlassen und kein Geld – „denn ausgeben wird man es eh“, meinte er. Der Ausschuss sprach sich bei einer Enthaltung dafür aus, die Entwurfsplanung fortzuführen.