Eigentlich war Kai Häfner für den Olympiakader der deutschen Handballer gar nicht vorgesehen. Nun ist er doch dabei – in einer Rolle, die schon einmal Erfolg gebracht hat.
Olympia in Paris – das ist eine ziemlich nahbare Angelegenheit. Klar, für die Franzosen sowieso – auch für die Sportler. Wann immer es die Architektur der Sportarenen erlaubt, machen sie sich nach den Spielen und Wettbewerben auf ins Publikum und herzen die Angehörigen. Aber auch bei den Athletinnen und Athleten aus dem Nachbarland ist das sehr oft eine Option. Die Reise nach Paris ist eben kurz. Kai Häfner hat bislang dennoch auf familiäre Unterstützung verzichten müssen. „Dafür war es zu spontan“, sagt der Handballer in der Halle im Südwesten von Paris, „wir konnten nichts im Voraus planen.“
Denn: Dass der Routinier vom TVB Stuttgart bei diesen Sommerspielen noch einmal das Trikot mit dem Bundesadler überstreifen würde, das war bis vor wenigen Tagen gar nicht geplant. Der 35-Jährige hatte es nicht in den Olympia-Kader des Bundestrainers Alfred Gislason geschafft. „Ich hatte das Ding schon abgehakt“, erzählt er. Dann aber sagte Franz Semper ab. Und bei Kai Häfner klingelte das Telefon.
Nun packte er seine Siebensachen („Die Tasche war noch nicht vorbereitet“) und reiste statt ins Trainingslager des TVB Stuttgart nach Österreich zu den Olympischen Spielen nach Paris. „Ich bin lieber hier als dort“, sagt er nun lachend. Schränkt aber auch ein: Es sei nicht immer einfach, in ein bestehendes Team hineinzufinden.
In Häfners Fall hatte aber vor allem der Bundestrainer keinerlei Bedenken. „Kai hat aber fast gar nichts verpasst die letzten vier Jahre bei uns“, sagt Alfred Gislason, „es gibt kaum einen Spieler, der unsere Taktiken besser kennt als Kai.“ Und dass er im Nationaltrikot schnell auf Betriebstemperatur kommen kann, hat er ja schon einmal bewiesen.
Schon einmal als Nachrücker erfolgreich
Vor acht Jahren stand Häfner, damals noch ein Jungspund in der Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB), auch nicht im Kader für die EM. Erst während des Turniers rückte er dann für den verletzten Steffen Weinhold nach – und trug maßgeblich dazu bei, dass die deutsche Mannschaft den Titel holte. Wenig später legte das Team dann mit der Bronzemedaille bei den Spielen von Rio nach.
Eine solche Plakette – davon träumt auch die aktuelle Mannschaft, die nach zwei Siegen am Mittwoch aber bei der Niederlage gegen Kroatien einen ersten Dämpfer kassierte. Ist dennoch Großes möglich? „Auf jeden Fall“, sagt Kai Häfner, der vor der Partie an diesem Freitag (16 Uhr) gegen Spanien rät: „Wir dürfen uns von diesem einen schwächeren Spiel nicht umwerfen lassen.“ Damit noch machbar ist, wovon der Mann aus Schwäbisch Gmünd nun träumt: das „i-Tüpfelchen“. Zum Schluss.
Denn: Unabhängig von der Nachnominierung hat Kai Häfner beschlossen, in Zukunft nicht mehr für das Nationalteam zur Verfügung zu stehen. Die Spiele in Paris werden also der Schlusspunkt in der DHB-Auswahl nach einer fast zehnjährigen Länderspielkarriere mit nun drei Olympiateilnahmen, und diversen Europa- und Weltmeisterschaften.
Im Alter von 35 Jahren klingt das nach einem logischen Schritt, leicht ist es Kai Häfner dennoch nicht gefallen, den Abschied anzukündigen. „So eine Entscheidung trifft man nicht von heute auf morgen“, erklärt er. Viel habe er mit seinen Wegbegleitern und der Familie darüber gesprochen, dann ließ er alles reifen – und war danach sicher, abtreten zu wollen. „Es fühlt sich“, sagt er nun in Paris, „richtig an.“
Die Bundesligakarriere soll noch andauern
Eine „besondere und emotionale Reise“ sei die Zeit in der Nationalmannschaft gewesen, er sei „dankbar“ dafür. Aber: Auf dem Spielfeld will der von dieser Abschiedsstimmung noch nichts zulassen. Schließlich bleibt so eine Zeit am besten in Erinnerung, wenn der letzte Eindruck besonders gut ist. Und genau so soll es nun laufen – ehe er nach Stuttgart zurückkehrt, wo die Bundesligakarriere noch ein bisschen weitergehen soll.
Fast 500 Spiele hat Häfner im deutschen Oberhaus schon bestritten, sein Vertrag beim TVB gilt noch für die kommende Saison. Aber: Er kann sich durchaus vorstellen, auch darüber hinaus im blau-weißen Trikot aufzulaufen. „Ich hoffe, es geht noch weiter, ich würde gerne noch ein bisschen spielen“, sagt Kai Häfner, weiß aber, dass er das nicht alleine entscheiden kann: „Man schauen, was der Jürgen sagt.“
Gemeint ist Jürgen Schweikardt, der Geschäftsführer des TVB Stuttgart. Der sicher ganz genau hinschauen wird, ob Kai Häfner sein i-Tüpfelchen in Paris bekommt.