Am Sonntagabend gibt es im Sommer nur „Tatort“-Wiederholungen – wie „Transit ins Jenseits“ von 1976 mit Marius Müller-Westernhagen (li.) und Götz George. Foto: rbb

In den Sommerwochen schalten ARD und ZDF mit ihrem Programm auf den Sparmodus um. Sehr zum Leidwesen der „Tatort“-Fans. Dafür darf man sich aber auf ein Wiedersehen mit Götz George, Marius Müller-Westernhagen und Terence Hill.

Stuttgart - Bei den Fernsehsendern, hieß es früher, arbeiten im Sommer nur noch zwei Leute: der Pförtner und ein Techniker, der von Zeit die Videokassetten mit den Wiederholungen wechselt. Das entsprach natürlich nicht der Wahrheit; irgendwer musste ja auch noch die Nachrichten vorlesen. Heute würde der Scherz ohnehin nicht mehr stimmen; im Zeitalter der umfassenden Digitalisierung funktioniert das Abspielen der Filme vollautomatisch. Dass die Sommerpause begonnen hat, merkt man aber spätestens am kommenden Sonntagabend: „Tatort“-Fans, die sich auf einen neuen Sonntagskrimi gefreut haben, werden enttäuscht feststellen, dass „Der Himmel ist ein Platz auf Erden“ eine Wiederholung ist. Das Debüt des Ermittlerteams aus Franken stammt aus dem Jahr 2015. Die nächste Premiere wird nach derzeitigem Stand erst am 27. August im Programm zu sehen sein: ein „Tatort“ aus Wien („Virus“).

Immerhin stellen die Sender den Betrieb bis dahin nicht komplett ein. ARD und ZDF zum Beispiel erfreuen in ihren Reihen „Sommerkino“ und „Premierenkino im Ersten“ sowie „Montagskino Fantasy“ mit richtig guten Spielfilmen. Im ZDF gibt es zudem ab dem 18. Juli eine neue Staffel „Shooting Stars“ mit Werken junger deutscher Filmemacher. Bei den Fernsehfilmen jedoch sind Erstausstrahlungen in den nächsten Wochen Mangelware; eine der wenigen Ausnahmen ist „Mordkommission Königswinkel“, mit dem das ZDF am 10. Juli eine neue Krimireihe eröffnet. Ansonsten nutzen die Sender die Sommerzeit, um zu sparen; sie hätten gar nicht das Geld, so die Begründung, um ihre festen Fernsehfilmetermine 52 mal im Jahr mit Erstausstrahlungen zu bestücken. Die Programmplaner betrachten die Wiederholungen zudem als Dienst am Publikum: Wenn ein Fernsehfilm bei der Erstausstrahlung 20 Prozent Marktanteil hatte, ist die Wiederholung für 80 Prozent eine Premiere. Mitunter haben Wiederholungen tatsächlich mehr Zuschauer als die Erstausstrahlung.

Götz George hat auch mal gern den Mörder gespielt

Für die „Tatort“-Klassiker, die die dritten Programme im Sommer gern zeigen, gilt das naturgemäß nicht, schließlich hatten die Filme vor dreißig oder vierzig Jahren regelmäßig Marktanteile von bis zu 50 Prozent. Aber selbst wenn das Wiedersehen etwa mit den alten Kressin- oder Schimanski-Filmen des WDR meistens ein Vergnügen ist: Der Begriff „Archivschätze“ ist mit Vorsicht zu genießen. Bei den 14 „Tatort Classics“, mit denen der RBB die Krimifans ab dem 26. Juni montags um 22.15 Uhr erfreut, ist das Prädikat jedoch wirklich angebracht: Die Filme sind so gut wie neu; zumindest in technischer Hinsicht. Bei der Sichtung der frühen Folgen hatte man zwar festgestellt, dass das Material in Folge vieler Kopiervorgänge nicht mehr sendbar war. Die Restaurierung der Originalbänder beschränkte sich aber auf Farbkorrekturen, Aufhellungen sowie die Beseitigung von grobem Schmutz und Schäden. Neu ist allein die Videotextuntertitelung. Ansonsten sehen die Filme so alt aus, wie sie zum Teil auch sind; die ursprüngliche Ästhetik ist inklusive des alten Bildschirmformats 4:3 erhalten geblieben.

Bei den Archivschätzen handelt es sich ausnahmslos um „Tatort“-Episoden des ehemaligen Sender Freies Berlin, die ein Wiedersehen mit zum Teil längst vergessenen Kommissaren bescheren. Interessant ist vor allem das Frühwerk, und das nicht allein aufgrund der modischen Eigenarten. Der Reihenauftakt „Der Boss“ (1971), der erste Berliner „Tatort“ überhaupt, erweist sich gemessen an heutigen TV-Gewohnheiten trotz seiner Kürze von nicht mal sechzig Minuten als echte Geduldsprobe: Die Geschichte über jugendliche Pelzräuber kann ihre Verwurzelung in der klassischen deutschen Fernsehspieltradition nicht verleugnen, Krimispannung kommt kaum auf. Der zweite SFB-„Tatort“ (3. Juli) namens „Rattennest“ (1972) hat dagegen nicht zuletzt wegen seines Stars Kinoqualität: Neun Jahre vor Schimanski bot Götz George in der Hauptrolle das sehenswerte Porträt eines Möchtegern-Gangsters, der am Ende nach allen Regeln der Kunst auf sein wahres Maß zurechtgestutzt wird.