CDU-Kanzlerin und SPD-Herausforderer liefern sich eine muntere Auseinandersetzung mit Längen.

Oberndorf/Berlin - Mit Plakaten, Trommeln und Parolen warten die Unterstützer am Sonntagabend vor dem Studio des TV-Duells vor der Bundestagswahl in Berlin auf die beiden Spitzenkandidaten. CDU-Generalsekretär Peter Tauber begrüßt die Gruppe der Jungen Union, gibt Autogramme und posiert für Fotos. Die Jungen Sozialdemokraten bilden mit großen Buchstaben den Namen "Martin". Jeweils rund 100 Mitglieder der beiden Partei-Jugendorganisationen sind angereist.

Drinnen im Studio geht es gleich heftig los. Beim ersten Thema Migration machen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr SPD-Herausforderer Martin Schulz ihre verschiedenen Positionen deutlich. Besonders beim Verhältnis zur Türkei gibt es Differenzen. Während Merkel den Flüchtlingsdeal mit der Türkei verteidigt, fordert Schulz den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. "Wenn ich Kanzler werde, werde ich die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der Europäischen Union abbrechen." Er ergänzte mit Blick auf die jüngste Festnahme zweier Deutscher in der Türkei: "Es ist ein Punkt erreicht, in dem wir die wirtschaftlichen Beziehungen, die Finanzbeziehungen, die Zollunion und die Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union beenden müssen." Merkel verweist darauf, dass der Abbruch der Beitrittsverhandlungen einstimmig von allen EU-Mitgliedstaaten beschlossen werden müsse.

Am Freitag war bekannt geworden, dass zwei Deutsche im Urlaubsort Antalya festgenommen worden. Ihnen werden Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen, die die türkische Regierung für den gescheiterten Putschversuch vor gut einem Jahr verantwortlich macht.

Merkel räumt allerdings ein, dass sich "die Türkei in einem atemberaubenden Tempo von allen demokratischen Gepflogenheiten verabschiedet". Die Kanzlerin meint, man müsse aber trotzdem im Gespräch bleiben. Sie sei noch nie dafür gewesen, die Türkei in die EU aufzunehmen. Schulz entgegnet, die Türkei verstehe nur klare Kante: Jetzt sei Schluss.

Auf die Türkei folgt die Korea-Krise als Thema. Merkel setzt sich weiterhin für eine diplomatische, nicht für eine kriegerische Lösung ein. Schulz geht nicht davon aus, dass US-Präsident Donald Trump der richtige Politiker sei, der den Nordkorea-Konflikt lösen könne. Man müsse sich mit den Gegnern im US-Kongress zusammenschließen sowie mit anderen Partnern.

Nach einer Stunde kommen die vier Moderatoren Sandra Maischberger (ARD), Maybritt Illner (ZDF), Peter Kloeppel (RTL) und Claus Strunz (Sat.1) auf Deutschland zu sprechen. Schulz greift sein Thema soziale Gerechtigkeit auf. Er mahnt trotz der positiven Wirtschaftslage mehr Gerechtigkeit an. "Ja klar, ist Deutschland ein wohlhabendes Land, aber nicht alle Menschen in unserem Land sind wohlhabend."

Kanzlerin Merkel sichert zu, dass es mit ihr keine Rente mit 70 geben werde. Unter anderem hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein längeres Renteneintrittsalter ins Gespräch gebracht. Merkel sagte nun, für manche Berufsgruppen sei es schon jetzt schwer, bis 67 zu arbeiten, etwa für Pflegekräfte. Es gebe aber inzwischen auch die Flexirente für einen moderateren Übergang in den Ruhestand. Schulz erklärt, trotz vieler offener Stellen auf dem deutschen Arbeitsmarkt gebe es immer noch viele prekäre Arbeitsverhältnisse. Zudem müssten viele Frauen in Teilzeit bleiben, obwohl sie – etwa nach einer Kinderauszeit – wieder in Vollzeit zurückkehren wollten.

Der SPD-Chef greift sofort Merkels Maut-Versprechen aus dem TV-Duell 2013 auf. Da habe sie versprochen, dass es keine Pkw-Maut mit ihr gebe. "Schau mer mal, wie sich das entwickelt." Der SPD-Kanzlerkandidat wiederholt sein Wahlversprechen, die Maut wird mit ihm nicht kommen.

Gegen Ende des TV-Duells geht es auch um Koalitionen: Schulz schließt nicht ausdrücklich aus, dass die SPD nach der Bundestagswahl erneut als Juniorpartner in eine große Koalition mit der Union gehen könnte. Merkel sagt, dass die Union auf keinen Fall mit der Linken und der AfD zusammenarbeitet.

Der SPD-Vorsitzende will als Kanzler eine vierköpfige Familie mit einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von 3500 Euro im Monat um etwa 200 bis 250 Euro im Monat entlasten. Unter anderem werde dazu der Spitzensteuersatz später greifen. Merkel bekräftigt, dass die Union in der kommenden Legislaturperiode den Bürger um 15 Milliarden Euro entlasten wolle. Sie könne allerdings nicht genau sagen, was dies im Schnitt für eine vierköpfige Familie ausmache.

Schulz wirbt in seinem Schlusswort für Mut zum Aufbruch in Zeiten des Umbruchs. "Mut zum Aufbruch heißt, die Zukunft zu gestalten und nicht die Vergangenheit zu verwalten." Er stehe für ein "europäisches Deutschland in einem starken Europa". Merkel sagt abschließend: Sie glaube, "dass ich mit der Mischung aus Erfahrung der vergangenen Jahre, in denen wir einiges erreicht haben, und der Neugier auf das Neue" Deutschland so gestalten könne, dass das Land auch in zehn Jahren ein starkes und sozial gerechtes Land sei, "ein Land, in dem der Zusammenhalt auch wirklich gilt". Dafür wolle sie für und mit den Bürgern arbeiten, sagt die Kanzlerin. "Und ich glaube, dass wir das gemeinsam schaffen können." Merkel schließt: "Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend."

Info: SPD vermeldet Schulz' Sieg – schon vor dem Duell

Das Netz spottet Schon Stunden vor dem TV-Duell ihres Kanzlerkandidaten Martin Schulz gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die SPD im Internet den Sieg in dem Schlagabtausch für sich reklamiert – und dafür manchen Spott geerntet. "TV-Duell: Merkel verliert – klar gegen Martin Schulz – spd.​de" war in einer Google-Anzeige zu lesen, die nach Angaben einer Parteisprecherin von Mitternacht bis etwa 7 Uhr morgens freigeschaltet war.

Der SPD-Parteivorstand entschuldigte sich am Sonntag per Twitter für die Panne: "Dienstleister ist heute Nacht bei Google peinlicher Fehler unterlaufen. Nicht unser Stil. Verwirrung bitten wir zu entschuldigen." Nutzer machen sich lustig Viele Twitter-Nutzer ließen diese Entschuldigung allerdings nicht gelten und fielen genüsslich über die SPD her.

"Was will uns der Tweet sagen? Sie haben doch dem ›Dienstleiter‹ Text mit der Ausrufung des Siegers des TV-Duells in Auftrag gegeben", schrieb der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Das Ganze sei "an Dämlichkeit nicht zu toppen", meint der Sieger der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.