Nawid Kakah, afghanischer Turner des TV Rottweil, mit seinem Trainer Franz Aichelmann. Foto: Schleeh Foto: Schwarzwälder Bote

Kunstturnen: Nawid Kakah aus Afghanistan findet durch Kunstturnen beim TV Rottweil neue Heimat

Wer einen Wettkampf der Kunstturner des TV Rottweil anschaut, dem fällt ein athletischer Sportler mit südländischem Aussehen auf. Es ist Nawid Kakah, der seit gut zwei Jahren zur von Franz Aichelmann trainierten TVR-Riege der Gerätespezialisten gehört.

Mit Afghanistan verbindet man im Allgemeinen Krieg, menschliches Leid und Flüchtlinge. Und das war der Auslöser, dass Nawid in Rottweil "gelandet" ist. 2015 kam er zusammen mit seinem Bruder Wahid in München an. Hier lebten beide etwa drei Monate, fanden schnell Kontakt zu anderen Geflüchteten aus ihrem Land und versuchten, sich in der für sie neuen und fremden Umgebung zurückzufinden. "Das hat auch ganz gut geklappt", berichtet der inzwischen 18-Jährige. Da aber immer weitere Flüchtlinge nach München kamen, wurden Erstankömmlinge auf andere Regionen und Bundesländer verteilt. "Wir wussten gar nicht, wohin es geht, es war eher Zufall, dass mein Bruder und ich nach Rottweil kamen", erzählt Nawid Kakah.

Wieder neue Eindrücke und Erlebnisse. Konnten sich die beiden in der bayrischen Metropole relativ schnell zurechtfinden, war das im Verhältnis dazu beschauliche Rottweil für sie auf den ersten Blick nicht so spannend. "Am Anfang war das schon schwer, die neue Sprache und andere Kultur kennenzulernen, weil wir hier völlig fremd waren. Ich spreche zwar englisch, aber dennoch war es nicht so einfach, Kontakte in Rottweil zu finden, auch in der Schule nicht", beschreibt Nawid seine Situation und der Barrieren. Die erste Zeit wohnte er mit seinem Bruder Wahid in der Jugendherberge, wo sich auch ein Betreuer um sie kümmerte und das auch heute noch tut. Mit der Zeit gab es Wege, die Hürden zu überwinden.

Auch wenn es schwer ist, die deutsche Sprache zu erlernen, wusste Nawid, dass dies sehr wichtig ist, um sich zu integrieren. Und als nach und nach die Verständigung immer besser klappte, ergab sich auch der Kontakt zum TV Rottweil. Kunstturnen in der Form wie in Deutschland betrieben, gibt es in Afghanistan nicht, aber eine gewisse Art von Wettkämpfen im Bodenturnen, das Nawid schon immer faszinierte. Bei der Jugendherberge gab es ein Trampolin und auf dem nutzte er in seiner anfangs reichlich vorhandenen Freizeit, hatte großen Spaß, die körperlichen Grenzen auszuloten.

Der zuständige Betreuer erkannte das Talent und vermittelte den Kontakt zu den Turnern des TV Rottweil. "Darüber habe ich mich sehr gefreut. Aber das Geräteturnen war neu für mich, das habe ich hier erst gelernt", schildert der 18-Jährige und fügt an: "Die Leute hier sind sehr nett und es gefällt mir sehr. Über den Sport habe ich mich hier sehr gut eingelebt."

Sehr erfreut darüber ist Franz Aichelmann, langjähriger Trainer der Kunstturner beim TV Rottweil. "Wir brauchen Nawid in unserer Mannschaft, wir sind sehr froh, dass wir ihn haben", so Aichelmann, der dem jungen Afghanen attestiert, dass er das Talent zum Kunstturner habe, auch wenn er relativ spät eingestiegen sei. Nawid Kakah nutzt die Trainingseinheiten beim TV Rottweil intensiv, zudem geht er noch in ein Fitness-Studio, um seine Athletik zu optimieren. Und das ist erkennbar, wenn er seine Übungen an den Geräten absolviert.

Der 18-Jährige hat auch berufliche Pläne. "Ich mache zurzeit die Mittlere Reife und im September kann ich eine Ausbildung als Industriemechaniker bei einer Firma in Sulgen beginnen", freut sich Nawid, dadurch weiter Fuß zu fassen in Deutschland. Anfangs habe er andere Pläne gehabt, wollte Medizin studieren, kann auch die entsprechend gute Noten vorweisen. Doch viele seiner Pläne hängen von der zweiten Anhörung ab, ob er auch künftig als Flüchtling in Deutschland leben darf. Er ist ein Beispiel dafür, dass trotz perfekter Integration, das Erlernen der Sprache und eines Berufes, immer noch die Abschiebung wie ein Damoklesschwert droht. Doch auch in dieser Hinsicht kann Nawid auf Unterstützung durch seine Betreuer und aus seinem inzwischen intakten Umfeld bauen. "Wenn wir ihm dabei helfen können, unterstützen wir Nawid auch", sagt sein Trainer Franz Aichelmann.

Seit einiger Zeit leben die beiden Brüder in Dietingen in einer Wohngemeinschaft mit anderen Flüchtlingen, werden durch einen Betreuer unterstützt, der ihnen mit Rat und Tat in alltäglichen Dingen sowie mit den Behörden zur Seite steht. Ein besonderer Wunsch von Nawid Kakah ist es, eine eigene Wohnung zu haben, ist er deshalb mit seinem Bruder Wahid auf der Suche.

Heute Heimwettkampf

Am heutigen Samstag steht Nawid wieder mit dem TV Rottweil im Wettkampf, wenn die Riege von Franz Aichelmann gegen die zweite Mannschaft der WKG Villingendorf-Rottweil an die Geräte geht. Dabei will er seinen Beitrag leisten, damit der TV Rottweil gewinnt. Auch wenn der TVR als Favorit gilt, relativiert Trainer Aichelmann: "Bei uns fällt unser Sechskämpfer Markus Helzer verletzt aus, das wird schwer, ihn zu kompensieren. Deshalb rechne ich mit einem offenen Wettkampf." Zumindest ist Joachim Sailer wieder dabei und auch Tim Mauch, der in Lüneburg studiert, steht diesmal noch zur Verfügung.