Aimee Boorman soll Stuttgarts Spitzenturnerinnen am Kunstturnforum in Form bringen. Foto: Pressefoto Baumann/Alexander Keppler

Aimee Boorman arbeitet seit rund drei Wochen mit den Spitzenturnerinnen am Kunstturnforum Stuttgart, den zuletzt Missbrauchsvorwürfe erschüttert haben. Nun hat sich die Ex-Trainerin von Superstar Simone Biles der Öffentlichkeit präsentiert.

Ein American Showgirl ist Aimee Boorman nicht – sie ist Turntrainerin, die am liebsten in einem „Gym“, wie sie sagt, ihrer Arbeit nachgeht. Aber: Schwer ist es ihr am Mittwochnachmittag auch nicht gefallen, sich ein wenig in Szene zu setzen. Für Fotoapparate, TV-Kameras und Handybilder. Vor dem Kunstturnforum (KTF), auf der Bodenmatte und vor dem riesigen Spiegel im Obergeschoss des Bundesstützpunkts. Was gut war – denn: Das Interesse ist groß an der 51-Jährigen.

 

Ein Wunder ist das nicht. Denn seit Dezember des vergangenen Jahres geht es in Bezug auf den Turnstandort Stuttgart nicht mehr um Übungen am Stufenbarren, den Abgang vom Schwebebalken oder den Code Pointage an Sprung und Boden. Sondern um Missbrauchsvorwürfe aktiver und ehemaliger Turnerinnen, die das Kunstturnforum erschüttert haben. In der Folge wurden eine Trainerin und ein Trainer suspendiert – was zu einer riesigen Lücke ausgerechnet bei den Besten geführt hat.

Nun ist sie teilweise geschlossen – mit einem durchaus prominenten Gesicht.

Aimee Boorman hat einst Simone Biles trainiert, den US-amerikanischen Superstar. „Ich bin mit ihr groß geworden“, sagt sie nun in Stuttgart, „als wir begonnen haben, gemeinsam zu arbeiten, war ich noch eine junge Trainerin.“ Simone Biles war damals acht Jahre alt.

Vor drei Wochen nun hat Aimee Boorman die sportliche Verantwortung für vier deutsche Turnerinnen im Alter von 16, 17 Jahren übernommen. Dazu gehört auch Helen Kevric, die im vergangenen Jahr bei den Olympischen Spielen überrascht und überzeugt hat. Boormans Aufgabe ist recht klar umrissen. Sie soll den Zustand der nicht optimalen Trainingsbedingungen für die Spitzenathletinnen aufheben, diese wieder in Form bringen und auf die Heim-EM Ende Mai in Leipzig vorbereiten. Anlass für weitere Beschwerden, das ist klar, dürfen auch keine hinzukommen in dieser sensiblen Phase. Aber da sieht die Mutter von drei Söhnen auch keine Gefahr.

Bei den Olympischen Spielen von Rio de Janeiro hat Aimee Boorman Superstar Simoine Bildes betreut. Foto: imago/ITAR-TASS/imago sportfotodienst

„Meine Philosophie“, versichert die US-Amerikanerin aus Chicago, „ist es, in der Turnhalle positiv zu sein.“ Sie selbst wolle mit Spaß bei der Arbeit sein, „damit auch die Turnerinnen Spaß haben“. Denn: „Wenn die Athletinnen nicht lieben, was sie tun, dann werden sie auch nicht erfolgreich sein.“ Passieren Fehler in den Übungen, dann wolle sie zuerst hervorheben, was daneben alles gut gelaufen sei. Erst danach beginne sie damit, Patzer zu analysieren. Nach einem anfänglichen Abtasten sei die Atmosphäre in ihrer Trainingsgruppe mittlerweile sehr herzlich.

Von den Geschehnissen der vergangenen Monate und auch Jahre an den baden-württembergischen Stützpunkten in Stuttgart und Mannheim weiß sie nach eigener Aussage nichts – und will vermutlich auch nicht viel darüber wissen. Vor drei Wochen ist sie in Stuttgart angekommen, hat sich vom Training am KTF einen Eindruck verschafft, dann ging es gleich nach Frankfurt zum Lehrgang der Nationalmannschaft. Zwei Wochen hat sie seitdem in Stuttgart mit den Turnerinnen gearbeitet.

Die Trainerin sieht bereits Fortschritte bei den Turnerinnen

„Schon jetzt sind sie andere Turnerinnen als bei meiner Ankunft“, sagt Aimee Boorman mit Blick auf die Fortschritte in den vergangenen Tagen – und empfindet es fast schon als Luxus, dass sie sich in ihrer Arbeit auf vier Athletinnen konzentrieren kann. „Das ist toll, ich genieße das“, erklärt sie und berichtet, dass sie früher immer mit deutlich größeren Gruppen gearbeitet hat. Und dass sie sich in ihrer Art zu coachen von anderen Trainerinnen und Trainern unterscheidet. Das, versichert sie, sei auch an ihrer neuen Wirkungsstätte schon aufgefallen.

„Die anderen sagen, ich würde mehr sprechen, als sie es von den bisherigen Trainerinnen und Trainern gewohnt waren“, sagt Boorman – die dann fragte: „Ist das schlecht?“ Die angebliche Antwort: ganz und gar nicht.

In Stuttgart ist sie auf Anraten von Gerben Wiersma tätig. Der Niederländer ist deutscher Bundestrainer, Boorman selbst hat schon in den Niederlanden als Trainerin gearbeitet. Aber: Ihr Engagement ist eines auf Zeit. Fünf Monate läuft ihr Vertrag, was danach kommt, ist offen. Ebenso, wie sich der Standort Stuttgart weiter aufstellt.

Boorman ersetzt quantitativ lediglich eine der offenen Stellen, eine weitere ist ausgeschrieben. Da es einen weiteren, schon wochenlangen krankheitsbedingten Ausfall gibt, müssen weiter andere Coaches Aufgaben übernehmen, die eigentlich nicht in ihren Tätigkeitsbereich fallen. Es bleibt also noch viel Arbeit im Kunstturnforum, ehe gänzlich optimale Trainingsbedingungen wieder hergestellt sind.

Was sie abseits des rein Sportlichen mit ihren Schützlingen erreichen wolle, wurde Aimee Boorman am Mittwochnachmittag dann noch gefragt. Ihre Antwort reicht weit in die Zukunft: „Dass sie sich gut fühlen – ganz egal, wer sie trainiert.“