Nicht nur an den Ringen, auch an den anderen fünf Geräten will der Stuttgarter Turner Marcel Nguyen bei der Heim-Europameisterschaft in Berlin glänzen. Foto: dpa

Der deutsche Turn-Mehrkampfmeister gibt bei der EM in Berlin sein internationales Comeback.

Stuttgart/Berlin - Europas beste Turnerinnen kämpfen heute um den Einzug in die Finals, Marcel Nguyen muss sich noch gedulden. Am Mittwoch kehrt er nach seiner Verletzung zurück - und wird von der Konkurrenz bei in Berlin schon gefürchtet.

Marcel Nguyen (23) war der erfolgreichste deutsche Turner des vergangenen Jahres - zumindest bis zum 25. September. Er gewann in Birmingham den Team-EM-Titel, wurde mit der KTV Straubenhardt deutscher Mannschaftsmeister und holte bei den nationalen Meisterschaften den hart umkämpften Mehrkampftitel.

Dann brach er sich beim Dreiländerkampf in der Schweiz das Wadenbein.

Der Traum von der WM in Rotterdam, von einer möglichen Medaille, war geplatzt. Der Stuttgarter war zum Zuschauen verdammt, als seine Kollegen WM-Bronze holten und Philipp Boy Vizeweltmeister im Mehrkampf wurde. "Das war scheiße für mich, ich kann es nicht anders sagen. Ich war so fit", meint der Turner rund fünf Monate später.

Jetzt, pünktlich zur Heim-EM in Berlin (6. bis 10. April), ist die Leidenszeit vorbei, Marcel Nguyen ist wieder da. Vielleicht noch nicht ganz so fit wie zuvor, aber hoch motiviert. In der Max-Schmeling-Halle, dort wo er vergangenen September Meister wurde, will er an die Erfolge anknüpfen, die er vor seiner Verletzung feierte. "Ich glaube, diese Halle liegt mir", sagt der gebürtige Münchner, der in Stuttgart lebt und im Kunstturnforum in Cannstatt trainiert.

Die Bodenübung musste abgespeckt werden

Wenn Marcel Nguyen in Berlin schon wieder all das abrufen könnte, was er im vergangenen Jahr gezeigt hat, würde er eindeutig zu den Medaillenkandidaten zählen. Doch so weit ist er noch nicht. Vom Plan, den Dreifach-Tsukahara am Boden - das Element, bei dem er sich verletzte - schon wieder zu zeigen, ist er abgekommen. "Zu riskant", sagt sein Trainer Waleri Belenki. Die Bodenübung musste abgespeckt werden. Vor der Verletzung lag der Ausgangswert bei 6,5 - Weltklasse. Beim letzten EM-Test in Dessau waren es 0,5 Punkte weniger. "Dafür habe ich an Barren und Reck noch was draufgepackt", sagt Marcel Nguyen kämpferisch.

Er wird in Berlin wie Philipp Boy an allen sechs Geräten - an Boden, Pauschenpferd, Ringen, Sprung, Barren und Reck - starten. "Wir haben lange überlegt, ob wir das machen sollen", sagt Waleri Belenki. Gemeinsam mit Bundestrainer Andreas Hirsch, der Nguyen einmal als "den talentiertesten deutschen Turner" bezeichnet hatte, entschied sich der Olympiasieger von 1992 dafür. Marcel Nguyen macht sich dennoch keine Illusionen. Sauber durchturnen, sagt er, sei das Ziel: "Was dann dabei herauskommt, wird man sehen." Er habe die Chance, ins Mehrkampffinale zu kommen, betont sein Trainer. "Auf ihn muss man aufpassen", sagt Philipp Boy, der nach dem Achillessehnenriss von Fabian Hambüchen die besten Chancen auf einen Titel hat. Doch die Konkurrenz - der Brite Daniel Purvis und der Russe Maxim Dewiatowski - ist stark.

Neben Boy und Nguyen starten in Berlin die Stuttgarter Trainingskollegen Thomas Taranu und Sebastian Krimmer sowie Robert Weber (Ehmen) und Brian Gladow (Berlin). "Die EM hat einen hohen Stellenwert, weil sie eben in Berlin ist", sagt Nguyen. Im eigenen Land wolle man sich gut präsentieren. Der turnerische Höhepunkt des Jahres aber ist die WM in Tokio (7. bis 16. Oktober). Dort geht es nicht nur um Titel, sondern um die Qualifikation für Olympia 2012 in London. "Das ist mein ganz großes Ziel, dafür arbeite ich hart", sagt Nguyen. Zunächst aber hofft er, dass seine Rückkehr auf die große Bühne erfolgreich verläuft - und das geht nur, wenn sein rechtes Bein mitspielt.