Die Erzieherin wurde daraufhin mit sofortiger Wirkung freigestellt. Im Dezember kamen Vertreter des KVJS, des Jugendamts und des Fachverbands Katholischer Kindertagesstätten zu einem Vor-Ort-Termin zusammen. Auch die Frau wurde gehört und soll nach Aussage der katholischen Kirchengemeinde die Ohrfeige zugegeben haben. "Die festgestellten Vorkommnisse ließen keine andere Entscheidungsmöglichkeit, als das Arbeitsverhältnis mit der betreffenden Mitarbeiterin zu beenden", so die Erklärung des Kindergartenträgers. Der Vorfall wurde als mögliche Kindeswohlgefährdung eingestuft.
"Gewalt gegen Kinder ist immer zu verurteilen, auch wenn es sich um eine Affekthandlung handeln sollte", die Auskunft des KVJS. Wilhelm Butschle, stellvertretender Leiter des katholischen Verwaltungszentrums in Tuttlingen und zuständig für über 100 Kindergartengruppen im Bereich des Dekanats Tuttlingen Spaichingen, erklärt im Gespräch mit der Trossinger Zeitung, dass nicht die Ohrfeige allein das Hauptproblem gewesen sei: "Die Ohrfeige ist natürlich ein Delikt. Aber den Übergriff nicht zu melden, ist schwerwiegender." Hätte die Frau sich an ihren Arbeitgeber gewandt und den Zwischenfall selbst gemeldet, hätte es, so der Kirchenvertreter, vielleicht Möglichkeiten gegeben, von der Kündigung abzusehen.
Pfarrer Thomas Schmollinger tut sich mit der Situation sichtlich schwer. Ihm sei es wichtig gewesen, dem Team des Kindergartens sofort nach Bekanntwerden des Vorfalls professionelle Hilfe anzubieten. Personell unterbesetzt sei die Einrichtung zu keinem Zeitpunkt gewesen, betont Butschle. Warum die Frau in eine Situation der Überforderung geraten sei, werde derzeit noch geklärt. Ein Ansatzpunkt sei der neue Konzept, das der Kindergarten erst seit einigen Monaten umsetzt. "Die offene Konzeption wurde von den Eltern bei einer Befragung sehr positiv beurteilt", so Schmollinger. Doch mit Blick auf das Personal und dessen mögliche Belastung müsse geschaut werden, "wo Verbesserungen notwendig sind".Trotz der Kündigung sei es zu keinem Personalengpass in der Einrichtung gekommen, so Butschle. Denn einige Erzieherinnen haben ihre Arbeitsverträge aufgestockt, außerdem sei die Stelle seit einigen Tagen ausgeschrieben. "Wir sind absolut davon überzeugt, dass die Kinder dort in guten Händen sind", versichert Butschle.
Externe Experten sollen nun in der Einrichtung klären, ob Stressauslöser gefunden werden können. Diese könnten zum Beispiel, so Butschle, die räumliche Situation oder besonders herausfordernde Kinder sein. Wichtig sei es, den Erzieherinnen Hilfe an die Hand zu geben, damit solche Situationen wie im Oktober "in Zukunft ausgeschlossen sind", so Butschle.
Eine Studie von Prof. Johannes Jungbauer und seinem wissenschaftlichern Mitarbeiter Sebastian Ehlen hat sich mit dem Stress, dem Erzieher tagtäglich ausgesetzt sind, befasst. Die beiden Forscher arbeiten am Institut für Gesundheitsforschung und Soziale Psychiatrie der Katholischen Hochschule Aachen
In der Fachzeitschrift "Das Gesundheitswesen" wurden die Ergebnisse veröffentlicht: Auch wenn viele andere Berufsgruppen mit Stress zu kämpfen haben, so sei der Erzieherberuf "aufgrund der kontinuierlichen Beziehungs- und Gefühlsarbeit jedoch psychisch oft sehr fordernd und anstrengend". Für seine Studie hat das Team 834 Erzieher anonym befragt, um Burnout-Symptome feststellen zu können. "Fast jeder fünfte Teilnehmer weist Werte auf, die auf ein stark erhöhtes Burnout-Risiko hindeuten", so die Studie weiter.
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