Von 2007 bis 2021 haben sich die Zeiten einer weitgehend eisfreien Fahrt durch die Nordwestpassage zum Teil deutlich verringert. Foto: Imago/Robert harding

Durch den Klimawandel bleibt die Nordwestpassage länger eisfrei und wird so sicherer für die Schifffahrt. So zumindest die bisherige Annahme. Für einige Abschnitte scheint aber das Gegenteil zu gelten.

Der Rückgang des Meereises im Zuge des Klimawandels eröffnet im Norden neue Wege für die Schifffahrt, etwa durch die arktische Inselwelt Kanadas. Doch von 2007 bis 2021 haben sich die Zeiten einer weitgehend eisfreien Fahrt durch die Nordwestpassage zum Teil deutlich verringert. Der Grund dafür ist weniger Eis, das im Sommer taut und im Winter wieder gefriert, als vielmehr altes Eis, das aus dem Norden in die Schifffahrtswege driftet.

 

Das berichtet ein Forschungsteam um Alison Cook von der Scottish Association for Marine Science im schottischen Oban im Fachjournal „Communications Earth & Environment“.

Praktikable und kürzere Schifffahrtsroute

„Die Schifffahrt durch die kanadischen Arktisgewässer ist weltweit von besonderem Interesse, da sich die Nordwestpassage als praktikable, kürzere und möglicherweise wirtschaftlichere Alternative zu den traditionellen Schifffahrtsrouten zwischen Atlantik und Pazifik (zum Beispiel Panama- und Suezkanal) herauskristallisiert“, schreiben die Autor der Studie.

Durch den Klimawandel taut auf verschiedenen Seewegen nördlich des kanadischen Festlands das Eis in der wärmeren Jahreshälfte oft vollständig weg und gibt die Passagen auch für Schiffe frei, die nicht so massiv gebaut sind wie Eisbrecher.

Nordwestpassage wird der rund 5780 Kilometer lange Seeweg genannt, der nördlich des amerikanischen Kontinents den Atlantischen Ozean mit dem Pazifischen Ozean verbindet. Er führt über das Nordpolarmeer und seine Randmeere sowie die dazugehörenden Meeresstraßen durch den kanadisch-arktischen Archipel und spielt für die Transarktische Schifffahrt eine wichtige Rolle.

Treibeis im Lancastersund, einer 50 Kilometer breiten Meerenge zwischen der Devon-Insel und der Baffininsel im kanadischen Territorium Nunavut: Der Lancastersund ist Teil der Nordwestpassage, die 1819–1820 von William Parry und 1850–1853 von Robert McClure aufgeklärt und 1903–1906 von Roald Amundsen erstmals durchfahren wurde. Foto: dpa/Alison Cook

Forscherteam analysiert Eiskarten

Die Gruppe um Cook analysierte Eiskarten kanadischer Behörden, die seit 2007 durchgängig für verschiedene Routen der Nordwestpassage zur Verfügung stehen. „Es besteht die Vermutung, dass der prognostizierte Meereisverlust im Arktischen Ozean neue Schifffahrtsrouten, insbesondere rund „um die Nordwestpassage, bedeuten wird“, so Cook in einer zur Studie veröffentlichten Mitteilung.

Es sei jedoch sehr gefährlich, davon auszugehen, dass dies überall der Fall sein werde, und die Bedingungen änderten sich ständig.

Wer mit dem Schiff etwa von Nordeuropa oder von der amerikanischen Ostküste nach Japan will, kann durch die Nordwestpassage mehrere tausend Kilometer abkürzen. Foto: Nasa

Vier Routen im Fokus

Eine häufig genutzte Route führt südlich der Victoria-Insel nah am kanadischen Festland entlang. Doch ein Weg nördlich der Insel ist rund 500 Kilometer kürzer und seit 2007 im Sommer teilweise eisfrei.

Zu beiden Routen gibt es jeweils noch eine weitere Variante, sodass das Forschungsteam insgesamt vier Routen in den Blick nahm. Die wichtigste Analyse betraf Schiffe der Polarklasse PC 7, die durch bis zu 70 Zentimeter dickes Eis fahren können. Die Wissenschaftler untersuchten vor allem vier Stellen, an denen besonders häufig Eis die Durchfahrt behinderte.

Eisschollen in der Nordwestpassage. Foto: Imago/Robert Harding
  • 1. Route - westlich der Banksinsel: Eine dieser Passagen führt westlich der Banksinsel entlang, der westlichsten Insel im kanadisch-arktischen Archipel. Während PC-7-Schiffe diesen Bereich 2007 noch 27 Wochen lang passieren konnten, waren es 2021 nur noch 13 Wochen – also 14 Wochen weniger.
  • 2. Route - nordöstlich der Banksinsel: In einem weiteren Gebiet, nordöstlich der Banksinsel, sank der Durchfahrtszeitraum von 6,5 auf 2 Wochen, wobei diese Stelle im Jahr 2018 für weniger als eine Woche passierbar war.
  • 3. Route - Victoria-Island: Einen ähnlichen Trend zeigt ein Seegebiet nördlich der Victoria-Insel.
  • 4. Route - Meerenge Prince Regent Inlet: Lediglich für die Meerenge Prince Regent Inlet stieg im Untersuchungszeitraum die Anzahl der Wochen, in denen sie für PC-7-Schiffe passierbar war, um 4,5 Wochen. Doch gerade die Routen nördlich von Banks- und Victoria-Insel, für die frühere Studien die Hoffnung auf mehr eisfreie Durchfahrten weckten, sind nun seltener befahrbar.

Gefährliches Eis aus dem Norden

Als Grund dafür hat die Forschergruppe altes, dickes Eis aus nördlicheren Breiten ausgemacht. „Dieses Eis ist noch gefährlicher und schafft Engpässe entlang bestimmter Routenabschnitte, was zu einer Verkürzung der Schifffahrtssaison führt“, wird Cook in einer Mitteilung ihrer Forschungseinrichtung zitiert.

Die Franklin-Expedition war die dritte große und letzte Forschungsreise des britischen Polarforschers Sir John Franklin. Ihr Ziel war es, die Nordwestpassage erstmals vollständig zu durchsegeln. Die Expedition scheiterte katastrophal; 1845 bis 1848 starben alle Beteiligten im kanadisch-arktischen Archipel. Foto: Imago//AGB Photo

Dass dieses Eis in den Schifffahrtswegen auftaucht, ist ebenfalls eine Folge des Klimawandels. Weil die offenen Wasserflächen im Sommer teilweise eisfrei sind, kann dickes Eis, das sich vom massiven Eis rings um die nördlichsten Inseln gelöst hat, nach Süden driften und die Schifffahrt gefährden.

Fachleute gehen davon aus, dass dieses Eis von allem arktischen Meereis am längsten erhalten bleiben wird. „Der Klimawandel wird aufgrund der anhaltenden Engpässe wahrscheinlich nicht zu einer nachhaltigen Verlängerung der Schifffahrtssaison auf der nördlichen Route der Nordwestpassage führen“, betont Cook.