Ein 35-Jähriger muss sich seit Freitag für eine tödliche Geisterfahrt bei Tübingen vor Gericht verantworten. Foto: dpa

35-jähriger Geisterfahrer muss sich wegen Mordes vor dem Landgericht Tübingen verantworten.

Tübingen - Er wollte sich wohl das Leben nehmen - doch stattdessen riss er laut Anklage einen Unschuldigen in den Tod: Ein 35-Jähriger muss sich seit Freitag für eine tödliche Geisterfahrt vor Gericht verantworten. Laut Anklage war er im April absichtlich auf der falschen Fahrbahn über die Bundesstraße 27 gerast und hatte sein Auto schließlich frontal in den Wagen einer dreiköpfigen Familie gelenkt. Der 43-jährige Vater starb, der Geisterfahrer überlebte. Nun steht er wegen Mordes vor Gericht.

Es war am 10. April um kurz vor zehn, als der tödliche Unfall bei Pliezhausen (Kreis Reutlingen) passierte. Der 43-Jährige war mit seiner Frau und seiner elfjährigen Tochter auf der Schnellstraße von Stuttgart in Richtung Tübingen unterwegs. Er sei nicht zu schnell gewesen, habe sich an alle Verkehrsregeln gehalten, betonte die Staatsanwältin. Als ihm dann plötzlich ein Geisterfahrer entgegen gerast kam, habe er keine Chance mehr gehabt. Der 43-Jährige wurde so schwer verletzt, dass er wenig später im Krankenhaus starb. Seine Frau und seine Tochter überlebten den Unfall schwer verletzt.

Auch der 35-Jährige wurde damals schwer verletzt aus seinem Wagen geborgen. Er wird seit dem Unfall in einem Gefängniskrankenhaus behandelt. Was ihn zum Geisterfahrer werden ließ, ist noch unsicher, denn vor Gericht schwieg er zu allen Vorwürfen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er sich selbst das Leben nehmen wollte. Weshalb er dabei das Risiko einging, andere Menschen mit in den Tod zu reißen, wollen die Richter nun herausfinden. Doch dass der Angeklagte absichtlich zum Geisterfahrer wurde, daran lassen die Ermittler keine Zweifel.

Angeklagter trinkt zehn Flaschen Bier am Tag und Schnaps

Der 35-jährige Stuttgarter war an jenem Morgen von Reutlingen in Richtung Stuttgart unterwegs. Als er an die vierspurige B27 kam, lenkte er sein Fahrzeug nach links, fuhr über die Ausfahrt auf die falsche Spur der Schnellstraße, gab Vollgas und beschleunigte auf fast 150 Kilometer pro Stunde. Als ihm nach zwei Kilometern das Auto der Familie entgegenkam, habe er das Steuer noch nach links gerissen und genau auf den anderen Wagen zugesteuert. Der 43-jährige Vater habe noch auf die Bremse getreten, sagte die Staatsanwältin - aber da sei schon alles zu spät gewesen.

Der 35-Jährige, der vor Gericht eher schüchtern wirkte, hat schon eine ganze Reihe von Verurteilungen hinter sich. Immer wieder war er in schwere Schlägereien verwickelt, saß schließlich wegen versuchten Totschlags jahrelang im Gefängnis. Mehrere Ausbildungen brach er ab, bekam schließlich psychische Probleme, trank nach eigenen Angaben zehn Flaschen Bier am Tag und reichlich Schnaps.

Am ersten Prozesstag musste die Verhandlung immer wieder unterbrochen werden, weil sich der Angeklagte nicht mehr konzentrieren konnte. Ein psychiatrischer Sachverständiger ging außerdem davon aus, dass er große Angst davor habe, der Ehefrau des Opfers zum ersten Mal nach dem Unfall in die Augen blicken zu müssen. Die Frau soll als Zeugin in dem Prozess auftreten.

35-Jähriger bestreitet jede Absicht

Inzwischen hat der 35-jährige Angeklagte bestritten, den Unfall absichtlich verursacht zu haben. Er haben Drogen kaufen wollen, habe sich dann aber verfahren und sei schließlich ziellos durch die Gegend gekurvt, sagte er am Freitag vor dem Landgericht Tübingen. „Dann weiß ich bloß noch, dass ich gemerkt habe: Scheiße, da stimmt was nicht. Ich wollte raus auf den Seitenstreifen, da hat es schon gekracht.“