Flüchtlinge: Tübingens grüner Rathauschef erntet für Vorschlag scharfe Kritik aus den eigenen Reihen.

Tübingen/Berlin - Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer von den Grünen eckt gern an in seiner Partei. Jetzt fordert er Zäune gegen unkontrollierte Einwanderung von Flüchtlingen. Und wird von Parteikollegen nicht nur kritisiert, sondern auch verhöhnt.

Der Grünen-Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, spricht sich in der Flüchtlingspolitik für einen härteren Kurs aus und erntet dafür erneut scharfe Kritik aus den eigenen Reihen. "Es sind nicht die Zeiten für Pippi-Langstrumpf- oder Ponyhof-Politik", sagte Palmer dem "Spiegel". "Wir müssen die unkontrollierte Einwanderung beenden. Das bedeutet nicht, dass wir niemanden mehr reinlassen, aber wir entscheiden, wer reinkommt."

Die EU-Außengrenzen sollen nach dem Willen Palmers mit einem Zaun und bewaffneten Grenzern gesichert werden, um deutlich mehr Flüchtlinge als bisher abzuweisen. Er sei dafür, dass Deutschland großzügig Menschen in Not aufnimmt, aber eben nicht alle. Palmer forderte die Grünen auf, die von der Union geforderte Erweiterung der Liste sogenannter sicherer Herkunftsländer um Algerien, Tunesien und Marokko mitzutragen und nicht im Bundesrat zu blockieren.

Proteste von Grünen-Politikern ließen nicht lange auf sich warten. Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter warf Palmer im "Tagesspiegel" vor: "Wer Zäune und Mauern zur Begrenzung der Einwanderung von Flüchtlingen fordert, spielt in erster Linie rechten Hetzern in die Hände." Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Volker Beck, und die "Grüne Jugend" machten sich im Kurznachrichtendienst Twitter über Palmer lustig.

"Ich glaube, da hat ein südwestdeutscher OB zu viel Krummelus genascht", twitterte Beck in Anspielung auf Palmers Formulierung "Pippi-Langstrumpf-Politik". Krummelus-Pillen sind eine Wortschöpfung der Schriftstellerin Astrid Lindgren. Sie sollen in den Pipi-Langstrumpf-Kinderbüchern dafür sorgen, dass die Freunde Pipi, Annika und Thomas Kinder bleiben.

Die "Grüne Jugend" postete bei Twitter ein Bild, das den Oberkörper Wladimir Putins mit einem darauf montierten Kopf Palmers auf einem pinkfarbenen Einhorn zeigt, das unter einem Regenbogen hindurch reitet. Dazu heißt es: "Palmer will Zäune & weniger Ponyhof. Wir wollen weniger Zäune und konsequenten Menschrechtsschutz."

Seine Stadt Tübingen habe Probleme, den Andrang der Flüchtlinge zu bewältigen, argumentierte Palmer. In der Bevölkerung schwinde die Akzeptanz. "Spätestens seit den Übergriffen in der Silvesternacht in Köln kommen selbst grüne Professoren zu mir, die sagen: Ich habe zwei blonde Töchter, ich sorge mich, wenn jetzt 60 arabische Männer in 200 Meter Entfernung wohnen."

In der Frage, wie der Staat mit straffällig gewordenen Flüchtlingen umgehen soll, hat CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf unterdessen eine Verschärfung des Kurses gefordert. "Wenn von den 77 in der Landeserstaufnahmestelle Ellwangen als Gewalttäter und Diebe aufgefallenen Flüchtlingen inzwischen über die Hälfte untergetaucht ist, ist das ein erneutes Versagen der grün-roten Flüchtlingspolitik", sagte Wolf am Wochenende unserer Zeitung.

Die überwiegend aus Nordafrika stammenden 77 Personen waren erst vor Kurzem von der Polizei bei einer Razzia aus der Erstaufnahmestelle Ellwangen geholt und zur gesonderten Unterbringung nach Stuttgart gebracht worden. Dort sind 42 von ihnen spurlos verschwunden. Aus Sicht von Wolf "braucht es notfalls eine Art Hausarrest für gefährliche Personen. Barvermögen und Fahrtickets müssen in solchen Fällen sichergestellt werden."